Leseprobe

81 Die Staatsgalerie Stuttgart hütet einen Schatz von rund 300000 Werken bildender Kunst. Diese Gemälde, Skulpturen, Zeichnungen, druckgrafischen Arbeiten, Fotografien und Archivalien gehören zumeist dem Land Baden-Württemberg und wurden seit der Gründung unseres Museums auf verschiedensten Wegen mit unterschiedlichen Finanzierungsmitteln und auch durch großzügige Schenkungen erworben. Zudem sind viele langfristige Leihgaben darunter, von Vereinen wie den Freunden der Staatsgalerie über Stiftungen und großen Institutionen bis hin zu einzelnen hochkarätigen Werken oder Werkgruppen aus privaten Sammlungen. Obwohl wir in drei Gebäuden aus drei Jahrhunderten knapp 10000 qmAusstellungsfläche zur Verfügung haben, können wir gerade einmal 0,2 Prozent unseres Gesamtbestands jeweils für einen längeren Zeitraum zeigen. Für jede Neupräsentation der sogenannten ständigen Sammlung haben wir also die Qual der Wahl. Die meisten Arbeiten sind aufgrund ihres Mediums für eine längerfristige Präsentation ungeeignet, aber allein die rund 6000 dafür möglichen Gemälde, Skulpturen und Installationen sind zehnmal mehr, als wir je gleichzeitig zeigen könnten. Jedes Museum sollte bei seiner Dauerausstellung auch Sammlungsschwerpunkte berücksichtigen, umdie Arbeit der Vorgänger, die dadurch gewachsene »DNA« des eigenenHauses sichtbar werden zu lassen. Mir persönlich ist es auch wichtig, durch die Anordnung von Kunstwerken deutlich zu machen, dass Künstler immer auf die Werke anderer Künstler reagieren, Kunst von Kunst kommt. Dadurch entstehen unweigerlich Chronologien, die zwar punktuell durch sinnvolle Dialoge aufgebrochen werden können, den Besuchern aber eine grundsätzliche Erfahrung bieten, die mehr als eine Addition vonMeisterwerken ist. Jeder Galerieraumwird durch die jeweilige Zusammenstellung vonWerken zu einemeigenen Kosmos. Er transportiert eine Zeitstimmung, eine eigene Gedankenwelt, denn die Einzelwerke treten nicht nur mit dem Betrachter, sondern stets auch miteinander in eine Kommunikation, die mehr bietet, als es die Summe ihrer Teile vermag. Trotz genannter Vorgaben bleiben nahezu unendlicheMöglichkeiten für eine Sammlungspräsentation, und diese zu erarbeiten, gehört sicherlich zu den schönsten Aufgaben imMuseum. In der neuen Staatsgalerie sind größere und kleinereOberlichtgalerien u-förmig um einen Innenhof angeordnet. In diesen drei Enfiladen haben wir seit 2013 wieder unsereMeisterwerke der klassischenModerne ausgebreitet. Beginnendmit expressiven Tendenzen über den Kubismus, den Surrealismus und die Neue Sachlichkeit geht

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