q 76 Gáspár Salamon terschied. Grob formuliert: Während bei den Letzteren die europäischen und amerikanischen Großmächte sich gemeinhin konträr zu anderen – als exotisch oder sogar in zivilisatorischer Hinsicht als rückständig angesehenen – Kulturen des »Fernen« identifizierten, rückte bei den Ersteren die Auseinandersetzung mit der eigenen Kultur des »Nahen« ins Zentrum.10 Vor diesem Hintergrund werden im vorliegenden Beitrag zwei Architekturensembles untersucht, die als Teil der anlässlich der Millenniumsfeierlichkeiten Ungarns (des Jubiläums der ungarischen Landnahme) im Jahr 1896 in Budapest veranstalteten »Ezredéves Országos Kiállítás« (Millenniums-Landesausstellung) errichtet worden sind. Baukultur wurde einerseits durch die auf dem Ausstellungsgelände zentral situierte »Történelmi Főcsoport« (Historische Hauptgruppe), einen montageartigen Komplex von Kopien nach historischen Referenzbauten, zumExpositionsobjekt gemacht (Abb. 1). Andererseits gab es das aus nachgebauten Bauernhäusern zusammengestellte »Néprajzi Falu« (Ethnografisches Dorf) als Beispiel dafür, wie Architektur selbstreferenziell im Ausstellungskontext repräsentiert werden kann (Abb. 2). Ausgehend von den zwei Architekturdörfern wird imFolgenden der Frage nachgegangen, wie das »Eigene« durch die Musealen Architekturdörfer der Budapester Millenniumsausstellung konstituiert wurde.11 Zu hinterfragen ist der Gestaltungsprozess, imZuge dessen die Übersetzung von vernakulären und historischen Bauwerken in kulturelle Identifikationsobjekte erfolgte. Hierbei lassen sich die Perzeption und Vermittlung des eigenen »architektonischen Erbes« (Choay), demsowohl ein »kognitiver Wert« als auch eine gewisse ästhetische Valenz innewohnt,12 durch die Architekturdörfer eruieren. So liegt das hauptsächliche Erkenntnisziel darin, »das Verhältnis zwischen Wissensproduktion und Inszenierungsstrategie« aufzufächern.13 Es wird in den folgenden Ausführungen argumentiert, dass die PerforAbb. 1 György Klösz, Ansicht der Historischen Hauptgruppe, 1896 (Budapest Főváros Levéltára, XV.19.d.1.01.019).
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