Leseprobe

27 die Landschaftsdarstellung bereits eine längere Tradition hatte – allerdings im Medium der Grafik. 1766 war der Schweizer Adrian Zingg als Professor für Kupferstecherei an die neu gegründete Kunstakademie berufen worden. Einen seiner Schwerpunkte bildete die Reproduktion von Landschaftsgemälden. Vermutlich verwendete der junge Schirmer 1822 Zinggs Stich nach einer Landschaft von Jacob van Ruisdael aus der Dresdener Sammlung als Vorlage für seine erste Radierung.11 Zinggs eigene Landschaftsbilder beruhten auf Skizzen, die er gemeinsam mit Schülern in der Natur anfertigte. Von den regelmäßig stattfindenden Exkursionen berichtete beispielsweise Konrad Geßner, der von 1784 bis 1786 an der Dresdener Akademie studierte. Konrad war der Sohn des Dichters und Malers Salomon Geßner, dem im Diskurs über die Landschafsmalerei im deutschsprachigen Raum im 18. Jahrhundert eine wichJohann Wilhelm Schirmer 7 Bachschleuse um 1827/1828 tige Stimme zukam. Dem väterlichen Rat, auch in der Natur »mit dem Pinsel in der Hand zu studieren«,12 musste Konrad eigenverantwortlich folgen – Zingg fertigte seine Naturstudien in der Regel mit der Feder an. 1814 übernahm der Zingg-Schüler Carl August Richter die Professur für Kupferstecherei und bildete auf dieser Position weiterhin vor allem zeichnende Landschaftskünstler aus. Noch sein Sohn Ludwig Richter, der ihm 1837 in dieser Professur nachfolgte, hatte Schwierigkeiten mit der Ölstudienmalerei vor der Natur. Von seinem Italienaufenthalt in den 1820er-Jahren berichtete er, dass er und seine Freunde kopfschüttelnd die Malweise der französischen Künstler in Tivoli betrachtet hätten, die in ihren Naturstudien pastos Farbe auftrugen, während Richter und seine deutschen Freunde vor allem gezeichnete Studien anfertigten.13 In Dresden etablierte in dieser Zeit allerdings 8 Vgl. Friedrich von Uechtritz, Blicke in das Düsseldorfer Kunst- und Künstlerleben, Bd. 1, Düsseldorf 1839, S. 315 f. 9 Karl Friedrich Schinkel erwarb 1824 eine Gruppe dieser Bilder. Bevor die Studien in Schinkels Besitz übergingen, kopierte Reinhold selbst einige davon. Vgl. Werner Busch, »Die Ölstudie im Werk von Heinrich Reinold«, in: Heinrich Reinhold. Der Landschaft auf der Spur, hg. von Andreas Stolzenburg, Markus Bertsch und Hermann Mildenberger, Ausst.- Kat. Hamburger Kunsthalle/Klassik Stiftung Weimar, München 2018, S. 89–95. 10 Vgl. Schirmer (1807–1830) 2010 (wie Anm. 7), S. 91. 11 Vgl. Rudolph Theilmann, »Daten zu Schirmers Biographie«, in: Johann Wilhelm Schirmer in seiner Zeit. Landschaft im 19. Jahrhundert zwischen Wirklichkeit und Ideal, hg. von Siegmar Holsten, Ausst.- Kat. Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe/SuermondtLudwig-Museum Aachen, Heidelberg 2002, S. 53. 12 Geßner/Briefwechsel 1801 (wie Anm. 1), S. 187. 13 Vgl. Hans Joachim Neidhardt, Ludwig Richter, Leipzig 2003, S. 19.

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