Leseprobe

88 88 ruiniert, indem er ihre Ressourcen plünderte, um Kriege zu führen, Sachsen stark zu bereichern und dieses schöne Stück zu schaffen, das zu Dresden wurde. Irgendwann lernte ich Tadeks Kollegen kennen und auch Professor Dietze, der die Malerklasse im zweiten Semester leitete, die Tadek besuchte. Dietze, ein fähiger Maler alter Schule, war ein älterer, freundlicher Mann, der mein Interesse an Kunst bemerkte und fragte, ob ich auch malte. Ich gab zu, dass ich auch ab und zu ein bisschen zeichnete, und er sagte, dass er gerne mal etwas von meinen Arbeiten sehen würde. Ich hatte zuletzt in der Zeit vor dem Krieg etwas gezeichnet, als Tadek und ich einige Streifzüge an den Rand der Stadt unternommen hatten, um Landschaftsskizzen anzufertigen. Ich fühlte mich etwas unsicher und führte vage Ausreden an, doch Tadek erzählte Dietze, ich sei eigentlich ziemlich gut. Dann wandte er sich an mich und sagte mir, ich solle dem Professor doch mal zeigen, was ich könnte. Ich gab nach, kaufte mir einen Skizzenblock und verbrachte einige Zeit damit, Architektur im Zwinger zu zeichnen, einer schönen barocken Anlage aus dem frühen 18. Jahrhundert, und im Großen Garten, einem riesigen städtischen Park. Insgesamt brachte ich in etwa ein Dutzend Zeichnungen zu Dietzes Atelier in der Akademie. Er fand sie gut genug und lud mich ein, an ein paar Klassen teilzunehmen, die er am Abend unterrichtete. Diese Klassen wurden von einer kleinen Gruppe Studenten besucht, die ihre Fähigkeiten auf diesem außerschulischen Weg unter der Leitung eines guten Lehrers verbessern wollten. Tadek gehörte auch zu dieser Gruppe, genau wie vier junge Frauen, deren Namen ich – unglaublich! – noch immer erinnere. Unter ihnen war eine sehr lebhafte und intelligente Frau namens Franziska Ulich, mit der ich mit der Zeit viele Gemeinsamkeiten entdeckte. Neben den rein akademischen Studien in Professor Dietzes Klassen begann ich, auch für mich allein zu zeichnen, meistens Zeichnungen vom Kriegsgräuel des Jahres 1939, das in meinen Gedanken noch sehr lebendig war, oder persönliche Darstellungen des Elends der polnischen Bevölkerung unter der Herrschaft der Deutschen. Franziska sah diese Zeichnungen und sagte, meine Stift- und Tuschetechnik würde dem Stil Alfred Kubins ähneln; die sozialen Themen meiner Bilder würden sie an die grafischen Arbeiten von Käthe Kollwitz erinnern. Ich fühlte mich natürlich geschmeichelt, obwohl ich die Namen dieser Künstler Ein Selbstporträt von Franziska Ulich.

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