Leseprobe

Jean Paul erklärte, er sei ein »personificierter Nebel«,1 Karoline von Bechtolsheim hielt ihn noch im hohen Alter für einen »seltsamen Manne […], der, von Phantasie, Witz und Geistesfülle strotzend, der verkehrteste Kopf war«, dem sie je begegnet sei.2 Madame de Staël fand ihn »origineller als alle anderen Deutschen«, die sie kennengelernt habe: »er besitzt genügend Geist, gemischt mit Torheit, ein seltsames Gemisch, das, wenn man ihm zum ersten Male begegnet, ganz amüsant ist; er trägt dick auf und hat genügend philosophische Tiefe; sein Geschmack ist durchaus feminin, aber sein Geist ist ziemlich kühn.«3 Der Gothaer Kriegsrat Reichard erklärte, es sei niemandem möglich gewesen, die »buntscheckige Vielseitigkeit seines Wesens« zu erfassen, und betonte, August sei »im Umgange der liebenswürdigste, aufheiternste, geistreichste, verständigste glänzendste, hochsinnigste, decenteste, würdevollste Sterbliche; allein er konnte in ganz demselben Grade auch das grelle Gegentheil von dem allen sein.«4 Ohne Zweifel gab Emil Leopold August von Sachsen-Gotha-Altenburg seinen Zeitgenossen Rätsel auf. 1772 als zweiter Sohn des Herzogs Ernst II. und der Herzogin Charlotte Amalie von Sachsen-Gotha-Altenburg geboren, machte ihn der Tod seines älteren Bruders 1779 unerwartet zum Thronfolger. 1804 trat er die Regierung an. Wie sein jüngerer Bruder Friedrich litt er an einer als Albinismus bekannten Stoffwechselerkrankung, die sich in einer Fehlstellung der Augen, weißblonden Haaren und blasser Haut bemerkbar machte. Aufgrund seiner Sehschwäche schrieb August selten selbst, sondern diktierte lieber; er trug Perücken und schminkte sich stark.5 Dessen ungeachtet galt er als einer der schönsten Männer seiner Zeit. Ungewöhnlich, widersprüchlich, rätselhaft – Herzog August von SachsenGothaAltenburg 1 Isler 1879, S. 201, Jean Paul an Villers, 17. September 1810. 2 Oberndorff 1902, S. 103 f. 3 Götze 1928, S. 29. 4 Uhde 1877, S. 503. 5 Vgl. Binzer 1877, S. 100; Emde 2004, Bd. 1, S. 183.

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