Leseprobe

235 dert wurden ein wissenschaftliches Institut für die Materialanalyse, die Einführung einer geregelten Aus- und Fortbildung von Restauratoren und die Einrichtung von Schwerpunktwerkstätten, die besser ausgestattet sein und beratend Hilfestellung leisten sollten. Dieses Mal wurde ein Teil der Forderungen umgesetzt. Neue Stellen wurden geschaffen. Die Restaurierungswerkstätten waren nun fachlich spezialisiert auf Holz/Möbel, Gemälde, Grafik, Modellbau, Textil und dreidimensionale Objekte und erhielten Budgets zur Werkstattausstattung. Mit dem »Hamburger Modell« entstand 1982 ein Ausbildungsrahmenplan zur Fortbildung von Restauratoren, der durch museumsübergreifenden theoretischen Unterricht die praktische Ausbildung in den Museumswerkstätten ergänzte. Die Ausbildungssituation in Deutschland veränderte sich in den 1980er-Jahren: Die verschiedenen Materialbereiche wurden an Hochschulen und Akademien angeboten, während das Hamburger Modell trotz niveauvoller Ausbildung nicht zu einem Abschluss führte, der allgemein anerkannt wurde. Ab 1994 wurde das Hamburger Modell in eine studienvorbereitende Praxisphase überführt, die gut vernetzt bis heute ausbildet (Abb. 3). In den 1990er-Jahren gingen aufgrund von Sparmaßnahmen einige der neu gewonnenen Stellen wieder verloren. Um Synergieeffekte und weitere Einsparungen zu ermöglichen, wurde immer wieder die Einführung von zentralen Restaurierungswerkstätten an den Hamburger Museen diskutiert. Heute arbeiten amMHG vier Restauratorinnen und Restauratoren in verschiedenen Materialbereichen. Vergrößerter Aufgabenbereich Die Sammlungen des Museums sind seit seiner Gründung immens gewachsen. Ausgestellt werden nur fünf bis zehn Prozent des Sammlungsguts, die Verantwortung für den Erhalt der Sammlung gilt jedoch für mehr als 500.000 Objekte gleichermaßen. Der Aufgabenbereich der Restaurierung hat sich vergrößert: Die Objekte müssen nicht nur untersucht, dokumentiert, konserviert und restauriert werden, sondern Restauratoren sind auch maßgeblich an der Gestaltung des Umfelds und der Einschätzung von Risiken beteiligt, um Schäden am Sammlungsgut zu verhindern. Sie überwachen Luftfeuchtigkeit, Temperatur und Lichtstärke, kontrollieren Schädlingsbefall, kämpfen gegen schädliche Ausdünstungen und Schimmelbefall und sorgen für sachgemäße Verpackung, Transport, Lagerung und Präsentation der Objekte. Dafür benötigen sie eine langjährige intensive Ausbildung, ständige Fortbildung und gute Kontakte zu Kollegen anderer Fachbereiche, zu Denkmalpflegern, Architekten, Natur- und Geisteswissenschaftlern und zu Handwerkern. Heute sehen ihre Arbeitsorte nicht mehr nach romantischen Zauberwerkstätten aus, sondern eher nach hellen Arztpraxen (Abb. 4). Die Restauratoren sind nicht mehr »unsichtbare Diener der Kunst«, sondern sie mischen sich ein, um Kulturgut zu erhalten. 3 Netzwerk des Hamburger Praxisjahrs Restaurierung 2022

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