Leseprobe

99 3 Paul Heermann Weigmannsdorf 1673–1732 Dresden August der Starke Um 1718 Marmor; H. 92 cm (mit Sockel), B. 66,5 cm, T. 27 cm Signiert unter dem rechten Arm: »PHeermann. Sc.« (»P« und »H« legiert) Inv.-Nr. H4 2/6 Provenienz: 1768 aus der Hinterlassenschaft des Grafen Heinrich von Brühl erworben.1 Literatur: Titze 2021, 84 f.; Claudia Kryza-Gersch in Koja 2020 a, 163; Claudia Kryza-Gersch in Koja 2020 b, 274; Claudia Kryza-Gersch in Koja/Kryza-Gersch 2020, 112–115, Kat.-Nr. 31; Schmidt 2005, 22; Moritz Woelk in Jackson 2004, 130, Kat.-Nr. 3.1; Moritz Woelk in London 2003, 53, Kat.-Nr. 12; Bärbel Stephan in Dresden 2001 a, 78, Kat.-Nr. 12; Bärbel Stephan in Warschau 1997, 283, Kat.-Nr. 508; Martin Raumschüssel in Dresden 1987, 32, Kat.-Nr. 52; Martin Raumschüssel in Essen 1986, 53, Kat.-Nr. 3; Seelig 1977, 67 f.; Asche 1966, 310; Asche 1961, 137 f.; 172 f.; Degen 1936, 65; Sigismund 1923, 234; Sponsel 1906, 61, Kat.-Nr. 132; Müller 1895, 24 f.; Lipsius 1789, 91. Die signierte Büste ist ein Hauptwerk Paul Heermanns und stellt Friedrich August I. (1670–1733), genannt August der Starke, dar (Abb. 70). Dieser war ab 1694 Kurfürst und Herzog von Sachsen und ab 1697 in Personalunion König August II. von Polen-Litauen, wofür er zum katholischen Glauben konvertierte. August war eine der schillerndsten Figuren unter den europäischen Monarchen des beginnenden 18. Jahrhunderts, ebenso legendär wegen seiner physischen Kraft – worauf sich sein Beiname bezieht – wie der Anzahl seiner Mätressen und unehelichen Kinder. Seine rege Bautätigkeit transformierte Dresden zu einer prachtvollen barocken Residenzstadt, während seine ausgeprägte Sammelleidenschaft zur späteren Gründung von Museen von Weltrang führte. Heermann setzte für sein Bildnis den Kopf des Herrschers auf einen voluminösen Torso, dessen Büste bis unter die Brust reicht und auch Schultern mit Armansätzen umfasst. August trägt eine zeitgenössische Rüstung, über die ein Umhang drapiert ist, auf dem der achtstrahlige Stern des von ihm 1705 gestifteten Ordens des Weißen Adlers eingestickt ist. Die nur dem Souverän zustehende Inschrift »PRO FIDE LEGE GREGE« (»Für Glauben, Gesetz, Nation«) ist auf dem Ordenskreuz zu erkennen, während ein Stück vom Ordensband unter dem Umhang sichtbar ist. Auf dem energisch nach rechts gewandten Haupt trägt der Herrscher eine üppige Allongeperücke, deren bewegte Lockenpracht von Heermanns Meisterschaft in der Führung von Drillbohrer und Meißel zeugt. Nicht nur kompositorisch, auch in der plastischen Modellierung der Gesichtszüge erweist sich Heermann als souveräner Gestalter, der es versteht, die markante Physiognomie des Herrschers, wie seine vollen Lippen, die große Nase und die buschigen Augenbrauen, präzise wiederzugeben, ihnen aber dennoch eine heroische Aura zu verleihen. Das Resultat seiner Bemühungen ist ein überaus repräsentatives Werk, das als »das vielleicht zuverlässigste Bildnis Augusts des Starken« angesehen werden kann.2 In Anbetracht seiner Ausdruckskraft ist es wirklich bedauerlich, dass dieses Bildnis offenbar Heermanns einziges Porträt geblieben ist. Abb. 71 Paul Heermann, August der Starke, Detail mit der Signatur  Abb. 70 Paul Heermann, August der Starke, um 1718, Skulpturensammlung, Staatliche Kunstsammlungen Dresden

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