Leseprobe

38 Alte Schule in Briesnitz Einhart Grotegut Eigentlich sollte das ehrwürdige Gebäude der alten Briesnitzer Schule am Fuße des Kirchbergs bereits Ende der 1980er Jahre abgebrochen werden. Es war alt, abgewirtschaftet und desolat. Jedoch wurde es von dem Künstler und Enthusiasten Einhart Grotegut entdeckt und, wie er selbst sagt, war es »Liebe auf den ersten Blick«. Als Grotegut die vernagelte Eingangstür sah und ihm klar wurde, dass das Haus verlassen war, meldete er sich bei der kommunalen Wohnungsverwaltung, die wiederum ihre Chance witterte, die Abbruchkosten zu sparen. Als Mitarbeiter im Büro des Stadtarchitekten wusste er nicht nur, dass Briesnitz großflächig durch Plattenbauten überformt werden sollte, sondern konnte auch mit bautechnischen Herausforderungen umgehen. Es galt dabei, ein spezielles System zu entwickeln, um die Statik des aus Plänergestein errichteten Baukörpers zu erhalten. Außerdem steht das Gebäude auf einer Schwemmschicht, die unter der Lehmtektonik den Weg zur Elbe sucht. Mit eigens dafür entwickelten Vernadelungen sicherte Grotegut das Haus am Hang. Bis heute bewegen sich die Wände. Seine Berufung empfand er aber auch in der geschichtlichen Aufarbeitung des Schul- und Schulmeisterhauses. Zahlreiche Zeugnisse fand er im Haus bei Aufräumarbeiten und Grabungen. Einen Raum hat er zum Historienkabinett umgestaltet und so wurde aus dem Gebäude auch ein kleines identitätsstiftendes Museum. Darin kann der Besucher nicht nur die althergebrachten Schulutensilien sehen, sondern auch das kleine Ortsgefängnis und den Schulraum besichtigen. Letzterer dient heute dem Künstler als Atelier. Als Sammler von Elbtreibgut zeigt – inszeniert und installiert – er der Gesellschaft, was sie selbst hinterlässt. Die Fotografien präsentieren Grotegut als einen Mann, der vor dem kolossalen Haus in der »Brandung« zu stehen scheint. Nur mit seiner Kraft und seinem Durchhaltevermögen konnte er dieses Kulturdenkmal vor dem Abbruch bewahren, die Seele des Hauses wiederbeleben und es bis heute pflegen. Seine eigenen Worte »Wir sind alle nur vorübergehende Gäste in diesem Haus« beschreiben einerseits unsere Vergänglichkeit und andererseits die Aufgabe, die uns anheimgestellt wird, ein Haus zu erhalten.

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