Leseprobe

Die Weimarer Sammlung der niederländischen Zeichnungen heute BRAHAM JAN UND BONAVENTURA In den Graphischen Sammlungen der Klassik Stiftung Weimar befinden sich neun Zeichnungen (Abb. 1–9),1 die bis vor kurzem noch unter dem Namen Gerrit Rademaker (1672–1711) geführt wurden, einem wenig bekannten Amsterdamer Künstler, der vor allem Darstellungen von imposanten Kirchen- und Palastinterieurs schuf. Im Jahr 2020 konnten jedoch acht dieser Zeichnungen, die alle signiert sind, Abraham Rademaker (1677–1735) zugeschrieben werden, einem Zeichner und Kupferstecher von topografischen Ansichten aus Lisse in Südholland, der nicht mit Gerrit Rademaker verwandt war.2 Die neunte, nicht signierte Zeichnung (Abb. 9)3 unterscheidet sich stilistisch von den übrigen acht signierten Zeichnungen Abraham Rademakers auch in Hinblick auf die zeichnerische Qualität. Sie ist daher einem anderen unbekannten Künstler zuzuschreiben. Dass die acht signierten Zeichnungen in der Vergangenheit nicht als Werke von Abraham Rademaker erkannt wurden, ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass sie in einem völlig anderen Stil gezeichnet wurden als wir ihn von diesem Künstler gewohnt sind. Außerdem weichen die Signaturen von seiner üblichen Art zu unterzeichnen ab. Daher mag man an einen anderen Künstler mit dem Namen Rademaker gedacht haben, und zwar an Gerrit Rademaker, der in der Literatur aufgeführt wurde, dessen zeichnerisches Werk aber kaum bekannt war.4 Der äußerst produktive Abraham Rademaker hat wohl Hunderte von Drucken sowie mehrere tausend Zeichnungen angefertigt. Er wandte dabei viele verschiedene Zeichenstile an, die erst vor Kurzem identifiziert und beschrieben wurden.5 So ist eine Gruppe von 18 Zeichnungen in einem sogenannten sorgfältigen Stil ausgeführt, bei dem die dargestellte Topografie sehr präzise mit scharfen, dünnen Linien und hauptsächlich mit brauner Tinte gezeichnet wurde. Alle Darstellungen wurden zunächst in Grafit (vor-)gezeichnet, dann mit einem Stift nachgezogen und die Grafitlinien ausradiert, in drei Fällen (Abb. 1, 5, 6) jedoch nicht vollständig. Nach der zeichnerischen Ausführung mit dem Stift diente der Pinsel hauptsächlich zum leichten Lavieren des Himmels und der Wasserflächen. Um Schatten anzudeuten, wurden meist Schattierungen mit dem Stift angelegt, der Pinsel wurde nur gelegentlich innerhalb der Stiftlinien der Architektur eingesetzt (Abb. 6, 8). Neben Gebäuden spielen Schiffe oft eine wichtige Rolle, die dargestellte Natur besteht aus Wasser, Felsen und Bergen. Die Wipfel von Bäumen sind mit Zickzacklinien angedeutet, während Menschen nicht oder kaum abgebildet werden. Und wenn sie auftauchen, dann als sehr kleine Figuren, die nicht von der dargestellten Topografie ablenken. Es gibt einige Zeichnungen, die mit dem Pinsel ausgearbeitet sind (vgl. Abb. 2).6 Dies wirft die Frage auf, ob die ausschließlich mit dem Stift gezeichneten Blätter tatsächlich fertiggestellt wurden. A

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