Leseprobe

q 78 Gáspár Salamon Abb. 3 [Anonym.], Rathaus in Lőcse (heute Levoča, Slowakei) (aus: Das tausendjährige Ungarn und die Millenniums-Ausstellung. Sammlung von Photographien hervorragendster Gegenden, Städtebilder und Kunstschätze Ungarns sowie der Sehenswürdigkeiten der Ausstellung. Hg. v. Ernő Pivényi u. a. Budapest 1896). ausstellung von 1894 errichtete »Oud Antwerpen«19 oder eben die in der Budapester Millenniumsausstellung zu Unterhaltungszwecken eingerichtete »Ősbudavára« (AltBuda Burg). Im Unterschied zu diesen schematisch-historisierenden Ensembles findet die Historische Hauptgruppe angesichts des »archäologischen« Ansatzes in der Tat im Turiner Borgo Medievale ihre Parallele.20 Die Auseinandersetzungmit der eigenen Baukultur in der untersuchten wissenschaftlichen Konfiguration zeigt sich allen voran in der Durchsetzung musealer Praktiken bei den Architekturdörfern (Kap. 3). Die kampagnenartige Erschließung, die Inventarisierung und das Präsentieren des Architekturguts offenbaren kulturelle Ausdifferenzierungsprozesse, in denen wissenschaftliche Prinzipien eingesetzt wurden. Über diese praktischen Zusammenhänge der Musealisierung hinaus sind Elemente der wissenschaftlichen Wahrnehmungskultur von Interesse, welche die Hauptparameter bei der Konstituierung des Eigenen bestimmen. So widmet die vorliegende Studie der räumlichen Erfassung des Architekturerbes mittels kunst- und ethno-geografischer Methoden eine besondere Aufmerksamkeit (Kap. 4). Gleichermaßen gilt es, das Augenmerk auf die Handhabung zeitlicher Dimensionen im Konzept der Architekturdörfer zu richten, wobei der vorliegende BeiMillenniums-Ausstellung«.16 Im Fotoband, der den Anspruch einer flächendeckenden Topografie ungarischer Kultur verfolgte,17 waren neben Landschaftsdarstellungen und ethnografischen Fotografien eine Vielzahl malerisch komponierter Aufnahmen von historischen Bauten einbezogen. ImAlbum finden sich fotografische Reproduktionen von architekturgeschichtlich hochgeschätzten Bauwerken (Abb. 3). Burgen werden ebenfalls an mehreren Stellen dargestellt, was Reminiszenzen an den romantischen Ruinenkult aus der Vorzeit der systematischen Denkmalpflege wachruft (Abb. 4).18 Die Repräsentanten von historischer Architektur erlauben hierbei – komplementär zu anderen Kulturerzeugnissen der ländlichen Regionen und in Ergänzung zum Naturschatz des Landes – einen panorama-artigen Blick auf die ungarische Kulturlandschaft. Einen weniger figurativen als vielmehr analytischen Zugriff auf die historische Baukultur wies die Historische Hauptgruppe auf, wobei ihr Konzept wie ihre Inszenierung wesentlich auf dem Wissensvorrat und dem Methodeninstrumentarium der Kunstgeschichte und der denkmalpflegerischen Praxis fußten. Verwandt mit der Historischen Hauptgruppe erscheinen zwar die »alten« Miniaturstädte, etwa »Alt-Wien« auf der »Columbian Exposition« in Chicago (1893), das imRahmen der Antwerpener Welt-

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