Leseprobe

— 201 — begehrt, da sich die von ihm verwendete Technik der Crayonmanier mit einer fein nuancierten Licht-SchattenModellierung hervorragend für die Wiedergabe klassischer Vorbilder – sei es bei Interieur oder Schmuck – eignete und damit dem zeitgenössischen Geschmack sehr entgegenkam. Die Beliebtheit der Drucke Bartolozzis zeigt sich durch ihre Weiterverbreitung in kunsthandwerklichen Produkten. In unserem Fall wurden die drei nach antiken Gemmen gearbeiteten Rundbilder für die Fächerproduktion genutzt. Vermutlich war es der mit Bartolozzi eng zusammenarbeitende und ebenfalls aus Italien stammende Maler Antonio Poggi, der die Reproduktionen zu Fächerentwürfen weiterverarbeitete. Auf die Fächerproduktion war er spezialisiert. Der Gothaer Fächer zeigt jedoch, dass die gedruckte Vorlage Poggis nicht einfach unverändert übernommen wurde, sondern der Fächermaler allein die Medaillons ausschnitt und auf ein nicht bedrucktes Velinpapier montierte, das er anschließend in Handarbeit minutiös mit Arabeskendekorationen in Wasserfarben bemalte. So entstand ein original bemaltes Fächerblatt. Im Ergebnis passen die Druckgrafiken und die Malerei hervorragend zusammen, und es entstand ein sehr qualitätvoller Fächer, der sich unübersehbar an antiken Vorbildern orientiert. Die Medaillons enthalten Szenen aus dem antiken Mythos von Amor und Psyche. Im linken Medaillon ist die geflügelte Psyche mit Zepter und Kugel zu sehen, die beiden anderen Medaillons zeigen Amor. Im mittleren reitet er auf einem Löwen und spielt gleichzeitig auf einer Lyra, die Darstellung im rechten Medaillon zeigt ihn mit Keule, Bogen und Bärenfell. Dabei handelt es sich um die Symbole des antiken Heros Herakles, der mit seinen körperlichen Kräften unvorstellbare Taten vollbrachte. Indem Amor mit diesen Attributen ausgestattet wird, soll veranschaulicht werden, dass die Kraft der Liebe stärker ist als jede andere Macht dieser Welt. TPH Quellen und Literatur Däberitz 2007, S. 124, Nr. 55. 62 a 62b

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