Leseprobe

260/ 261 ENNERSCHAFT als Jan van Huijsum gelistete Zeichnung heute als Zeichnung von Victor Honoré Janssens erkannt ist. Vielmehr geht es im Besonderen darum, dass den Fehlurteilen eine irrtümliche Schulzuweisung zugrunde gelegen hat. Aus kennerschaftlichen Gesichtspunkten ist dabei von Interesse, dass es sich etwa bei den deutschen Zeichnungen, die fälschlich der Niederländischen Schule zugeschrieben sind, mit wenigen Ausnahmen um Zeichnungen handelt, die in der Zeit von 1580 bis 1630/50 entstanden sind. Für die italienischen Zeichnungen erstreckt sich der Zeitraum von der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, zum Beispiel die Zeichnung aus dem Umkreis Luca Pennis (Abb. 16), über das ganze 17. Jahrhundert. So wurden etwa unter dem Namen Hendrick Goltzius sowohl Zeichnungen von italienischen wie auch von deutschen Künstlern verzeichnet, unter dem Namen Gerard de Lairesse vor allem Zeichnungen der Italienischen Schule. Bei den fälschlich Goltzius wie de Lairesse zugeschriebenen Zeichnungen handelt es sich um Fallbeispiele für Fehlzuschreibungen, denen zum einen offensichtlich ein wenig ausdifferenziertes Wissen von der handeling der beiden Künstler zugrunde gelegen hat, zum anderen aber ein Wissen von den entsprechenden lokalen Zeichenstilen innerhalb der Deutschen und Italienischen Schule fehlte, denen die Zeichnungen heute zugeschrieben werden können. Anders stellt sich die Problemlage bei den Zeichnungen dar, die fälschlicherweise Peter Candid zugeschrieben worden sind. Hier fungiert der Name Candid als Schmelztiegel für verschiedene Stilrichtungen der Münchner und/oder Süddeutsch-bayerischen Schule, ohne dass ein spezielles Wissen von Candids eigenem, in Italien geprägtem und nach München mitgenommenem Stilidiom diese Fehlurteile verhindert hätte. Hinzu kommen tradierte Zuschreibungen, die nicht eigens weiter geprüft wurden. Die Aufbewahrung der hier vorgestellten Zeichnungen in der falschen Schule hat bislang dazu geführt, dass viele Expertinnen und Experten der italienischen und deutschen Zeichenkunst bei ihren Besuchen in Weimar diese Blätter nicht gesehen haben. Nur wenige Kenner, wie Konrad Oberhuber, der als Experte für Bartholomeus Spranger auch das Fachwissen für italienische Kunst erworben hatte, oder Heinrich Geissler als Experte der deutschen Zeichenkunst, sind in Weimar unter anderem die niederländischen Zeichnungen durchgegangen. Dabei haben sie in Form von Passepartoutnotizen ihre kennerschaftlichen Urteile vielfach niedergelegt. Auf diese Notizen von Oberhuber haben bereits Ursula Verena Fischer Pace6 und Christine Demele7 bei der Katalogisierung der italienischen Zeichnungen aus der Großherzoglichen und der Goethe-Sammlung zurückgegriffen und dabei einige der italienischen Zeichnungen unter den ehemals niederländischen Zeichnungen in ihren Verzeichnissen erfasst. Zugleich wird in beiden Italiener-Katalogen auch auf jene Zeichnungen hingewiesen, die von Oberhuber als »niederländisch« erachtet wurden (vgl. S. 281f., Tab. 1). Oberhubers Notizen und Hinweise dienen auch uns zur ersten Orientierung bei der Auffindung der entsprechenden italienischen Zeichnungen unter den Niederländern, einige seiner Vorschläge wurden hingegen wieder zurückgewiesen (vgl. S. 282f., Tab. 2). Da die deutschen Zeichnungen in Weimar bislang nicht katalogisiert wurden, sind die von Heinrich Geissler gemachten Schulumschreibungen bei den Niederländern bislang nahezu unbekannt. Eine vollständige Erfassung dieser Gruppe an deutschen Zeichnungen unter den Niederländern, ergänzt durch weitere neue Schulzuweisungen, fand hingegen noch nicht statt. Fehlurteile und ihre Folgen K

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