Leseprobe

Das Zusammenspiel von Materialanalyse und Stilkritik. Fallbeispiele Mit welchen Tinten zeichnete Rembrandt? Mit welchen Tinten zeichneten seine Schüler – und lassen sich die Zeichnungen Rembrandts von denen seiner Schüler mittels materialwissenschaftlicher Analyse unterscheiden? Die Authentifizierung von Rembrandt-Zeichnungen durch die Analyse der Tinten allein ist ein schwieriges Unterfangen, wie nachfolgend gezeigt wird. Allerdings offenbaren sich materielle Zusammenhänge zwischen den Zeichnungen Rembrandts und denen seiner Schüler, wodurch bislang stilkritische Unterscheidungen durchaus eine Bestätigung erfahren. »Die schönsten Bisterzeichnungen verdanken wir Rembrandt«,1 schreibt Joseph Meder und führt weiter aus: »Zeichnete er auch mit Tinte,2 die sich später in ein ähnliches Braun verfärbte, so fallen seine Bisterblätter mit Pinsel oder dicker Feder doch leicht durch das prachtvoll satte Braun auf [...].«3 Die Differenzierung der beiden Zeichenmaterialien, also Bister und Eisengallustinte, allein durch optische Merkmale ist indes aus heutiger Sicht problematisch, da nicht nur Alterungserscheinungen, sondern auch Beimischungen zu den jeweiligen Zubereitungen die Farbe beeinflussen können. So wurden dem Bister (Abb. 1), üblicherweise aus den wasserlöslichen Bestandteilen des Kaminrußes gewonnen, Eisenoxidpigmente zugesetzt, um ein satteres Braun zu erzielen. Dieses Prozedere ist für die Werkstatt Rembrandts überliefert.4 Genauere Analysen der Berliner5 und Weimarer Bestände offenbarten jedoch, dass die Verwendung von Bister auf Zeichnungen der Rembrandt-Schule eher die Ausnahme ist. So sind es denn die Eisengallustinten, die in vielfältigen Brauntönen das Erscheinungsbild der Zeichnungen Rembrandts und seiner Schüler heute bestimmen. CARSTEN WINTERMANN OL I VER HAHN Auf die Tatsache, dass die brauntonigen Tinten nicht das ursprüngliche Erscheinungsbild der Eisengallustinten widerspiegeln, wies bereits Joseph Meder hin. Die Erkenntnis, dass der heutige Farbeindruck ursprünglich gar nicht intendiert war, ist jedoch viel älter. Schon Ribeaucourt stellte Ende des 18. Jahrhunderts zur Zusammensetzung von Schreibtinten fest, dass sich Tinten mit zu viel Eisenvitriol gelb bis rot verfärben und jene mit zu vielen Galläpfeln zwar beständiger sind, aber bald braun werden.6 So ist davon auszugehen, dass die ursprünglich schwarzen Eisengallustinten nur noch teilweise ihren ursprünglichen Farbton bewahrt haben, und zumeist im Laufe der Zeit verbräunten. Eisengallustinte zählte lange zu den wichtigsten Schreib- und Zeichenmaterialien Europas, zahllose Rezepturen sind überliefert. Das schwarze Material entsteht durch Reaktion der beiden Hauptkomponenten Eisen und Gallussäure.7 In vielen Rezepturen ist fast ausschließlich Vitriol als eisenliefernde Zutat genannt (Abb. 2). Infolgedessen ging die Forschung davon aus, dass Eisengallustinten durch Mischen von natürlichem Eisenvitriol mit Gallapfelextrakten hergestellt wurden. Die Bezeichnung »Vitriolum« findet erstmalig in einem lateinischen Manuskript aus dem 8. Jahrhundert Erwähnung;8 die deutschsprachige Form »Vitriol« stammt wohl aus dem 12. Jahrhundert. Bei der zweiten Zutat, den Galläpfeln, handelt es sich um abnorme Wucherungen an Blattknospen, Blättern und Früchten verschiedener Eichenarten, hervorgerufen durch die Eiablage von Gallwespen. Üblicherweise enthalten die Tinten neben weiteren organischen Materialien wie Gerbstoffen ein wasserlösliches Bindemittel, zum Beispiel Gummi arabicum, zur Extraktion der Galläpfel wurden Lösemittel wie Wasser, Wein oder Essig verwendet. EMBRANDT Die Tinten der Rembrandt-Zeichnungen in den Graphischen Sammlungen der Klassik Stiftung Weimar R

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