Leseprobe

— 15 — »Der Herzog Emil Leopold August […] gehört zu den geistvollsten und interessantesten, aber auch wunderlichsten und zerfahrendsten Persönlichkeiten, die jemals auf einem Thron gesessen haben.«¹ Der am 23. November 1772 in Gotha geborene Prinz hieß mit vollem Namen Emil August Leopold und war zunächst nicht zum Herrscher des kleinen mitteldeutschen Fürstentums bestimmt, vielmehr sah man für ihn die übliche militärische Laufbahn vor. Sein Vater war Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg (Abb. 1), seine Mutter Charlotte Amalie, Tochter Herzog Anton Ulrichs von Sachsen-Meiningen. Augusts Status änderte sich, als der 1770 erstgeborene Ernst im November 1779 starb. Nunmehr war er designierter Thronfolger. Einen weiteren Sohn, Friedrich, hatte Herzog Ernst gewissermaßen als ›Reserve‹ im Notfall parat. August muss als Kind wahrgenommen haben, dass sein Vater Gotha zu einem Zentrum der Naturwissenschaften ausbaute. Ernst II. begeisterte sich besonders für die Astronomie und errichtete zwischen 1788 und 1791 eine feste Sternwarte auf dem Seeberg, die bald europaweit bekannt war: Franz Xaver von Zach leitete sie bis 1804. Er gab ab 1798 die Allgemeinen Geographischen Ephemeriden heraus, bildete junge Wissenschaftler wie etwa den bekannten späteren Astronomen und Staatsmann Bernhard August von Lindenau aus und bereitete die Landesvermessung Thüringens vor.2 Er, wie andere Persönlichkeiten, die Ernst II. in den Staatsdienst aufgenommen hatte, wirkte unter Herzog August, dem zahlreiche Zeitgenossen große Menschenkenntnis zuschrieben, weiter. Hans Wilhelm von Thümmel machte dieser selbst zum Minister (Abb. 2).3 Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist auch das Gothaer Original Johann Georg August Galletti, der von einem italienischen Opernsänger abstammte. Der Historiker und Geograf war seit 1778 an Gothas Gymnasium Illustre Professor und veröffentlichte als Landeshistoriograf eine fünfbändige Geschichte und Beschreibung des Herzogtums Gotha sowie eine sechsbändige Geschichte Thüringens. Er publizierte ab 1808 auch die erste Geschichte der Französischen Revolution. Skurril wegen seiner Zerstreutheit, gehört der international anerkannte Gelehrte zu den besonderen »Typen« Gothas, die den Erbprinzen und späteren Herzog sicherlich prägten. Zum Kreis der Gothaer Spezialisten zählen der mit Herzog August fast gleichaltrige Karl Ernst Adolf von Hoff (Abb. 3), der als Mineraloge und Geologe Staatsbeamter wurde,4 sowie der Geologe, Paläontologe und Staatsmann Ernst Friedrich von Schlotheim, der 1817 erst Kammerpräsident, 1818 dann Oberhofmarschall wurde und als Geologe – auch er Mitglied der Leopoldina – mit Hoff zusammenarbeitete.5 Ebenfalls nennen muss man den noch von Ernst II. 1804 als Hofmaler angestellten Maler Friedrich Johann Christian Kühner,6 dem August 1805 eine siebenjährige Bildungsreise nach Italien ermöglichte: Eine Grundeigenschaft Augusts war seine Großzügigkeit gegenüber Menschen, die ihm förderungswürdig erschienen. All jene und viele weitere, im wesentlichen Naturwissenschaftler, aber auch Künstler, umgaben den Herzog von Jugend an; ihre Spezialfelder hatte er schätzen gelernt. Seine Erziehung wurde ab 1779 Freiherr Joachim von der Lühe aus Stuttgart anvertraut, ebenso wie Herzog Ernst II. Freimaurer und der Gothaer Loge Zum Rautenkranz sowie dem Illuminatenorden angehörend, in dem Lühe den höchsten Grad im zwölfstufigen Ordenssystem innehatte. Auch dessen dichterisch begabte Frau Caroline, geborene von Brandenstein, eine früh musikalisch geförderte Frau, die regelmäßig in Almanachen7 Gedichte veröffentlichte und ab etwa 1780 mit von der Lühe verheiratet in Gotha ein großes Haus führte, übte wahrscheinlich Einfluss auf die ästhetische Bildung des jungen Prinzen aus.8 Später wurde August gemeinsam mit seinem Bruder Friedrich von Samuel Élisée Bridel-Brideri aus der französischen Schweiz unterrichtet. Bridel-Brideri betrieb die Erforschung der Moose (Bryologie) und veröffentlichte dazu mehrere Arbeiten; er war Mitglied der Akademie Leopoldina und ab 1804 Geheimer Legationsrat und Bibliothekar am Gothaer Hof. Abb. 1 Unbekannter Künstler, Herzog Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg, Öl auf Leinwand, um 1800. Stiftung Schloss Friedenstein Gotha

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