Leseprobe

Das Poble Espanyol der Weltausstellung 1929 in Barcelona als Imagination nationaler Einheit 189 q Armen, die Heimat der Helden, der Rächer der Gekränkten, das anmutige Stelldichein treuer Freundschaften und ganz einzig durch seine Lage und Schönheit.«18 In beiden Städten begannen die Ausstellungsplanungen lange vor der Machtergreifung Primo de Riveras unter unterschiedlichen Vorzeichen. In Sevilla planteman zwischen 1905 und 1909 an einer internationalen hispanoamerikanischen Ausstellungmit einer bereits erkennbar regenerationistischen Ausrichtung »Por Sevilla y para España« (Für Sevilla und Spanien),19 aber erst 1910 setzte sich die andalusische Hauptstadt definitiv gegen die konkurrierenden Austragungsorte Madrid und Bilbao durch.20 Nach Lesart der Ausstellungspropaganda 1929 fiel die Wahl auf Sevilla, weil es die größte Stadt in Südspanien und – noch wichtiger – durch Kolumbus eng mit der Entdeckung und Kolonialisierung der NeuenWelt verbunden sei. Die ersten Arbeiten begannen 1913, mussten aber wegen des Ersten Weltkriegs unterbrochen werden.21 Der sevillanische Architekt Aníbal González legte 1912 seine Pläne vor und verantwortete zwischen 1914 und 1928 die Errichtung des größten Gebäudeensembles der Ausstellung an der Plaza de España imnördlichen Bereich des Parks María Luisa ganz im Sinne des Traditionalismus von Vicente Lampérez y Romea.22 Nach dem Krieg kamen die Planungen zunächst wegen politischer Unruhen nicht in Gang, nahmen dann aber nach demBeschluss, Portugal und Brasilien einzuladen und der damit einhergehenden Umbenennung in »Exposición IberoAmericana« 1922 sowie mit der Übergabe der Planungen an den Zivilgouverneur José Cruz Conde 1925 wieder Fahrt auf. Als enger Vertrauter von Primo de Rivera wurde er von ihm zum königlichen Kommissar der Ausstellung ernannt und agierte nahezu unabhängig von den städtischen Behörden mit der Vollmacht der Zentralregierung inMadrid.23 Bis 1929 wurden die südliche Parkanlagemit der Plaza de América und den iberoamerikanischen Pavillons erbaut. Von den afrikanischen, spanischen und andalusischen Pavillons und weiteren, auch institutionellen und kommerziellen, Ausstellungsgebäuden, die sich über ein breites Areal östlich des nach Alfons XIII. benannten Guadalquivir-Kanals verteilten und auch südlich des Parks María Luisa lagen, wurden einige sogar erst nach der Eröffnung fertiggestellt. In Barcelona begannen die Planungen für eine internationale Ausstellung ebenfalls zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Nach der erfolgreichen Weltausstellung von 188824 verfolgteman schon imGründungsjahr der konservativen katalanischen Partei Lliga Regionalista 1901 das Vorhaben, eine erneuteWeltausstellung zu veranstalten.25 Das einige Zeit später gegründete Organisationskomitee tagte zwischen 1907 und 1912 nur selten. Die Ausrichtung einer Elektrizitätsausstellung wurde seit 1912 diskutiert, und mit der Gründung eines Direktionsgremiums 1913 wurde der Stadtberg Montjuïc als Austragungsort bestimmt. Verlangsamt durch die Auswirkungen des Ersten Weltkriegs plante der Politiker und Architekt Josep Puig i Cadafalch (1867–1956) als Geschäftsführer der »Junta Directiva« (Leitungskommission) der Elektrizitätsausstellung zusammen mit dem Architekten Guillem Busquets die für das Jahr 1917 anvisierte Ausstellung. Auch eine 1923 veranstaltete kleine Möbel- und Agrarausstellung in den von Puig i Cadafalch entworfenen Ausstellungspalästen Alfons XIII. und Victoria Eugenia konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Ausführung ins Stocken geraten war. Nach dem Putsch 1923 in Madrid übernahmen Vertraute von General Primo de Rivera die Kontrolle über die Organisation. Zunächst verschaffte man sich einen Überblick über die bereits durchgeführten Arbeiten.26 Die zu Beginn des Jahrhunderts zu den Stadterneuerungsplänen des »Gran Barcelona« (Groß-Barcelona) der Lliga Regionalista gehörende und inzwischen in umgeplanter Form fertiggestellte Plaça d’Espanya27 war zugleich der Eingangsbereich des Ausstellungsareals. Die davon ausgehende Hauptachse war bereits bis zum Platz der Kaskaden mit den beiden Palästen Alfons’ XIII. und Victoria Eugenias fertiggestellt.28 Daneben befanden sich am Montjuïc auch schon einige andere Gebäude, Straßen und Plätze in Arbeit oder in der Planungsphase. 1924wurde die neue »Junta Directiva« (Leitungskommission) gegründet und die nach königlichem Dekret für 1926 geplante Ausstellung in ihremUmfang erheblich erweitert.29 Die schon seit Jahren geplanten Sektionen zu Kultur undWirtschaft wurden in ideologischer Rückbesinnung auf klassischolympische Ideale um eine Sportsektion ergänzt, womit auch eine Bewerbung umdie Olympischen Spiele 1936 einherging.30 Das Vorhaben, Spanien international zu präsentieren, war so ambitioniert, dass die Bauarbeiten nicht fristgerecht beendet werden konnten und dieWeltausstellung erst 1929 stattfand. 1.2 Das Poble Espanyol auf dem Weltausstellungsgelände in Barcelona 1929 Der oberhalb des Hafens gelegene Stadtberg Montjuïc war zu Beginn des 20. Jahrhunderts einweitgehend ländliches Gebiet mit Steinbruch am südwestlichen Stadtrand. Außer der mächtigen militärisch genutzten Burg

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