Leseprobe

— 233 — Reines Eisen kommt in der Natur nur selten vor. Dieser Umstand und die äußerlich löchrige Struktur des Eisens, das im Innern »voll gelber spröder Steinchen« war, machten den Fund zu einem Rätsel, das im Jahr 1794 der Wittenberger Physiker Ernst Florens Friedrich Chladni löste. In seiner Schrift Ueber den Ursprung der von Pallas gefundenen und anderer ihr ähnlicher Eisenmassen vertrat er eine revolutionäre These: Das Pallas-Eisen müsse einen außerirdischen Ursprung haben und mit Sternschnuppen, »Feuerkugeln« und daraus herabfallenden Objekten in engem Zusammenhang stehen. Diese Ansicht stand im Widerspruch zur Lehrmeinung, wonach vom Himmel fallende Steine durch Kondensation aus irdischen Dünsten oder mit Vulkanausbrüchen erklärt wurden. Chladni ging noch einen Schritt weiter, indem er postulierte, dass Eisen ein Hauptbestandteil bei der Bildung der »Weltkörper« sei und auch das Erdinnere eine große Menge davon beherberge. Seine Meteoritentheorie entwickelte er mithilfe von Literaturstudien in den Bibliotheken der Sternwarte Gotha sowie der Universitäten Göttingen und Leipzig. Anfänglich unterstützten ihn nur wenige Zeitgenossen, darunter der Gothaer Astronom Franz Xaver von Zach und der Freiberger Mineraloge Abraham Gottlob Werner, der die Natur der grüngelben Einschlüsse im Pallas-Eisen erkannte. Es handelt sich um das von ihm beschriebene Mineral Olivin, ein Silikat, das nach heutigen Erkenntnissen der Hauptbestandteil des oberen Erdmantels ist. Fragmente des Krasnojarsk genannten Meteoriten gelangten, nachdem der Block nach St. Petersburg verbracht worden war, von der dortigen Akademie durch Tausch oder Verkauf 82 in Naturalienkabinette weltweit. Das Gothaer Teilstück stammt aus der Sammlung des 1817 durch Herzog August zum Kammerpräsidenten ernannten Naturforschers Ernst Friedrich von Schlotheim, der mit Chladni im engen Kontakt stand. CE Quellen und Literatur Pallas 1778, S. 315 f.; Chladni 1794; Jeremejewa 1980, S. 335; Martens 1982, S. 19; Hoppe 2002, S. 99 f. 83 Stein meteorit Olivin-Hypersthen Chondrit L5 (»Gothaer« Teilstück) 6 × 5 × 3 cm, 122 g SSFG, Inv.-Nr. MNG-1153 Provenienz: Erworben von Wilhelm Ernst Braun, Aufseher der herzoglichen Kunst- und Naturaliensammlung unter Herzog August von Sachsen-Gotha-Altenburg. Es war ein Mittwoch, der 13. Oktober 1819. Frühnebel hing über dem Hain- und Saugraben, der Flurgrenze zwischen Langenberg und Pohlitz bei Gera. Die Bewohner der Gegend sollten an diesem Tag Zeugen eines seltenen Ereignisses werden, das zuerst durch den fürstlich-reußischen Hofrat und Leibarzt zu Köstritz, Karl Schottin, belegt ist. Aufgrund seiner Bekanntschaft mit Goethe und eines

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