Leseprobe

10 ihr Anliegen in gemeinsamer Tätigkeit zu verwirklichen. Viele Menschen organisieren sich dazu in Vereinen oder erforschen ehrenamtlich die Geschichte besonders erhaltenswerter Objekte. Die Fotografien und Texte des Projekts spiegeln und beschreiben die Beziehung der Einzelpersonen oder Personengruppen zum Bauwerk und machen den Betrachter neugierig auf die verschiedenen Beweggründe und Lebensentwürfe. Das Buch gliedert sich in vier verschiedene Sparten und zeigt auf diese Weise auch die Unterschiedlichkeit der Menschen und ihres Engagements auf. Kulturdenkmal und Eigentümer Die fotografische Inszenierung von Eigentümern mit ihren Kulturdenkmalen beschreibt deren Nähe auf ganz einzigartige Weise. Aus ihrem Einsatz, den Verfall eines Objekts zu verhindern, mit größter Hingabe die Details eines Bauwerks wiederherzustellen oder ein schwer nutzbares Gebäude weiterzuentwickeln, erwuchsen diese intensiven Verhältnisse. Nicht nur die Positionierung der Personen an den für sie »liebsten« Seiten oder Ecken des Hauses erzählt von deren Charakteren, sondern auch die Haltungen und Gesichtsausdrücke vermitteln den Betrachtern einen tiefen Einblick in die gegenseitige Beziehung. Die Schwierigkeit bestand bei den Aufnahmen fast immer darin, im Bildformat einen Einklang zu dem monumentalen Objekt und den individuellen Personen herzustellen, was die Fotografin Christine Starke bestens vermocht hat, ohne dabei die jeweiligen Eigenarten von Mensch und Gebäude aus den Augen zu verlieren. Verblüffend realistisch zeigt sich in sämtlichen Fotografien aber auch die Ambivalenz dieses nicht immer freiwilligen Verhältnisses. Die Beherrschung und Erhaltung der Objekte erfordert vom Menschen meist überdurchschnittlichen Kräfteeinsatz und außerordentliches Durchhaltevermögen. Gleichzeitig verdeutlichen die Bilder auch die erstaunliche Überlebensfähigkeit der »steinernen Zeugnisse«. Grabdenkmal und Paten In der zweiten Etappe des Projekts wurde das besondere Engagement von Grabpaten auf den Dresdner Friedhöfen in den Fokus genommen. Der fortschreitendende Wandel in der Sepulkralkultur hat eine völlig neue Variante der Bestattung hervorgebracht: Paten übernehmen Grabanlagen, für deren Pflege keine Angehörigen der Verstorbenen mehr aufkommen, kümmern sich um die Restaurierung und können später selbst an diesem Ort bestattet werden. So werden aufwendige Grabskulpturen und architektonische Kleinbauwerke vor dem Verfall gerettet und erhalten. Da Dresden ohnehin innerhalb der deutschen Friedhofkunst eine besonders herausragende Rolle einnimmt,3 ist es umso erfreulicher, dass Patenschaften für historische Bestattungsplätze derartigen Zuspruch erfahren. Sowohl die Restaurierung als auch die kontinuierliche Pflege obliegen den Paten. Diese Form der Kulturpflege liegt ganz besonders im öffentlichen Interesse, weil damit die unwirtschaftlichen Grabmale mit zum Teil außerordentlich qualitätvollen Skulpturen berühmter Bildhauer eine unvergleichliche Aufmerksamkeit erfahren und der Gesellschaft erhalten bleiben können. Der Friedhof ist damit nicht mehr nur Bestattungsplatz, sondern wird auch zum Entspannungsraum mit quasi museal präsentierten Kunstobjekten. Vor allem seit Beginn der Coronapandemie sind die innerstädtischen Friedhöfe als Verweilorte und Erholungsräume von der Gesellschaft wiederentdeckt worden. Kulturdenkmal und Verein Vereine oder Organisationen, die das gemeinsame Anliegen verbindet, Kulturdenkmale zu erhalten und deren Geschichte zu tradieren und weiterzuschreiben, wurden in der dritten Etappe mit ihren Objekten dokumentiert. Dabei bestand die Herausforderung nicht ausschließlich in der fotografischen Aufnahme der großen Menschengruppe, sondern ebenso in der Koordinierung der zahlreichen Mitglieder. Die ehrenamtlich wirkenden Personen, die sich zusammengeschlossen haben, um ein gemeinsames Anliegen zu verfolgen, sind Träger größerer Projekte, die für Einzelpersonen in dieser Form nicht realisierbar wären. Mit zahlreichen Veranstaltungen machen sie ihre Objekte einer breiten Öffentlichkeit zugänglich, tragen damit grundlegend zur kulturellen Bildung bei. Sie beschäftigen sich auch oft mit gesellschaftlichen Randthemen wie Grab- und Kleindenkmalen, deren baugeschichtliche Zeugnisse wenig beachtet werden, aber maßgeblich für die Vielfalt der Kulturlandschaft der Stadt Dresden sind. Während der Bismarckturm in Räcknitz als Beispiel für die Gedenkkultur steht, ist der Chinesische Pavillon exemplarisch für die grandiose Ausstellungskultur im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts. Das Zschonergrundbad erzählt vom Badewesen der Stadt und die Villa Wigman wurde für die Tanzkultur reaktiviert, sie ist heute ein zentraler Ort der Freien Tanzszene in Dresden. All diese großen und auf viele Jahre angelegten Projekte für die Wiedergewinnung von Orten der Gesellschaft bedürfen eines besonderen Weitblicks, eines sich immer wieder regenerierenden Enthusiasmus und eines ausgeprägten Gemeinschaftsdenkens. Das Miteinander ist dabei die Grundlage für das ehrenamtliche Engagement.

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