Leseprobe

72 Dem langen Schrecken ohne Ende folgt das schreckliche Ende Die überfüllten Busse und Bahnen der Dresdner Straßenbahngesellschaft fahren auch am Abend des 13. Februar, bis die ersten britischen und amerikanischen Bomberverbände die Stadt erreichen. Bis auf zwei kleinere Angriffe im Herbst 1944 und im Januar 1945 ist die Stadt bisher nicht bombardiert worden. Die Dresdner und Dresdnerinnen leben in den letzten Kriegsmonaten in dem Glauben, verschont zu bleiben. Ein schrecklicher Irrtum. Am 13. Februar ist Dresden voller Flüchtlinge aus den schon besetzten Gebieten. Eine Flugabwehr gibt es nicht mehr. Die Bomberverbände nähern sich im Schutz der Dunkelheit ungehindert der Stadt. Der Luftalarm wird erst ausgelöst, als es schon zu spät ist. Um 21:45 Uhr bricht die Hölle über die Stadt herein. Einer ersten Angriffswelle folgen zwei weitere in der Nacht und am nächsten Mittag. »Ich habe den Untergang Dresdens unter den Sodom- und Gomorrha-Höllen der feindlichen Flugzeuge persönlich erlebt. Ich stehe am Ausgangstor meines Lebens und beneide meine toten Geisteskameraden, denen dieses Erlebnis erspart geblieben ist. Wer das Weinen verlernt hat, der lernt es wieder beim Untergang Dresdens.« Gerhart Hauptmann Erinnerungen eines Schaffners Die Stadt ist dem Erdboden gleichgemacht Nach den Bombenangriffen liegt die Stadt in Schutt und Asche. Große Teile der Infrastruktur, der Kraftwerke, des Eisenbahnnetzes sowie die Versorgung mit Strom, Gas und Wasser sind entweder vollständig zerstört oder stark beschädigt. Die Dresdner Straßenbahn AG verliert über die Hälfte aller Triebwagen, Wagenzüge, Omnibusse und Betriebshöfe. 75 Prozent des Oberleitungsnetzes sind zerrissen, Trümmer und Bombentrichter machen die Gleise unbenutzbar. Eine Zahl, die den Kahlschlag durch Bomben im Nahverkehr vielleicht am stärksten verdeutlicht: Bis 1944 bewirtschaftete die Dresdner Straßenbahn 185,5 Streckenkilometer und damit bildlich gesprochen eine Distanz von Dresden bis nach Hof in Bayern. Nach den Angriffen sind davon nur noch 8,8 Kilometer befahrbar – vergleichbar mit einer heutigen Streckenlänge vom Dresdner Zentrum bis Prohlis. Aber was bedeutet das alles im Vergleich zu dem unvorstellbaren menschlichen Leid, den unzähligen Toten, dem Verlust einer ganzen Stadt, dem Untergang einer Metropole? Wo soll unter all dem Leid noch Hoffnung sein? Herr Malcher, der letzte Schaffner des einzigen Doppelstockbusses in Dresden Im Februar 1945 wird auch ein Tanklager in der Nähe der Bremer Straße getroffen. Die Rauchschwaden sind kilometerweit zu sehen.

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