Leseprobe

Gotthardt Kuehl E I N L I CHTB L I CK FÜR DRESDEN

Gotthardt Kuehl E I N L I CHTB L I CK FÜR DRESDEN Städtische Sammlungen Freital Herausgegeben von Kristin Gäbler Sandstein Verlag

Inhalt 6 Ein Lichtblick für Dresden Kristin Gäbler 8 Das Licht zum Leuchten bringen – Gotthardt Kuehls Kircheninterieurs Jasper Warzecha 20 Ausgestellte Werke 60 Biografie 70 Leihgeberinnen und Leihgeber 70 Dank 71 Bildnachweis 72 Impressum

6 »Ein Maler deutscher Städtebilder, in erster Linie Dresdner Stadtansichten, ein Maler farbiger Innenräume, sowohl behaglicher holländischer Stuben als eleganter Salons, ein Maler reichbewegter Innenbilder alter Barockkirchen, dazwischenmanchmal ein Genrebild, bei dem aber nie das Was, sondern nur das Wie ausschlaggebend ist, ein deutscher Impressionist, für den die wahre künstlerische Arbeit erst beim Ansetzen des Pinsels beginnt, weil alle Bilder nur Reflexe dessen sind, was sein für Farbe, Licht und Luft empfängliches Auge sieht.«1 Das schrieb 1918 der einstige Direktor der Städtischen Sammlungen Dresden, Georg Minde-­ Pouet, über den Künstler Gotthardt Kuehl drei Jahre nach dessen Tod. Als Gotthardt Kuehl 1915 starb, hatte sich die Dresdner Kunstlandschaft in den 25 Jahren seinesWirkens in der sächsischen Residenzstadt unter seinem Einfluss grundlegend verändert. Er war eine respektierte Persönlichkeit in der Szene, hochgeachtet und verehrt von Kollegen und Schülern. Nach umfangreichemWerben und anfänglichemZögern hatte sich Kuehl 1895 entschlossen, 25 Jahre, nachdem er Dresden ohne auch nur einMeisteratelier zu besuchen als unzufriedener Kunststudent verlassen hatte, eine Berufung an eben dieser Hochschule anzunehmen und wieder mit seiner Familie nach Dresden zu ziehen. Sein Amtsantritt an der Kunstakademie war eine Initialzündung für die Erneuerung der in alten Konventionen erstarrten Kunsthochschule gewesen. Er hatte die Akademie auf einen neuen Weg gebracht und ihre Strukturen aufgefrischt. War Kuehl, als er nach Dresden kam, das jüngste Mitglied des akademischen Rates, hatte er am Ende seines Dresdner Wirkens fast den ganzen Lehrkörper verjüngt. Mit Carl Bantzer, Otto Gussmann, Eugen Bracht, Robert Sterl, Emanuel Hegenbarth, Richard Müller und Oskar Zwintscher gelang es ihm, junge verheißungsvolle Maler als Professoren an die Akademie zu ziehen. Mit Kuehls Person war auch Dresdens Aufstieg als Ort moderner, internationaler Kunstausstellungen verbunden. Im neuerbauten Glaspalast an der Stübelallee fand 1897 die erste Internationale Kunstausstellung statt. Diese Ausstellung mit Arbeiten deutscher Impressionisten, 60 Werken Constantin Meuniers, Arbeiten von Claude Monet, Edgar Degas und Innenraumentwürfen von Henry van de Velde erregte deutschlandweites Aufsehen. In den folgenden Jahren bis zum Ersten Weltkrieg organisierte und kuratierte Gotthardt Kuehl weitere Ausstellungenmit überregionaler Beteiligung. Nicht bei allen ansässigen Künstlern stieß die damit verbundene Abschaffung der traditionellen akademischen Ausstellungen auf Zustimmung, nicht von allen Entscheidungsträgern wurden diese Neuerungen begrüßt. Es war ein großer Verdienst Kuehls, sich von allenWiderständen unbeirrt weiter zu engagieren. Doch vor allemals Künstler hat Gotthardt Kuehl die Kunstentwicklung in Dresden wie kaum ein anderer geprägt. Er brachte neue Impulse des Impressionismus aus Paris, wo er zehn Jahre von 1879 bis 1889 gelebt und gearbeitet hatte, mit hierher. Unter ihm etablierte sich die Freiluftmalerei in der Residenzstadt zu einer ernstzunehmenden Stilgattung. Neben Carl Bantzer war er einer der bekanntestenMaler, die sich in Goppeln demPleinairismus widmeten. Er war Gründungsmitglied der FreienVereinigung Dresdner Künstler, des Vereins bildender Künstler Dresdens und Ehrenvorsitzender der 1902 gegründeten Künstlervereinigung Die Elbier. Ein Lichtblick für Dresden

7 Wurde Gotthardt Kuehl bei seinem Amtsantritt noch ob seiner virtuosen, unkonventionellen, für Dresden damals zu fortschrittlichenMalweise von denVertretern der akademischen Malerei stark kritisiert und teilweise angefeindet, avancierte er in der folgenden Zeit zu einer nicht mehr wegzudenkenden Künstlerpersönlichkeit amBeginn des 20. Jahrhunderts. Seine Bedeutung für die sogenannte, durch ihn geprägte Dresdner Malschule wird durch die große Anzahl seiner direkten Schüler und der in seiner Tradition bis heute arbeitenden Künstler in Dresden begründet. Obwohl also Gotthardt Kuehl zu seinen Lebzeiten zu den bekanntesten deutschen Malern zählte und als Künstler und Professor für Dresden eine Persönlichkeit von außerordentlicher Bedeutung war, gilt er heute als nahezu vergessen. Im Dresdner Ausstellungs- und Kunstgeschehen der vergangenen Jahre war Kuehl kaum präsent. Die letzte große Ausstellung fand 1993 im Albertinum in Kooperation mit demMuseum für Kunst und Kulturgeschichte Lübeck statt. Zur Ausstellung Der deutsche Impressionismus 2010 in Bielefeld wurde Gotthardt Kuehl als vergessener Künstler des Impressionismus »wiederentdeckt«. Seit fast 30 Jahren gab es in Dresden, einer der Hauptwirkungsstätten des Künstlers, keine Personalausstellung der für die Dresdner Malerei so wichtigen Identifikationspersönlichkeit mehr. Umso froher bin ich, dass die Städtischen Sammlungen Freital nun mit dieser Ausstellung und dem Katalog in die »Lücke springen« und endlich das Werk des Akademieprofessors wieder mehr in das Bewusstsein der Freitaler, Dresdner und hoffentlich auch überregionalen Kunstfreunde bringen können. Selbstverständlich wäre diese Ausstellung ohne weitläufige Unterstützung nicht möglich gewesen. Fast überall, wo ich mein Projekt vorstellte, stieß ich auf Interesse, offene Ohren und tatkräftige Hilfe. Ganz besonders danke ich dabei Frau Dr. Uta Neidhardt, Frau Heike Biedermann und Herrn Dr. Jasper Warzecha für sein wunderbares Essay über Kuehls Kircheninterieurs. Ich danke den institutionellen und privaten Leihgeberinnen und Leihgebern, die sich für die Zeit der Ausstellung von ihren Schätzen trennen, und den als Vermittlern agierenden Auktionshäusern. Als wichtige und mir stets gewogene Kooperationspartnerin steht die Städtische Galerie Dresden, die für diese Ausstellung als Hauptleihgeberin fungiert, an erster Stelle. Die Sächsische Landesstelle für Museumswesen förderte sehr großzügig den hier vorliegenden Katalog. Und last but not least danke ichmeinemTeamauf Schloss Burgk. Ich freue mich auf die Ausstellung und unsere treuen und hoffentlich zahlreichen kunstsinnigen Besucherinnen und Besucher. Kristin Gäbler Direktorin Städtische Sammlungen Freital 1 Georg Minde-Pouet, Gotthardt Kuehl, in: Westermanns Monatshefte 63 (1918), Bd. 125, H. 745, S. 18.

8

9 Der heute weitgehend in Vergessenheit geratene Gotthardt Kuehl zählte zu Lebzeiten zu den bekanntesten deutschenMalern um 1900. Mit dafür verantwortlichwaren seinemoderat impressionistischen Gemälde, die zahlreiche nationale und internationale Kritiker überzeugen konnten.1 Wesentlich für seine künstlerische Entwicklung von einem brauntonigen Genremaler der 1870er Jahre hin zu einemMaler, der sich verstärkt mit derWiedergabe von Lichtstimmungen beschäftigte, waren neben einem zehnjährigen Aufenthalt in Paris Impulse aus den Niederlanden. Wie so viele andere Künstlerinnen und Künstler ließ er sich inspirieren von der dortigen Landschaft, vom Alltag und von dort stammenden Kunstschaffenden sowie von deren Kunstwerken. Das Vorbild der niederländischen Kultur speziell für deutsche Malerinnen und Maler des »deutschen Impressionismus«, zu denen auch Kuehl zählt, ist hinlänglich erforscht.2 Es erstreckt sich vor allemauf die Gattungen der Landschaftsmalerei und Interieurdarstellungen. So sind auch Kuehls zahlreiche Interieurs – Darstellungen von Innenräumen jeglicher Art sind die bestimmende Gattung in seinemŒuvre – wesentlich durch Aufenthalte und Beobachtungen in den Niederlanden geprägt.3 Das Kircheninterieur zählt zu den speziellen Formen des Innenraumbilds. Es ist ein Motiv, das Kuehl entscheidend von seinen Zeitgenossen und ebenso begeisterten Niederlande-Reisenden wie Max Liebermann und Lovis Corinth unterscheidet. Kuehls Interesse an diesem spezialisierten Typ des Architekturbilds ist wohl vor allem auf seine Auseinandersetzung mit Kunstwerken zeitgenössischer und Alter niederländischer Maler zurückzuführen. Denn einhergehend mit der Wiederentdeckung zahlreicher Alter Meister im ausgehenden 19. Jahrhundert wandten sich auch einige wenige zeitgenössische niederländische Maler der Darstellung von Kircheninterieurs zu, derenWerke wiederum Kuehl sicherlich bekannt waren.4 Allerdings malten keine Künstlerin und kein Künstler entsprechende Werke mit einer mit Kuehl vergleichbaren Intensität und in einem ähnlichen Umfang. Entwickelt hatte sich die Gattung des Kircheninterieurs an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert, als sich vor allem in den Niederlanden Künstler zu Architekturmalern spezialisierten und Innenansichten von berühmten Kirchen schufen. Wesentlicher Grund für die Entdeckung dieses Motivs war die in den Niederlanden vollzogene Abspaltung des Glaubens, welche den Kircheninnenraum stark veränderte: Das calvinistische Bilderverbot sorgte für eine weniger dekorative Wirkung und ließ die Kircheninnenräume nüchterner wirken.5 Zugleich wurden sie immer mehr zu einem öffentlichen Raum, was sie für niederländische Maler – angesichts ihres Interesses an gesellschaftlichen Alltäglichkeiten – zu einemhäufig gewählten Motiv machte.6 Auch Gotthardt Kuehl interessierte sich grundsätzlich für die Wiedergabe von Alltäglichkeiten. Möglicherweise wählte er auch daher immer wieder Kircheninterieurs als Motiv. Hinzu kommt sein ausgeprägtes Interesse an der Darstellung charakteristischer Innenräume. Ein großer, mitunter heller (Kirchen-)Raum, in den starkes Licht fällt, wird für Kuehl äußerst attraktiv gewesen sein: Denn analog zur generellen künstlerischen Entwicklung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in der sich Künstlerinnen und Künstler für malerisch-ausdrucksstarke Sujets begeisterten, vollzog er seine Entwicklung zu einem impressionistischen Maler dadurch, dass er das Licht in seine Interieurs holte. Jasper Warzecha Das Licht zum Leuchten bringen – Gotthardt Kuehls Kircheninterieurs Abb. 1 Inneres der Münchner Damenstiftskirche 1. Hälfte 1890er Jahre (Detail) Öl auf Holz · 78,5 × 46,5 cm Museum Georg Schäfer, Schweinfurt WVZ 259

10 Erste Kircheninterieurs in München Ab 1870 studierte Kuehl fünf Jahre bei Wilhelm von Diez an der Münchner Akademie. Von Diez brachte seinen Schülern, zu denen in jener Zeit auchWilhelmTrübner undMax Slevogt zählten, (zeitgenössische) niederländischeMalerei näher. Hinzu kam eine generelle Begeisterung für niederländische Kunst, die sich gerade in München mit der I. Internationalen Kunstausstellung im Jahr 1869 Bahn gebrochen hatte. Dort waren zahlreiche Werke von heute herausragenden niederländischen Alten Meistern ausgestellt, die von jungen, aufstrebenden Künstlerinnen und Künstlern entdeckt und rezipiert wurden.7 Mit den Gemälden Das Innere der Asamkirche in München 8 und Das Innere der Damenstiftskirche in München (siehe Kat.-Nr. 5, S. 23) entstanden in den 1880er und 1890er Jahren Kuehls erste kapitale Kircheninterieurs und mit Inneres der Münchner Damenstiftskirche (Abb. 1) zugleich eines der bekanntesten seines Œuvres. Das Werk zeigt eine junge Frau, die sich zum Gebet auf die Knie niedergelassen hat, sowie fünf in weiß gekleidete Mädchen, die auf ihremWeg in Richtung des Hauptaltars den Seitenaltar passieren. Dessen Bildwerk, zwei rot-weiß marmorierte Säulen zu beiden Seiten, Giebel und Gebälkstücke imAuszug sowie eine vergoldete barocke Kanzel sind präsent und detailgetreu dargestellt. Dass Kuehl die Wiedergabe der charakteristischen Architektonik der Damenstiftskirche reizte und damit also ein konkreter örtlicher Eindruck, zeigt auch der gewählte Bildausschnitt und die sich daraus ergebende Wahl des Hochformats: Dieses bringt gleichermaßen den imposanten, hohen Kirchenraum zur Geltung und zeigt den Altar sowie die Fenster und Fensterbögen in seiner vollen Größe. Dennoch interessierte sich Kuehl, Sohn eines evangelischen Küsters, allerhöchstens nebensächlich für die sakrale Komponente der römisch-katholischen Kirche. Stattdessen ging es ihm um die malerisch-farblichen Reize, die er erstmalig in einem Kircheninterieur zum wesentlichen Moment eines seinerWerke erkor. Gleichwohl behielt Kuehl mit den jungen Frauen – bei denen es sich um Stiftsdamen handelt, die soeben ins Damenstift aufgenommen wurden 9 – Figuren bei, die wesentlich für die intendierte freudig-fromme Stimmung sind. Beispielhaft zeigt sich in Inneres der Münchner Damenstiftskirche Kuehls in den 1880er Jahren vollzogener künstlerischer Wandel – hin zu einem Maler, der sukzessive auf erzählerische Inhalte verzichtete und sich für die Darstellung von (Licht-)Eindrücken interessierte. Dabei erzeugt das Zusammenspiel aus harmonisch-feierlichen Figuren und dem funkelnden Altar die ausdrucksstarke Wirkung. Die Schleier, die in ihrer Transparenz Kuehls malerisches Können aufzeigen, korrelieren mit dem aufragenden Kirchenraum und ergänzen sich mit den malerisch-reizvollen Effekten im Altar. Verantwortlich für die lichtfreudige Atmosphäre ist Kuehls Lichtregie, die den erzählerisch-deskriptiven Vordergrund in eine malerisch wirkungsstarke Harmonie mit Bildmittel- und -hintergrund setzt. Das von links hinten einfallende Licht erfasst nämlich nicht nur die Mädchen und erleuchtet sie von hinten, sondern sorgt dafür, dass die inWirklichkeit weißen Säulen undWände der Kirche in einem kräftigen Goldton erstrahlen. Den Lichteinfall verdeutlicht Kuehl schließlichmit hellblauen Lichtstrahlen, die vom linken Bildrand schräg abfallend in Richtung des rechten Bildrands auftreten. Im Vergleich dazu ist das Gemälde Das Innere der Damenstiftskirche in München aus der zweiten Hälfte der 1880er Jahre noch wesentlich erzählerischer. Blickmittelpunkt ist nun der große und reich ausgestattete Hauptaltar. Vor diesem kniet eine schwarz gekleidete Frau, hinter der weitere Kirchenbesucherinnen und Kirchenbesucher, ebenfalls in schwarzen Kleidern, zu erkennen sind. Anders als in Inneres der Münchner Damenstiftskirche interessierte sich Kuehl hier mehr für eine möglichst naturgetreue Wiedergabe. Der Altar, dessen Altarbild von zwei gewundenen, rot-weiß marmorierten Säulen gerahmt wird, sowie eine rechts stehendeMarmorskulptur und dieMensamit vergoldeten Tabernakel sind abermals

11 detailliert ausgearbeitet. Vorstellbar ist dennoch, dass farbliche Reize Kuehls Interesse für dieses Motiv geweckt haben: Die Damenstiftskirche ist – ähnlich wie die Münchner Asamkirche – durch ihre üppige Ausschmückung im Stil des Spätbarocks in Kombination mit einstrahlendem Licht grundsätzlich prädestiniert für einemalerische Szene. Während Inneres der Münchner Damenstiftskirche eindeutig von diesem Interesse zeugt, deutet sich dieser Weg mit dem farblichen Kontrast zwischen den schwarzen Kleidern der Figuren und den weißenWänden imSpiel mit den goldenenVerzierungen der Architektur im früher entstandenen Gemälde Das Innere der Damenstiftskirche in München bereits an. Der für sein Œuvre exemplarische Vergleich dieser beiden Gemälde zeigt Kuehls künstlerische Entwicklung innerhalb der 1880er Jahre. Durchmaßgebliche Impulse aus seinem zehnjährigen Paris-Aufenthalt und zahlreiche Reisen in die Niederlande veränderte sich sein künstlerischer Ausdruck und dieWiedergabe des spezifischen Lichteindrucks wurde immer wichtiger. Seine Farbpalette hellte sich zunehmend auf, der Farbauftrag wurde pastoser, sein Duktus schneller und sichtbarer und der Ausschnitt seiner Werke fragmentarischer. Kircheninterieurs – ein fortwährender Reiz In den 1890er Jahren entstanden weitere Kircheninterieurs vor allem durch einen Auftrag von Alfred Lichtwark, dem ersten und langjährigen Direktor der Hamburger Kunsthalle. Neben anderen Künstlern hatte dieser auch Kuehl damit beauftragt, Werke zu der von Lichtwark initiierten »Sammlung von Bildern aus Hamburg« beizutragen.10 Abseits dessen – und abgesehen von Inneres der Münchner Damenstiftskirche – entstanden andere, heute unbekannte Innenansichten von Kirchen abermals in München.11 Mit dem Beginn des neuen Jahrhunderts beschäftigte sich Kuehl dann wieder ausgiebiger mit diesemMotiv. Seit 1895 lehrte Kuehl als Professor und Leiter des neugegründeten Ateliers für Genremalerei und Lehrer der Oberklasse an der Dresdner Akademie – was im Rückblick seine arrivierte Stellung als einer der führenden deutschen Maler zeigt. Ab dem Jahr 1903 verbrachte Kuehl mit seiner Familie die Sommermonate regelmäßig am Bodensee, vor allem in Überlingen.12 Diese Aufenthalte gelten besonders für seine späten Werke als maßgeblich.13 Zudemwandte er sichwieder verstärkt Kircheninterieurs zu. Immer wieder wurden die Kirchen in Überlingen und Birnau 14 – sowie außerdem in Österreich – zu gern gewählten Motiven. Ein Grund mag darin gelegen haben, dass gerade die üppig ausgestatteten römisch-katholischen Kirchen in Süddeutschland bei starkem (Sommer-)Licht eine stimmungsvolle Atmosphäre boten. Eines der ersten in Überlingen entstandenen Werke ist das Gemälde Kommunikanten im Dom zu Überlingen,15 das über eine bemerkenswerte Komposition verfügt. Der Sockel eines mächtigen Pfeilers sowie eine Kirchenbank rahmen den Blick in das Langhaus des Überlinger Doms. Im Hintergrund befindet sich eine Gruppe Kommunikantinnen. Effektvoll betonte Kuehl diesen Teil desWerks, indem er einen Sonnenstrahl die sitzenden Figuren erfassen lässt und einen Altar goldglänzend zum Leuchten bringt. Nahezu gegensätzlich erscheint der Bildvordergrund: Hier bestimmen die dunklen Kirchbänke die Farbstimmung und -wirkung, hell leuchtende Glanzpunkte sind nicht vorhanden – ein kompositorischer Kniff, mit dem Kuehl die Szene im Bildhintergrund wirkungsvoll betont und den Blick entsprechend führt. Auch die leeren Kirchenbänke erzeugen einenWirkungskontrast zwischen Vorder- und Hintergrund, indem sie der bevölkerten Szene eine auffallende Leere entgegenstellen. Spätestens durch diese farblichen und atmosphärischen Kontraste wird die Szene im Bildhintergrund zum inhaltlichen Mittelpunkt. Interessant ist dabei

13 außerdem, dass Kuehl die Betrachtenden zu abseitsstehenden Beobachtenden machte; auch und gerade weil das vertraute Miteinander der Kommunikantinnen eine gewisse Intimität besitzt. Ein Jahr später malte Kuehl erneut einMotiv aus demÜberlinger Dom. In Kommunikantinnen im Dom zu Überlingen (Abb. 2) treten drei Kommunikantinnen durch eine offenstehende Gittertür und durchqueren den Bildraum in Richtung eines imBildmittelpunkt offenstehenden Seitenportals, das den Platz außerhalb des Doms zeigt. Quadratische Fußbodenplatten heben gleichermaßen die Zentralperspektive und denWeg der Kommunikantinnen hervor. Kuehl betonte den Ausgang auch durch ein herabhängendes, auffällig rotes Banner, den Schattenverlauf eines darunter stehenden hölzernen Chorgestühls und bunte Lichtreflexionen auf den Platten, die von der über dem Portal befindlichen Madonnenfigur auf den Boden geworfen werden. Beide Szenen aus demÜberlinger Dom vermitteln aufgrund der Nüchternheit, mit der sich Kuehl demMotiv zuwandte, einen momenthaften Eindruck, der – abseits vomOrt, an dem die Szene stattfindet – eine profane Alltäglichkeit entwickelt. Sie deuten damit eine Entwicklung an, die in Werken aus den folgenden Jahren noch deutlicher zutage tritt. Das Festliche, das durch die Kleider der Figuren dezidiert vorhanden ist, findet keine übermäßige Betonung und ein fromm-religiöser Kontext ist über das Verorten der Szene im Überlinger Dom hinaus nicht vorhanden. Bildelemente als Ausdruck der Frömmigkeit, wie Geistlichemit Gesangs- oder Gebetsbücher oder präsent ins Zentrumgerückte Kanzeln, die in den in Hamburg entstandenen Werken regelmäßig auftauchen, spielen in diesen beiden Gemälden kaumnoch eine Rolle. Merkmale wie der weit entfernte Standpunkt oder die angeschnittene Figur sorgen für einen zufälligen Charakter und erinnern anMomentaufnahmen. Ein vergleichender Blick auf Inneres der Münchner Damenstiftskirche zeigt, dass es in diesen beiden in Überlingen entstandenen Gemälden weniger ausgeprägt um die Wiedergabe einer besonderen Lichtsituation ging. Vor allem ein Vergleich der jeweiligen Figuren offenbart, dass die Kommunikantinnen der späteren Werke kaum noch so kunstvoll inszeniert sind. Dieser Unterschied verdeutlicht abermals die exponierte Stellung des Werks aus der Damenstiftskirche in Kuehls Œuvre und dessen Bedeutung als eines seiner Meisterwerke. Profanisierung des Kirchenraums Bei seinen häufigen Aufenthalten in Überlingen malte und zeichnete Kuehl auch immer wieder den Innenraum der Franziskanerkirche. Es entstand die Gouache Franziskanerkirche zu Überlingen (Abb. 3, siehe Kat.-Nr. 31, S. 42), die Öl-, Gouache- und Kreidezeichnung Süddeutsches Kircheninterieur (siehe Kat.-Nr. 27, S. 44) sowie Kircheninneres (Scheuerfest in der Franziskanerkirche in Überlingen) (Abb. 4) – ein Gemälde, das aus gleich zwei Gründen bemerkenswert ist: Es ist eines seinerWerkemit der stärksten impressionistischenWirkung und verfügt mit die Kirche säubernden Nonnen über ein ausgeprägtes erzählerisches Element – ganz zu schweigen vom ironisch-deskriptiven Titel Scheuerfest. Abermals komponierte Kuehl eine starke Tiefenwirkung entlang des Mittelschiffs. Seitlich nach rechts und links verlaufen die Kirchenbänke, während im Bildhintergrund der Altar den Endpunkt setzt. Golden gerahmte Andachtsbilder an den Pfeilern, die reich verzierte Kanzel und schließlich der durch von rechts einfallendes Licht golden strahlende Hauptaltar der Kirche erzeugen die leuchtende Atmosphäre des Werks. Wie in zahlreichen seiner Interieuransichten mit Wohn- oder Arbeitsräumen fügte Kuehl mit der Wiedergabe der die Abb. 2 Kommunikantinnen im Dom zu Überlingen · 1904 Öl auf Leinwand · 81,5 × 48 cm Kunstpalast, Düsseldorf, Inv.-Nr. M 4034

Ferdinand Dorsch (1875–1938) · Geheimrat Gotthardt Kuehl · 1905 20

Ausgestellte Werke Alle Werke von Gotthardt Kuehl

22 Vorzimmer-Diplomaten · 1870er Jahre

23 Inneres der Damenstiftskirche in München · um 1880

28 Lübecker Diele (Waisenhaus) · 2. Hälfte 1890er Jahre Flur des Lübecker Waisenhauses · 1901

29 Waisenkinder in Lübeck · 1884

30 Diele mit Kartoffelschälerin · 2. Hälfte 1890er Jahre

31 Beim Kaffee (Porträt einer alten Frau) · 1895

38 Der Schreibtisch des Künstlers · 1913

39 Grüne Truhe (mein Vorzimmer) · um 1898

44 Süddeutsches Kircheninterieur · um 1904

45 Kircheninneres (St. Peter in Salzburg) · um 1910/1912

48 Terrassengasse · 1900 Blick auf die Secundogenitur · 1900

49 Frauenkirche mit Terrassengasse · 1900 Katholische Kirche vom Theaterplatz · 1901

60

61 1850 bis 1867 Lübeck 1850 Johannes Gotthard Kühl (seit den 1890er Jahren Gotthardt Kuehl) wird am 28. November als Sohn von Simon Heinrich Kühl und Henriette Caroline Margaretha Kühl (geb. Borgwaldt) in Lübeck geboren. Er ist das vierte von insgesamt fünf Kindern. Der Vater ist Organist und Küster an der protestantischen St.-Lorenz-­ Kirche sowie Lehrer an der angeschlossenen Elementarschule. Die Familie ist bereits seit drei Generationen in Lübeck ansässig. Seine Mutter stammt aus dem mecklenburgischen Lübz und war die Tochter eines Matrosen. Die Familie wohnt im Schulhaus der St.-Lorenz-­ Kirche. 1850 bis 1865 Gotthardt Kuehl verlebt die Jahre seiner Kindheit in Lübeck. Er geht bei seinem Vater in die Schule und schließt 1865 die Elementarschule ab. 1865 bis 1867 Der junge Gotthardt Kuehl besucht die Kaufmannsschule (Handelsschule) für zwei Jahre. Er soll eigentlich Lehrer werden, möchte aber seinen künstlerischen Neigungen nachgehen. Kurzzeitig überlegt er, Baumeister zu werden, entschließt sich dann aber für die bildende Kunst. Seine ersten künstlerischen Anregungen entnimmt er dem Stadtbild seiner Heimatstadt Lübeck: enge Gassen, dunkle Dielen und Treppenhäuser werden mehr oder weniger stets seine Motive und Themen bleiben. In den Jahren 1866/67 reist Gotthardt Kuehl zu seiner älteren Schwester Wilhelmine Dorothea, die in Dresden mit dem Kunstgärtner Richard Otto Castelli verheiratet ist und in Dresden-Johannstadt in der Blasewitzer Straße wohnt. 1867 bis 1870 Dresden 1867 Am 23. April wird Gotthardt Kuehl als Stipendiat an der Königlich Sächsischen Akademie der Bildenden Künste aufgenommen. Seine Lehrer in der Unterklasse (Kopiersaal) sind Robert Eduard Bary, Karl Gottlob Schönherr, Ludwig Kriebel. 1868 20. April: Aufnahme in die Mittelklasse (Gipssaal). Seine Lehrer sind hier Johann Carl Baehr, Carl Wilhelm Schurig, Christian Friedrich Gonne. Er zeichnet Aktstudien »nach dem Leben«. Zwei Gotthardt Kuehl Selbstbildnis von 1902 Offsetdruck nach dem Gemälde WVZ 469 Städtische Galerie Dresden – Kunstsammlung, Museen der Stadt Dresden, Inv.-Nr. 1981/k 1091 Biografie seiner Zeichnungen sind 1869 in der jährlich veranstalteten Akademischen Kunstausstellung in der Abteilung »Schülerarbeiten der mittleren Klasse« vertreten. Gotthardt Kuehl nimmt außerdem am Landschaftszeichen bei Ludwig Richter teil und gehört zu dessen letzten Klassenschülern. 1869 1. November: Kuehl wird in die Oberklasse versetzt. Seine Professoren im Aktsaal sind Julius Hübner, Carl Peschel und Theodor Grosse und imMalsaal Adolf Erhardt. Kuehl fühlt sich allerdings wenig gefördert und inspiriert und beschließt, vermutlich von einer Reise nach München zur dortigen ersten Internationalen Kunstausstellung angeregt, in das künstlerisch aufgeschlossenere und freiere München zu ziehen – ohne in Dresden noch ein Meisteratelier zu besuchen. 1870 bis 1879 München 1870 Am 17. August erfolgt laut Matrikelbuch Kuehls Abgang von der Dresdner Akademie. Wilhelm Diez (seit 1893 von Diez), ein Vertreter des Kolorismus und in München Wegbereiter vom Historismus hin zu Impressionismus und Jugendstil, wird als Lehrer an die Münchner Akademie der Bildenden Künste berufen. Sein Unterricht ist beliebt und gefragt. Am 24. Oktober beginnt Kuehl sein fortgesetztes Studium in München in der Komponierklasse bei Wilhelm Diez. Auch Wilhelm Trübner, Ludwig von Herterich, Ernst Zimmermann, Frank Duveneck u. a. schreiben sich bei Diez ein. 1873 Kuehl ist Mitbegründer der Münchner Künstlergesellschaft Allotria, ein Zusammenschluss jüngerer Künstler, vorwiegend Schüler vonWilhelmDiez, als Opposition zur Münchner Künstlergenossenschaft. Gotthardt Kuehl reist mit Heinrich Zügel zur Weltausstellung nachWien. Hier wird sein erstes großes Gemälde Leihanstalt von 1872 gezeigt. 1874 Im Zeitraum von Juli bis September findet ein Dresden-Besuch Kuehls statt. Sein Gemälde Im Forsthaus wird auf der Akademischen Kunstausstellung präsentiert. Spätere Einreichungen werden bis in die 1880er Jahre in Dresden häufig zurückgewiesen werden.

62 1875 Reise nach Lübeck anlässlich des Todes seiner älteren Schwester Catharina Sophia. Gotthardt Kuehl verlässt die Diez-Klasse und lebt als freischaffender Künstler in München. 1876 Kostümentwürfe für ein großes Münchner Künstlerfest. Auch in den folgenden Jahren beteiligt er sich an der Ausgestaltung der Waldfeste der Diez-Klasse auf Schloss Schwaneck. 1878 Gotthardt Kuehl reist (vermutlich) zur Weltausstellung nach Paris. Er trifft den Kunsthändler Goupil, der ihn mit der Anfertigung von Gemälden im Stil des Malers Mariano Fortuny beauftragt. Paris fasziniert ihn und hält ihn fest. Verleihung einer silbernen Medaille in London. 1879 Teilnahme mit drei Gemälden an der Internationalen Kunstausstellung in München. Kuehl sieht hier Werke französischer Maler wie Millet, Manet und Bastien-Lepage, die seinen Entschluss, München zu verlassen und nach Paris überzusiedeln, beflügeln. Auch andere wichtige Künstler wie Uhde und Trübner verlassen München via Paris. Duveneck und seine Anhänger ziehen vom oberbayrischen Polling nach Venedig. 1879 bis 1889 Paris 1879 Gotthardt Kuehl ist in Paris (vermutlich auch schon imVorjahr 1878). 1880 Gotthardt Kuehl wohnt in der Rue de Larochefoucauld 64 im 9. Arrondissement. Um ihn sammeln sich die in Paris lebenden deutschen Künstler. Regelmäßiger gemeinsamer Treffpunkt ist das Restaurant »Rat mort«, das sich in der Nähe von Kuehls Atelier befindet. Kuehl ist mit zwei Gemälden im Pariser Salon vertreten. Reisen in das er ersehnte Holland, nach Lübeck und Lüneburg. 1881 Reisen nach München, Dresden und Prag. 1882 und in den folgenden Jahren: Reisen in die Niederlande (u. a. nach Dordrecht und Katwijk, wo sich auch Max Liebermann in den Sommermonaten aufhält). Kuehl findet Motive, die auch noch viele Jahre seine bevorzugten Sujets bleiben werden: Hafenbilder, Fischerkaten, badende Knaben, Dorfstraßen und Gassen, Mädchen in genrehaften Interieurs, Innenräume im Gegenlicht. 1883 Gotthardt Kuehl wird in Paris endgültig zum Freiluftmaler. Er malt in den Straßen der Stadt, an den Kais. Die Brücke als Thema taucht erstmals auf und findet Eingang in Kuehls Werk, ein Motiv, das er über zehn Jahre später in Dresden prominent und immer wieder aufgreifen wird. Es folgen Reisen nach Lübeck und nach München. Auf der Münchner Internationalen Kunstausstellung ist Kuehl mit drei Gemälden und einem Pastell vertreten. Die Diez-Schule findet umfangreiche Beachtung. Kuehls Hinwendung zur Freiluftmalerei hingegen wird in München mit Skepsis und Abwertung bedacht und verspottet. 1884 Am 3. Januar stirbt Kuehls Mutter. Kuehl reist daraufhin nach Lübeck und nach Lüneburg. Er malt sein erstes großes Milieubild Nähende Waisenmädchen in Lübeck. Zahlreiche Arbeiten zumWaisenhaus-Thema werden folgen. Kuehl knüpft mit dem Aufgreifen dieser Thematik an Liebermann an, wird aber gleichzeitig zum Mittler und Richtungsweiser für den Einzug moderner französischer Einflüsse und Vorbilder in die zeitgenössische deutsche Malerei. 1885 Erneute Holland-Reise. Kuehl malt Ausblicke aus seinem Atelier. 1886 Vermutlich begegnet Kuehl in Paris Lovis Corinth (1884 bis 1891 ebenfalls in Paris), der 1897 in München Kuehls ehemalige Wohnung beziehen wird. Reise nach München. Hier malt er in der Johann-Nepomuk-Kirche. Nach 1900 werden unter Aufnahme von Einflüssen von Adolph Menzel und der französischen Maler noch weitere Interieurs süddeutscher Barockkirchen (wie Birnau am Bodensee, Maurach, Überlingen und Salzburg) entstehen. Es entstehen mehrere Bildnisse des Vaters, wie er an der Orgel der Lübecker Lorenz-Kirche mit Chorknaben probt und musiziert. 1887 Gotthardt Kuehl stellt im Pariser Salon aus. Von Carl Bantzer eingeladen, ist Gotthardt Kuehl auch wieder in Dresden mit acht Arbeiten auf der Ersten Internationalen Aquarellaus­

63 stellung vertreten. Kuehls Werke fallen auf und regen zum Pro- und Contradisput an. Den Sommer über lebt Gotthardt Kuehl für längere Zeit in Dresden und München, wo er mit Freunden der Sezession zusammentrifft. 1888 Gotthardt Kuehl heiratet Henriette Caroline Emma Simonson, die Tochter von Kuehls erstem Dresdner Zeichenlehrer, mit der er sich bereits bei seinem ersten Dresden-Aufenthalt 1867 angefreundet hatte. Sie gehen zusammen nach Paris, wählen aber auch München als weiteren Wohnsitz. Kuehl beteiligt sich an Ausstellungen in Paris, München und Dresden und erhält mehrfach Auszeichnungen. Karikatur von Georg Erler Gotthardt Kuehl und Ferdinand Dorsch am Bodensee · 1910 Städtische Galerie Dresden – Kunstsammlung, Museen der Stadt Dresden, Inv.-Nr. 1994/k 63 Kuehl reist nach Dresden, trifft sich dort mit Woldemar von Seidlitz, dem Vortragenden Rat in der Generaldirektion der Kunstsammlungen. Seidlitz wird der Fürsprecher für Kuehls Berufung als Professor an die Dresdner Kunstakademie werden. Ihm ist auch der Erwerb von Kuehl-Gemälden zu Beginn der 1890er Jahre für die Dresdner Gemäldegalerie zu verdanken. Am 9. Dezember stirbt Gotthardt Kuehls Vater. Kuehl reist nach Lübeck 1889 Weltausstellung in Paris. Obwohl von Seiten Deutschlands ein inoffizielles Verbot zur Teilnehme besteht (die Ausstellung steht im Zeichen des 100-jährigen Jubiläums der Französischen Revolution), regen Kuehl u. a. eine private Teilnahme und eine inoffizielle Abteilung deutscher Gegenwartskunst an. Gotthardt Kuehl wird als deutscher Vertreter der internationalen Preisjury gewählt. 1889 bis 1895 München 1889 Die erfolgreiche Resonanz der deutschen Teilnehmer auf der Pariser Weltausstellung zeigt auch in Deutschland Wirkung. Auf Kuehls Engagement hin werden mehrere französische und deutsche Kunstwerke, die auch auf der Pariser Weltausstellung und im Salon ausgestellt waren, in der ersten Jahresausstellung in München präsentiert. Kuehls Gemälde In der Küche (auch Eine schwierige Frage) wird als erstes Gemälde eines deutschen Künstlers nach 1871 für das Pariser Musée Nationale du Luxembourg angekauft (heute befindet sich das Gemälde im Musée d’Orsay). Gotthardt Kuehl entschließt sich, nach zehnjährigem Paris-Aufenthalt wieder nach München zurückzukehren. Die Münchner Wohnung des Ehepaars befindet sich auf der Gabelsberger Straße 77/I. Kuehl wird der bayerische Verdienstorden vom Heiligen Michael vierter Klasse verliehen. Am 3. Dezember wird Gotthardt Kuehl gemeinsam mit Max Liebermann (dem die preußische Regierung die Annahme untersagt) vom Präsidenten der Republik Frankreich zum Ritter der Ehrenlegion berufen. 1890 Kuehl setzt sich auch auf der zweiten Münchner Jahresausstellung für eine breite Berücksichtigung französischer Künstler ein, was, da sich einheimische Einreicher einer strengen Jury stellenmüssen, zahlreiche Kritiker auf den Plan ruft. Trotzdem erhält er am 22. Oktober

9 783954 987030

RkJQdWJsaXNoZXIy MTMyNjA1