Leseprobe

Die Weimarer Sammlung der niederländischen Zeichnungen heute DEUTSCHE ZE I CHNUNGEN UNTER DEN »NI EDERL ÄNDERN« IN WE IMAR Betrachtet man die unter den »Niederländischen Künstlern« abgelegten deutschen Zeichnungen im Ganzen, so fallen drei Zeichnungskonvolute ins Auge, die im Folgenden unter dem Aspekt der falschen Schulzuschreibung betrachten werden sollen: Zum einen geht es um die von Schuchardt unter dem Namen »Hein[rich]. Goltzius« verzeichneten Zeichnungen, bei denen es sich neben mehreren italienischen Zeichnungen auch um Zeichnungen von deutschen Künstlern mit unterschiedlichsten Stilidiomen handelt (zu den italienischen Zeichnungen, die fälschlicherweise Goltzius zugeschrieben waren, vgl. Tab. 2.11–13). Zum anderen wurden unter dem Namen »Peter Candito (de Witte)« verschiedene Zeichenstile zusammengefasst, darunter Zeichnungen der frühen Münchner Schule um 1600 (Christoph Schwarz, Hans Weil). Bei der dritten Gruppe handelt es sich um Einzelblätter, die der deutschen Schule zuzuordnen sind. Interessanterweise waren diese Zeichnungen mitunter niederländischen Künstlern zugeschrieben, von denen heute kein zeichnerisches Werk bekannt ist, wie etwa Jan Joest van Calcar oder Wybrand de Geest. Anhand einzelner Zeichnungen aus den genannten drei Gruppen soll im Folgenden auf das Phänomen der Schulvertauschung in der Goethe-Zeit zwischen 1780 und 1830 genauer eingegangen werden. BL INDE FLECKEN I : INDI FFERENZEN BE I HENDR I CK GOLTZ I US Der Künstlername »Goltzius« fungierte in Weimar als eine Art Sammelbegriff, unter dem ein weites Spektrum an zeichnerischen Charakteristika zusammengefasst wurde, wie es in den Kunstzentren des deutschsprachigen Raums anzutreffen war. Bei einem Musenkonzert in blauer Tinte (Abb. 1; Tab. 1.5)8 wird das Monogramm »HG« (= Hendrick Goltzius) neben der grafischen Ausführung des Blattes und einem für Hendrick Goltzius (1558–1617) nicht untypischen Motiv Anlass für die alte Zuschreibung an diesen Künstler gegeben haben. Szilvia Bodnár konnte die Zeichnung jedoch in das Werk des im Westfälischen geborenen Anton Eisenhoit (1553/54–1603) einfügen, der als Goldschmied und Kupferstecher tätig war.9 Wie Goltzius war Eisenhoit in Italien, auch legt sein zeichnerisches und grafisches Werk die Auseinandersetzung mit Goltzius nahe.10 Bei dem Weimarer Blatt könnte es sich um eine Vorlagezeichnung für einen Stich, ein Werk der Goldschmiedekunst oder die Verzierung einer technischen Gerätschaft handeln. Die durch den Kunsthändler Johann Gottlob Stimmel unter dem Namen Goltzius nach Weimar verkaufte Zeichnung Neptun und Amphitrite (Abb. 2; Tab. 1.4)11 wird der Übertragung des Motivs zur Ausschmückung etwa des Bodens einer Silberschale gedient haben. Hierauf deutet die mit Rötel eingeriebene Rückseite der Abb.1 Anton Eisenhoit Minerva, die neun Musen und Venus auf dem Helikon, um 1590 Feder in Blau, 232 × 337 mm

RkJQdWJsaXNoZXIy MTMyNjA1