Leseprobe

62 mit seinen Schöpfungen dort einzubringen, wo bald ein dynastisch hochpolitisches Ereignis von europäischer Bedeutung stattfinden sollte, und wo die besten der in Sachsen verfügbaren Künstler bereits tätig waren. Geht man nun von Heermanns Mitarbeit am Zwinger aus, so muss man sich dort im Grunde mit fast allen 189 Skulpturen, sowie der gesamten übrigen Bauplastik auseinandersetzen. Dieser Herausforderung stellte sich Asche und gab uns so die Möglichkeit, in zehn Figuren des Zwingers, bei aller gebotener Vorsicht, Werke von Heermann zu sehen. Zu diesen zählt das auf der hofseitigen Attika des zentralen Wallpavillons positionierte, aus vier Figuren bestehende Urteil des Paris (Abb. 35).17 Bemerkenswert ist bei dieser Gruppe die Interpretation von Paris (Abb. 36), der als römischer Imperator mit Lorbeerkranz am Haupt erscheint. In der Tat wäre es ohne die Anwesenheit von Minerva (Abb. 37), Juno (Abb. 38) und Venus (Abb. 39), also jenen drei Göttinnen, die vom Hirtenjungen Paris verlangten, die schönste von ihnen mit einem Apfel ausWie sehr der Dichter den Zwinger auch lobt, der Skulpturenschmuck war bekanntermaßen bei der Hochzeit im September 1719 nicht fertig, und seine Komplettierung wurde auch zu Lebzeiten des Auftraggebers, Augusts des Starken, nicht mehr in Angriff genommen. Gerade die Hälfte der geplanten Skulpturen kam zur Aufstellung.15 Dies verweist nicht nur auf einen Geldmangel im Angesicht zahlreicher fast zeitgleich begonnener Bauprojekte, sondern auch auf einen Mangel an fähigen Bildhauern. Letzteres bedeutet, dass man hier kaum auf einen Künstler wie Paul Heermann, der in der Residenz und im weiten Umkreis hohes Ansehen genoss und dessen Arbeit für den königlichen Hof mehrmals belegt ist, hätte verzichten können, auch wenn er – aus welchen Gründen auch immer – (noch) nicht Hofbildhauer war.16 Er war spätestens ab 1705 in Dresden ansässig und befand sich 1716, als der Bau des Zwingers in seine »heiße Phase« trat, in seinen besten Schaffensjahren. Auch darf man wohl vermuten, dass es ihn selbst gereizt haben muss, sich Abb. 40 Paul Heermann, zugeschrieben, nördliche Einzelherme, 1716–1718, Wallpavillon, Zwinger, Dresden (Foto von 1927) Abb. 41 Paul Heermann, zugeschrieben, nördliche Doppelhermen, 1716–1718, Wallpavillon, Zwinger, Dresden (Foto von 1927)

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