Leseprobe

100 anschließender Entwicklung im neuen KodakTechnidol LC Entwickler. […] Ingolf Thiel, ›Erfinder der Schaumstoffmode‹ (Thiel über Thiel), konnte für seine Aufnahmen das Thema und die kreative Umsetzung völlig frei bestimmen. Es sollten lediglich die charakteristischen Eigenschaften dieser Film-/Entwickler-Kombination herausgestellt werden: das extrem feine Korn bei einemAuflösungsvermögen von 400 Linien pro Millimeter, die Konturenschärfe und die betonten Kanteneffekte sowie für die bildmässige Fotografie idealen Kontrast. Thiel verpackte sein Fotomodell in sein derzeitiges Lieblingsmaterial, den Schaumstoff. Obwohl die Bilder dadurch etwasWeiches, Anschmiegsames ausstrahlen, sind sie so brillant, dass selbst bei grosser Vergrösserung jede einzelne Schaumstoffpore zu erkennen [ist] und scharf wiedergegeben wird.«4 Fotograf und Auftraggeber waren zufrieden, die Ergebnisse wurden von Kodak in einer Werbekampagne für diesen Film verwendet (Abb. 6), in Magazinen5 und auf der photokina in Köln aufwendig präsentiert,6 und der Fotograf, der meist mit Nikon-Kleinbildkameras und mit Brennweiten von 24 bis 400 mm arbeitete, schien der Marke weiterhin treu geblieben zu sein: »Als Aufnahmematerial nimmt er ausschließlich Kodak Filme. Für Dias kommen der Ektachrome 64 Professional Film, aber auch die Filme Ektachrome 400 und Ektachrome 160 zum Einsatz. Für SW-Aufnahmen sind es die FilmeTri-X-Pan, Panatomic undTechnical Pan.«7  Seine ersten Schaumstoffhüte hatte Ingolf Thiel bereits 1979 entworfen, es folgten Schaumstoffkleider, Schaumstoffmöbel und Schaumstoffschmuck. Der Choreograf William Forsythe ließThiel 1982 einenTeil der Kostüme für die Inszenierung Gänge. Ein Stück über Ballett entwerfen.8 Für diese Bühnenproduktion wie auch fürWerbeaufträge und freie Arbeiten schnitt er grobstrukturierte Schaumstoffe (nach Erzählungen Rolf S. Wolkensteins mit dem elektrischen Brotmesser9) zurecht und stattete seine Modelle mit futuristischen Hüten und glockenförmigen Kleidungsstücken aus. AlsThiel an seinen extravaganten Entwürfen arbeitete, so bemerkte rückblickend ein zeitgenössischer Rezensent, »rutschten in der Mode die Röcke wieder höher, Puffärmel wurden angesetzt und verklärten die Körperformen im romantischen Stil der 50er Jahre. Jetzt, da für Ingolf Thiel diese Experimente (beinahe) abgeschlossen sind, tauchen die Farben Schwarz und Grau auf, kommen in der Modewerbung Räume, gewissermaßen als Schaufenster, vor, sind Kunststoffe wieder ›in‹ [und] Ingolf Thiel, der sich mit diesen Farben und Formen [seiner Zeit weit voraus] beschäftigt, ist plötzlich ›in‹.«10 2 Seelenwanderung, Plakat für die Wuppertaler Bühnen, 1973 3 Werbeanzeige für Ramon Couture, 1983 „ 4 Superscharf, o. Quellenangabe (Bulletin für die angewandte Fotografie [?], um 1982), S. 8. „ 5 Vgl. ebd. „ 6 Vgl. Das Loft. Das Neueste für Profis! Aus dem Kodak Loft-Studio auf der photokina ’82. Werbemagazin 1982. „ 7 Hans W. Rolli, 1983, S. 90. „ 8 Vgl. ebd. „ 9 Rolf S. Wolkenstein in einem Gespräch mit den Herausgeber:innen, 31. 8. 2022. „ 10 eh: Foto-Geometrie mit Schaumstoff, Licht und Lurex. Profi-Report: Ingolf Thiel, in: foto magazin, April (1984), S. 94 – 97, hier S. 94 f.

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