Leseprobe

45 Abb.17 Meister ES, Der Heilige Johannes auf Patmos, Kupferstich, 153 ×109 mm (Einfassungslinie), Lehrs II, Nr.150, Städel Museum, Frankfurt am Main, Inv. 33615 Umrissen der Figuren ausgesägt waren. Die so gewonnenen Teile des teuren Kupfers konnten eingeschmolzen und für weitere Platten verwendet werden (vgl. auch Kat.100). Das kann aber auch darauf hindeuten, dass der Kupferstecher das Ausschneiden der gedruckten Figuren als Möglichkeit der Nutzung seiner Druckgrafik eingeplant hatte. Wahrscheinlich stammen die beiden Grafiken aus einem handgeschriebenen Buch, in das der Eigentümer des 15. Jahrhunderts sie eingeklebt hatte.12 Beide Apostel stehen auf einem verschatteten, aber sonst schlichten flachen Boden. Sie halten neben Büchern, den Zeichen ihrer Weisheit, ihre Attribute in der Hand, Philippus einen Kreuzesstab, Bartholomäus das Messer, das auf sein Martyrium durch Häuten hinweist (vgl. Kat. 73). Die Gewänder – beide tragen Reisemäntel – und einige Einzelheiten sind mit einer Genauigkeit wiedergegeben, die dem Stecher technisch einiges abverlangte. Philippus trägt ein Messer (zum Schärfen der Federkiele) und ein Tintenfass am Gürtel, jeweils mit einer Schlaufe befestigt, bei Bartholomäus hängt ein Rosenkranz mit zwölf Perlen am Ledergürtel, sein rechtes Bein ist vorgestellt und die Schuhe sind durchgelaufen; aus ihnen schauen die Fußspitzen hervor. Die Gesichter sind individuell und die engen Rundungen der lockigen Haare zeigen, dass der Stecher mit dem Grabstichel umzugehen wusste. Die ziemlich starren Konturlinien sind tief gestochen; für die Schatten setzte der Meister des Johannes Baptista kurze, kräftige, leicht diagonale Striche ein, die sich, je dunkler die Zonen sein sollen, umso mehr überlagern. Das geschah nicht auf kontrollierte Weise, sondern freihändig und ungeplant Es handelt sich um die Übertragung einer malerische Effekte suchenden Zeichentechnik (Feder oder Silberstift) auf den Kupferstich, was dafür sprechen könnte, dass der Meister des Johannes Baptista kein Goldschmied, sondern ein Maler war.13 Insgesamt entsteht eine kräftige, lebendige und naturnahe Wirkung, die neben der systematischeren, strukturierteren Stichtechnik des Meisters ES, wie oben gesagt, altertümlich wirkt (vgl. Kat.10, 11). 1 Nach Lehrs I, S. 269. 2 Ebd. 3 Das zweite Exemplar, das Lehrs in der Sammlung Maltzan, Militsch, Schlesien, sah (vgl. Lugt 3024 a), ist heute in der National Gallery of Art, Washington, Inv. 2005.125.1. 4 Neben Abb.17 ist das Johannes der Täufer mit dem Gotteslamm, umgeben von den Evangelistensymbolen und den Kirchenvätern, Lehrs II, Nr.149; vgl. Höfler 2007 II, Nr.149. 5 Streng genommen geht die Diskussion sogar schon früher los, mit Passavant, der den Meister des Johannes Baptista, noch ohne Notnamen, unter den Anonymen der Schule des Meisters ES führte. Zur weiteren Geschichte der Kontroverse vgl. u.a. Lehrs I, S. 263–264; Lehrs 1920, S. 202–204; Geisberg 1924, S. 70 –71; Fischel 1950, S.110 – 113; Winkler 1959, S. 63– 67; Ausst.-Kat. Essen 1986, S. 300, Nr. 417 (Glaubrecht Friedrich); Naß 1994, S. 93–96; Erb 1997, S. 204–206; Höfler 2007, S. 81–82. Vgl. auch Dictionary of Art XX, S. 763 (Holm Bevers). 6 Bevers 1986, S. 61, vermutete ein Vorbild der Buch- oder Tafelmalerei aus den Kreisen des Meisters von Flémalle oder Rogier van der Weydens. 7 Stogdon 1998, unter Nr. 2, schreibt, dass sich das Problem – unter Umständen – erst endgültig wird lösen lassen, wenn es gelingen würde, ein Wasserzeichen präzise zu datieren. 8 Ebd. 9 So sieht Richard S. Field im Ausst.-Kat. Washington und Nürnberg 2005, S. 306, Anm. 5, den Meister des Johannes Baptista »ziemlich sicher« als Nachfolger des Meisters von 1445; zu diesem vgl. Ausst.-Kat. Basel 2011, S. 255– 261 (Katharina Georgi). Auch für den Meister von 1445 stellt sich aber die Frage, woher die Motive ursprünglich stammen. 10 Lehrs I, Nr.1–9. Der Apostel Andreas, Lehrs I, Nr. 2, ist in Versteigerungskatalogen des 19. Jahrhunderts und bei Passavant II, S. 90, Nr. 42b, genannt, aber schon von Lehrs 1891a nicht mehr gefunden worden. 11 Heute National Gallery of Art, Washington, vgl. oben, Anm. 3; vgl. Stogdon 1998, Nr. 2. 12 Zum Gebrauch früher Druckgrafik vgl. oben, S.16 –19. 13 Weixlgärtner 1911, S. 355–356, brachte den Meister des Johannes Baptista mit einer Federzeichnung von etwa 1450 im Szépmüvészeti Muzeum in Budapest in Verbindung, die heute entweder dem Umkreis oder der Nachfolge des Konrad Witz (Ausst.-Kat. Basel 2011, S. 308–309 [Katharina Georgi]) oder einem bayerischen Zeichner um 1440 –1450 (Bodnár 2020, S. 20 –22, Nr. 2) zugeordnet wird. Es scheint auch, dass das stecherische Vorgehen des Meisters der von Weixlgärtner 1911, S. 353–354, beschriebenen »Malermethode« entspricht (vgl. auch oben Einleitung, S.14, mit Anm. 12). Der Heilige Bartholomäus Kat. 3 Kupferstich, Kaltnadel; max. 146×72 mm (Darstellung, silhouettiert), 163×82 mm (Blatt); Figur silhouettiert, in neues Papier eingesetzt, Plattenrand, Plattenton und verstreute Flecken durch Überdrucken mit einer Platte erzeugt, Verbräunung entlang der Ränder; ohne Wz., Stegabstände (horizontal) nicht bestimmbar; Rückseite: 878 [?] (Feder und braune Tinte), Stempel des Städelschen Kunstinstituts (Lugt 2356) PROVENIENZ E. Joly de Bammeville, Paris; Verst. de Bammeville, Sotheby, London, 8.–12.5.1854 (Lugt Rép. 21900), Nr. 288; Hermann Weber (1817– 1854), Bonn (vgl. Lugt 1383); Verst. Weber, Weigel, Leipzig, 17.9.1855 u. folg. Tage (Lugt Rép. 22571), Nr.13, an F. A. C. Prestel, Frankfurt am Main;2 erworben 1855 als Geschenk von Johann David Passavant Inv. 33626 2 Exemplare bekannt (Lehrs)3 LITERATUR Passavant II, S. 90, Nr. 42 d; Lehrs 1891a, S. 407–408, Nr. 250; Lehrs I, S. 269, Nr. 6; Stogdon 1998, Nr. 2; Höfler 2007, S. 81–82

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