1 Das Freilichtmuseum Seurasaari in Helsinki Mit der Translozierung der Bauernhofgruppe Kate Niemelä imSommer 1909 wurde das FreilichtmuseumSeurasaari auf der gleichnamigen Insel in Helsinki eröffnet (Abb. 1). Das ursprünglich aus der mittelfinnländischen Gemeinde Konginkangas stammende Hofensemblemarkierte den Auftakt, derartige von Abriss, Verfall oder Modernisierung bedrohte Gebäude aus den verschiedenen finnischen Landesteilen in einer gemeinsamen Architekturausstellung zu versammeln. Ziel war es, qua vernakulärer Architektur ein lebendiges Bild von der im Verschwinden begriffenen ruralen Bau- und Lebenswelt Finnlands zu vermitteln. Auf die Gründung des Museums zurückblickend, bemerkte dessen erster Direktor Axel Olai Heikel (1851– 1924) ein Jahr später, dass die vom schwedischen Freilichtmuseum Skansen ausgehenden Impulse auch in Finnland zur »Anlage von Freiluftmuseen in einer denselben natürlichen Umgebung« geführt habe.1 Heikels Aussage ist für den Sachverhalt dieses Buches in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Im Rückgriff auf den freilichtmusealen Prototypen Skansen zeigt sich, dass die Entstehung des Helsinkier Freilichtmuseums in eine transnationale Geschichte des modernen Ausstellungswesens im 19. und 20. Jahrhundert einzuordnen ist, die – wie die Beiträge im vorliegenden Buch belegen – zugleich auch eine Geschichte des Ausstellens von Architektur war. Tatsächlich wird das Freilichtmuseum bereits zeitgenössisch durch Heikel als ein spezifischer Typus von Architekturexposition kenntlich gemacht, dessen Distinktion er mit dem korrelativen Verhältnis von Ausstellungsraumund -gegenstand begründet. Laut Heikel ist die Angemessenheit der natürlichen Umgebung konstitutiv für die Anlage von Freiluftmuseen und müsse demnach den dort ausgestellten vernakulären Architekturen entsprechen. 1.1 Seurasaari: Eine Insel am Stadtrand Die Insel Seurasaari (Fölisö) liegt in einer Bucht nordwestlich des Helsinkier Stadtzentrums. Trotz des urbanenWachstums zu Beginn des 20. Jahrhunderts und der dadurch bedingten Ausdehnung Helsinkis in Richtung Norden und Westen – in dieser Zeit entstanden erste Villen und Sommerhäuser am östlichen Ufer der Bucht – sowie der Einrichtung eines Volksparks auf der Insel 1889 nahm Seurasaari in der Gründungszeit des Freilichtmuseums eine eindeutige Randlage ein (Abb. 2); noch heute befindet sich die Insel unweit der Stadtgrenze von Helsinki und Espoo.2 Die Insel ist im Norden mit dem Festland über eine hölzerne Brücke verbunden. Diese geht auf einen Entwurf von August Granberg zurück, wobei die Brückenpavillons von Frithiof Mieritz gestaltet wurden.3 Mieritz zeichnete auch für weitere Bauten aus der Entstehungszeit des Volksparks verantwortlich, so für das unmittelbar hinter der Brücke gelegene Försterhaus (Abb. 3), das Restaurant und das ehemalige Wächterhaus mit WarteAbb. 1 Kate Niemelä im Freilichtmuseum Seurasaari, Ansicht der Hofgruppe von Nordwesten.
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