Leseprobe

— 115 — schiedener Sitzungen oder auch, wenn er selbst diktierte, nebenbei künstlerisch betätigte und Skizzen von Landschaften oder Karikaturen verfertigte (vgl. Kat.-Nr. 12, 14–19). Die kleine Federzeichnung aus dem Besitz Reichards ist aber die einzige überlieferte Landschaftszeichnung des Herzogs, die nicht noch von einem anderen Künstler überarbeitet wurde. Sie zeigt in authentischer Manier den Stil ebenso wie das Können des Autodidakten auf dem Gebiet der grafischen Künste: Sehr versiert erscheinen seine linearen Kompositionen, deren skizzenhafter Charakter besonders auch auf die Ferne hin eine stimmungsvolle Wirkung entfaltet. UE Quellen und Literatur Uhde 1877, S. 494. 14 Landschaft mit gotischem Gebäude und Weiher mit zwei Schwänen Herzog August von Sachsen-GothaAltenburg und Joseph Grassi um 1804–1817 grau gefärbtes Papier Bleistiftzeichnung, mit Pinsel und Feder in Braun, Ocker, Weiß und Grau aquarelliert, auf blauem Untergrundpapier kaschiert Zeichnung: 13,1 × 21,3 cm; Untergrund: 16,6 × 25,1 cm SSFG, Inv.-Nr. C1,190.53 Provenienz: 1822–1832 Herzogin Caroline Amalie von Sachsen-GothaAltenburg; seit 11. September 1832 Kunstkabinett auf Schloss Friedenstein. Am 11. September 1832 übereignete Herzogin Caroline Amalie von Sachsen-Gotha-Altenburg den »Friedensteinischen Landes-Sammlungen für Kunst und Wissenschaft«, wie sie in dem dazugehörigen Schreiben vermerkte, ein Konvolut von 68 Zeichnungen, die von »Herzog August [...] erfunden und gezeichnet, und von Joseph Grassi in Sepia und Kreite ausgeführt« worden waren. Bei diesen bislang unveröffentlichten Zeichnungen handelt es sich ausnahmslos um Darstellungen von Landschaften, die überwiegend von Uferszenerien und Bergansichten, selten von raumgreifenden Architekturen dominiert werden. Die vielfach menschenleeren Ansichten vermitteln einen Eindruck romantischer, teils wilder Natur, in der die Zeichen vergangener Zivilisationen zu verschwinden drohen, wenn etwa eine Burg im Strom eines Wasserlaufs bereits zur Hälfte versinkt, Wegkreuze oder Mariensäulen nur noch windschief emporragen oder aber lediglich der obere Teil antiker Tempelruinen hinter bewachsenen Hügeln hervorlugt. Der Zahn der Zeit nagt aber nicht nur an den von Menschenhand geschaffenen Objekten, gelegentlich zeigen abgestorbene Bäume oder Äste ebenfalls die Vergänglichkeit an. Belebung erfahren die Darstellungen zumeist nur durch einzelne in der Luft fliegende Vögel; bisweilen treten andere tierische Akteure wie Esel, Hund, Schafe, Schwäne oder Hirsche auf, die aber dennoch klein und bedeutungslos angesichts der prachtvollen und mächtigen Natur erscheinen. Die wenigen Menschen, die in die Szenerien eingebettet sind, gehen ihrem Tagwerk nach, sei es, dass sie angeln oder Schafe hüten, sei es, dass sie auf Wanderschaft sind. Sie sind ebenso wie die Tiere nur Statisten – die eigentliche Hauptrolle spielt die Natur. 14

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