Leseprobe

147 Vom Rhein bis nach Mähren Kupferstiche 1470–1500 Im späten 15. Jahrhundert stehen die Kupferstiche nördlich der Alpen, die nun in stetig zunehmender Anzahl und nicht mehr beinahe ausschließlich entlang des Rheins hergestellt wurden, überwiegend unter dem Einfluss der Grafiken Martin Schongauers. Es gab Kupferstecher, die in seinem Umfeld tätig waren, wie etwa den Meister BM (Kat. 59, 60), dessen Werke sich nicht nur technisch, sondern auch motivisch eng an Schongauer orientieren, ohne unbedingt Kopien nach dessen Kupferstichen zu sein. Vom Meister AG wiederum, der gleichfalls zeitweilig am Oberrhein und im Umkreis Schongauers gearbeitet haben muss, kennt man zwar solche Kopien (Kat. 62), doch hat er ebenso Sujets, die nicht von Schongauer herrühren, in dessen Art gestochen (Kat. 63). Beim Meister AG fällt auf, dass er sich um eine besondere Feinheit der Linie bemühte, als wollte er dem großen Vorbild eine eigene grafische Sprache entgegensetzen. Wohl in unmittelbarem Austausch mit dem Meister AG stand der Meister W H, von dem das Städel Museum einen besonders gelungenen Kupferstich besitzt, der sich nur in diesem einen Exemplar erhalten hat (Kat. 64). Schongauers Einfluss findet sich zudem in einem anonymen Werk gespiegelt, einer Spielkarte, die im späten 15. Jahrhundert am Oberrhein gestochen worden ist (Kat. 65). Sie wurde im 17. Jahrhundert als Bildträger für ein kleines Landschaftsgemälde verwendet und ist mit diesem in die Sammlung des Städel Museums gelangt. Die Kupferstiche des in Frankfurt am Main tätigen Goldschmieds, der das Monogramm b g verwandte (Kat. 66–68), beruhen technisch zwar auch auf Schongauers Vorbild, orientieren sich motivisch aber eng am Hausbuchmeister, von dessen seltenen Kaltnadelradierungen das Städel Museum kein eigenhändiges Beispiel besitzt (vgl. auch Kat. 72, 91). Die Meister PM und B R waren vielleicht – ganz genau weiß man das nicht – noch etwas weiter nördlich am Rhein tätig, in Köln. Sie schufen offenbar nur gelegentlich Kupferstiche; dabei ging es PM (Kat. 69, 70), der wohl ein Maler war, um die Vervielfältigung von Vorlagenmaterial für andere Bildkünstler, während B R (Kat. 71) eher marktgängige Motive für ein breiteres Publikum im Blick hatte. Wenzel von Olmütz, einer der wenigen namentlich bekannten Kupferstecher vor Dürer, hat sich zeitweilig in Köln aufgehalten, war dann aber wohl hauptsächlich in seiner mährischen Heimatstadt tätig (Kat. 72–74, S. 285, Abb. 85). Sein recht umfangreiches grafisches Werk besteht überwiegend aus technisch ausgezeichneten Kopien nach fremden, meist gestochenen Vorlagen, so von Schongauer, dem Hausbuchmeister oder dem frühen Albrecht Dürer. Erkennbar künstlerischer Anspruch spricht aus den beiden bildmäßigen Kupferstichen des Meisters LCz (Kat. 75, 76), eines in Bamberg und Nürnberg arbeitenden Malers, dem Dürer in seiner Jugend begegnet sein kann. Noch ausdrücklicher als Kunstwerk treten die um 1500 geschaffenen, aufwendigen Grafiken des Mair von Landshut auf (Kat. 77, 78). Dieser oberbayerische Kupferstecher druckte auf eingefärbtes Papier und überarbeitete die Blätter anschließend mit Schwarz, Weiß und manchmal noch weiteren Farben, um den Eindruck von virtuosen »Hell-Dunkel-Zeichnungen« zu erzeugen. Der Meister MZ schließlich, der mit einem Beispiel in der Ausstellung vertreten ist (Kat. 79), gehört mit seinen bildmäßigen, sicher und schwungvoll ausgeführten Kupferstichen, die eine ganz eigene, manchmal rätselhafte Ikonografie zeigen, eher schon dem 16. als noch dem 15. Jahrhundert an. Kat. 75, Detail

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