Leseprobe

9 Prolog »Dresden! Wem weckt das Wort nicht freundliche Bilder. Eine Stadtsilhouette taucht auf, wie es wenige in der Welt gibt…«1 So urteilt der Reformarchitekt Fritz Schumacher im Rückblick auf seine Dresdner Wirkungsjahre am Anfang des 20. Jahrhunderts. Das heutige Tourismusziel Dresden schöpft seine Bekanntheit nicht nur aus den zahlreichen kulturellen Einrichtungen, sondern vor allem auch aus seinem architektonischen Stadtbild. Die malerische Lage an der Elbe und die vielen kulturhistorisch wertvollen Bauwerke stehen im Einklang miteinander und bilden einen einzigartigen Stadtorganismus. Der Denkmalpflege kommt in Dresden daher eine ganz besondere Rolle zu. Neben der Erhaltung des großen Bestands an Altbausubstanz besteht ihre Aufgabe auch darin, die städtische Baukultur angemessen und sensibel weiterzuentwickeln. Beispielsweise hat der Dresdner Stadtrat mehr als ein Dutzend Denkmalschutzgebiete festgelegt, in denen neben Einzelkulturdenkmalen vor allem die Struktur, die Maßverhältnisse und die besondere Eigenart der städtebaulichen Organisation zu bewahren sind. Im Vergleich wird dabei die Unterschiedlichkeit der Gebiete in ihrer sozialen, topografischen und architekturhistorischen Ausprägung deutlich. Eine zukunftsweisende und nachhaltig agierende Denkmalpflege ist dabei essenziell. Der ehemalige sächsische Landeskonservator Gerhard Glaser (*1937) beschreibt die Aufgabe der Denkmalpflege sehr treffend, dass es nicht darum gehen kann, »[. . .] ängstlich darüber zu wachen, dass an den Kulturdenkmalen nichts verändert, dass alles unter eine Glasglocke gestellt und jedwede Entwicklung verhindert wird [. . . sondern vielmehr . . .] die Kunst darin besteht, den Bedürfnissen baulich so gerecht zu werden, dass die ursprüngliche Botschaft des Denkmals noch hinreichend anschaulich bleibt, nämlich von der Zeit seiner Entstehung, aber auch von seinem Schicksal im Laufe der Zeiten zu erzählen.«2 In der praktischen Denkmalpflege zeigt es sich, dass die Kommunikation und die Zusammenarbeit mit den DenkmalBeziehungsspiegel – Mensch und Kulturdenkmal Ein Blick auf die Dresdner Gesellschaftskultur Ulrich Hübner eigentümern wichtige Grundlagen dafür sind, die erhaltenswerten Objekte zu bewahren. Davon soll das Projekt »Beziehungsspiegel« erzählen. Es bietet Einblick in die Art und Weise, wie Denkmalpflege innerhalb der Gesellschaft gelebt werden kann und welch hohen Stellenwert sie in unserer Kultur hat. Das Projekt »Beziehungsspiegel« (2016–2021) Was können wir über unsere Welt, unsere Umgebung und unser Zusammenleben berichten und wie werden wir unsere Geschichte weitergeben? Im Bereich der Denkmalpflege ist es verhältnismäßig einfach, darauf eine schlüssige Antwort zu finden, denn der gesetzliche Auftrag des Bewahrens und Erhaltens impliziert bereits die Weitergabe des Erbes an die Folgegenerationen. Diese Aufgabe wäre jedoch ohne das Mitwirken jeder und jedes Einzelnen kaum zu erfüllen. Es ist der Mensch, der hinter dem Kulturdenkmal steht, es einst erschaffen hat und nun dessen Erhalt und Pflege übernimmt. Der Begriff »Beziehungsspiegel« soll dabei die Wechselbeziehung in der Interaktion zweier Ebenen beschreiben: Subjekt und Objekt. Die enge Beziehung des Menschen zu dem von ihm in Obhut genommenen baulichen Zeugnis zeigt uns seine Hingabe zum Objekt, seine Liebe für die architektonische Eigenart und seinen Stolz über das Erreichte. Dabei stehen häufig eigene Interessen gleichwertig neben der Intention, einen Beitrag zum kulturellen Gedächtnis zu leisten. Wie aber die Wahl der Eigner auf die Denkmale fällt, bleibt deren persönliche Geschichte. Die einen haben sich in ein Haus verliebt – die anderen sehen in der Restaurierung ihres ererbten Gebäudes ein Stück Familientradition. Ganz anders ist die Situation bei Vereinen und ehrenamtlichen Denkmalpflegern. Hier geht es in erster Hinsicht um die Vermittlung und die Weitergabe allgemeiner Kulturgeschichte. Nicht jeder will und kann Eigentümer sein. Daher verbinden sich Gleichgesinnte, um

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