Leseprobe

116 Robotron-Kantine OSTMODERN.ORG Das Netzwerk für nachkriegsmoderne Baukunst OSTMODERN.ORG hat sich 2006 formiert und zur Aufgabe gemacht, Anwalt für die baukünstlerischen Zeugnisse der DDR-Zeit zu sein. Allgemein geht es darum, eine gesteigerte Wertschätzung für die oft verkannten, vergessenen oder geschmähten Bauzeugen dieser abgeschlossenen Epoche zu erreichen. Besonders bemerkenswert ist dabei der Einsatz dieser größtenteils jungen Menschen für den Erhalt baulicher Werke, die zunächst aus der Mode geraten waren und durch die natürliche Verwitterung und oft unterlassene Baupflege häufig als Schandfleck wahrgenommen werden. Dabei zeigt sich der baukünstlerische Anspruch nicht nur in den Fassaden oder in innovativen Kubaturen, sondern ebenso durch eine vielfältige Ausstattung mit baugebundener Kunst. Das Netzwerk half, eine Basis dafür zu schaffen, dass sich immer häufiger Historiker, Architekten, Fachleute, Denkmalpfleger und Soziologen mit diesen Entwicklungen in der Architektur und der baubezogenen Kunst auseinandersetzen und in den Bauten der Nachkriegsmoderne auch wichtige Zeugnisse unserer regionalen Geschichte erkennen. Ebenso weisen sie auf die unzähligen bereits erlittenen Abbrüche von Bausubstanz jener Zeitschicht hin, die immer auch einen Verlust vorhandener Ressourcen und damit von Grauer Energie darstellen. Vor dem Hintergrund der dringend notwendigen ökologischen Wende im Baubereich ist das ein entscheidender Punkt, der im Erhalt der Gebäude durch Weiter- bzw. Umnutzung anstelle des Neubaus zu sehen ist. Ganz in diesem Sinne vermittelt das Netzwerk auch konkrete Nutzungen und unterstützt potenzielle Akteure bei deren Aktivitäten zur Belebung dieser Orte. Das Netzwerk nutzt vor allem moderne Medien wie Twitter, Instagram oder Facebook bei der Verbreitung seiner Anliegen. Deshalb und wegen kurzer Kommunikationswege ist oft eine sehr schnelle Handlungsfähigkeit und Abstimmungsmöglichkeit gegeben, was beispielsweise bei plötzlich bekannt werdenden Verlustgefahren eine zügige Reaktion ermöglicht. Nur so konnten auch bisher bestimmte Objekte, wie das Pinguin-Café im Zoo Dresden, vor dem kompletten Verschwinden bewahrt werden. Die Robotron-Kantine war ursprünglich für die Mittags-, aber auch die Kulturversorgung der Arbeiter beim VEB Kombinat Robotron errichtet worden. Die horizontale Lagerung des auf annähernd quadratischem Grundriss erbauten Baukörpers wird durch die Treppen, breiten Umgänge und strukturierten Betonbrüstungen akzentuiert. Im Inneren befinden sich in den zwei großen Speisesälen eigens für diesen Ort entworfene Formsteinwände des Bildhauers Eberhard Wolf. Das Netzwerk OSTMODERN war die erste Initiative, die nach den bekannt gewordenen Abrissplänen für das Robotron-Gebäude öffentlich intervenierte und der Dresdner Stadtgesellschaft Visionen einer alternativen, bürgeroffenen Nutzung unter dem Stichwort »Kultur-Kantine« präsentierte. Im Zuge dieser Entwicklung hat das Bauwerk heute eine hervorragende Bestandsperspektive. Die Akteure auf der Fotografie präsentieren sich vor dem nunmehr mit Graffiti besprühten Flachbau ausgelassen und ungehemmt als Gruppe. Deutlich wird auch, dass sie es verstehen, sich bereits durch ihre unüberhörbare Stimme gesellschaftliche Aufmerksamkeit zu verschaffen.

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