Leseprobe

— 200 — 61 Faltfächer mit chinoiser Malerei vermutlich China (Gestell) und England (Blatt) um 1750 Gestell: Bambus mit schwarzem Lacküberzug, Golddekor und Perlmutteinlagen; Blatt: Papier; Fächerkopf: Elfenbein, Messingdorn Wasserfarbenmalerei Blatt geöffnet: 46,2 cm SSFG, Inv.-Nr. K25F Provenienz: Sammlung Herzog Augusts von Sachsen-Gotha- Altenburg. Der Fächer zeigt auf dem Blatt insgesamt sechs Figuren, zwei davon sitzen auf dem Boden unter einem Baum, eine ist mit einem Spinnrocken beschäftigt. Die anderen Frauen und ein Mann sind stehend dargestellt, in graziöser Haltung mit geneigtem Kopf und einer gestischen Handbewegung, die Sublimität und Anmut ausdrückt. Eine Frau und der Mann halten einen Sonnenschirm, die rechts positionierte Dame steht auf einer kleinen Insel. Die Szenen sind in eine garten- oder parkähnliche Landschaft versetzt. Im Hintergrund sind Bäume und Tische mit Blumenvasen zu sehen. Die Bildfläche des Fächerblatts ist durch Kartuschen in drei Bereiche strukturiert. Die Ränder dieser Rahmenwerke sind wahlweise geschweift oder rechteckig gehalten. Die größere mittlere Szene scheint die anderen, angrenzenden Szenen zu überlagern. Die hochgesteckten Frisuren und Gewänder machen unmissverständlich deutlich, dass der asiatische Kulturraum gezeigt wird. Gerade die rocailleartigen Rahmungen, die sich gut in die europäischen Dekorationssysteme der Zeit einordnen lassen, sind jedoch ein Beleg dafür, dass es sich um eine europäische Produktion handelt, die chinesische Fächer imitiert. Die Chinoiserie war ein europäischer Stil im 17. und 18. Jahrhundert, der sich an asiatischen Vorbildern orientierte, diese aber neu zusammenstellte oder arrangierte. Auslöser für diese Mode waren die zunehmenden Handelskontakte durch die Ostindien-Kompanie und die qualitativ überragenden Produkte aus Fernost mit ihren besonderen Themenkreisen und Motiven. Die Asienbegeisterung reichte von der Gestaltung ganzer Schlossanlagen bis hin zu modischen Accessoires wie Kleidern oder Fächern. In China wurden für einen wachsenden europäischen Absatzmarkt gezielt entsprechende Produkte gefertigt. Dies legt auch die kunstvolle Gestaltung des schwarz lackierten Fächergestells aus Bambus mit Goldapplikationen und Perlmutteinlagen mit der Darstellung eines Phönixes nahe, der in China ein Glückssymbol ist. Das Fächergestell wurde in Asien hergestellt und anschließend in Europa mit einem dazu passenden Motiv ausgestaltet. TPH Quellen und Literatur Däberitz 2007, S. 42, Nr. 15. 61 62 Faltfächer mit Amor und Psyche England, vermutlich Antonio Poggi nach 1780 Gestell: Holz mit rotem Lacküberzug und Golddekor; Blatt: Velin Wasserfarbenmalerei Blatt geöffnet: 46,2 cm SSFG, Inv.-Nr. K53F Provenienz: Sammlung Herzog Augusts von Sachsen-Gotha- Altenburg. Selten lässt sich die Herkunft der Motive so gut wie bei diesem Fächer nachvollziehen. Der aus Florenz stammende Kupferstecher Francesco Bartolozzi fertigte in London ab 1764 vor allem Reproduktionsgrafiken nach Zeichnungen, Gemälden und Antiken. Zu Letzteren gehörten auch Gemmen, wofür die Rundbilder des Gothaer Fächers ein Beispiel sind. Die Grafiken Bartolozzis wurden im Verlag von William Dickinson in der Bond Street herausgegeben. Sie waren überaus

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