Leseprobe

Zur Geschichte der Kennerschaft in Weimar BESTAND DI E NI EDERL ÄNDI SCHEN In der Digitalisierung und den damit einhergehenden neuen Formen der Wissensgenerierung liegt die Chance einer Neupositionierung der Kennerschaft.1 Mit Nachdruck hat die digitale Erfassung alle großen, bislang im Verborgenen der Depots schlummernden Zeichnungssammlungen nach außen gestülpt. Zu nennen sind vor allem die Bestände des Rijksprentenkabinet in Amsterdam, des Département des Arts graphiques im Louvre und des Department of Prints and Drawings im British Museum. Heute bekommen Benutzer durch das intellektuelle Top-down-Design der Datenbank mit einem Mausklick im Idealfall sämtliche Zeichnungen auf ihrem Bildschirm angezeigt. Diese digitale Sichtbarkeit der Zeichnungsbestände hat aber eine lange und mitunter verzwickte Vorgeschichte, die anhand der Zeichnungssammlung in Weimar exemplarisch vorgestellt werden soll. Lange bevor Johann Wolfgang Goethe 1815 als Staatsminister die »Oberaufsicht über die unmittelbaren Anstalten für Wissenschaften und Kunst in Weimar und Jena« erhielt,2 war er an einem umfassenden Überblick über die in Weimar vorhandenen Kunstsammlungen und deren Bestände interessiert. In einem Vortrag vor der Freitagsgesellschaft 1795 mit dem Titel Über die verschiedenen Zweige der hiessigen Thätigkeit heißt es: »Nicht wenig interessant wird es seyn die Catalogen von Kunstwerken die sich THOMAS KETELSEN UWE GOLLE wirklich hier [in Weimar] befinden neben einander zu sehen. Was Durch[lauchtigster] Herzog, die Herzogin, Herr Goore und andere besitzen was selbst in meinem Hause sich befindet, ist nicht ohne Bedeutung. Eine allgemeine Übersicht würde ihren Nutzen und ihre zweckmäßige Vermehrung befördern.«3 Aufgezählt wurden von Goethe neben seiner eigenen Sammlung die Kunstsammlungen der Herzogin Anna Amalia (1739–1807),4 ihres Sohnes Carl August (1757–1828)5 und die des britischen Aquarellmalers Charles Gore (1729–1807), mit dem Goethe seit dessen Zuzug nach Weimar 1791 in engem Kontakt stand.6 Goethe versprach sich von den Katalogen eine Übersicht vom Umfang und den jeweiligen Schwerpunkten der Sammlungen, um diese auch für die eigene schriftstellerische Arbeit effektiver nutzen zu können. Zugleich aber wären die Kataloge die Voraussetzung für eine »zweckmäßige Vermehrung« der Sammlungen gewesen, sowohl was die inhaltliche Ausrichtung der Neuankäufe, als auch was das Vermeiden von Doppelankäufen, vor allem im Bereich der Grafik, betraf. Bislang war an gedruckten Katalogen in Weimar nur die von Johann Anton Klyher 1729 abgefasste Ausführliche und gründliche Specification derer Kunstreichen, kostbahren und sehenswürdigen Gemählden welche auf der Schilderey=Cammer der Hoch=Fürstl. Sächsischen Residenz Wilhelms=Burg zu Weimar

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