Leseprobe

— 30 — Infolgedessen beschränkten sich die Ankäufe Augusts für das Chinesische Kabinett nicht auf seltene, kostbare Kunstwerke, sondern unter ihnen finden sich ebenso lebendige und präparierte Tiere und Pflanzen, exotische Materialien und Alben mit Genre- und Architekturdarstellungen, die einen umfassenden Einblick in die ostasiatische Um- und Lebenswelt geben (Kat.-Nr. 70).26 Der Herzog trug damit eine Kollektion im völkerkundlichen Sinne zusammen, die noch Jahrzehnte später durch den Direktor des Herzoglichen Kunst- und Naturalienkabinetts Johann Heinrich Möller in seiner Ethnographischen Übersicht des chinesischen Reiches. Als Wegweiser durch das Chinesische Cabinet von 1850 gewürdigt wurde. Äußerst lobend hob Möller hervor, dass August unter hohen Kosten thematische Lücken durch passende Bildwerke und Holzschnitte geschlossen habe.27 Eines der selbsterklärten Ziele des Herzogs war es, ein chinesisch-kaiserliches Prunkgemach nachzubilden. Zu diesem Zweck bestellte er einen »[d]etaillirten, colorirten und nach großen Proportionen aufgenommenen Auf- und Grund-Riß eines ächt chinesischen kaiserlichen Prunck-gemach[s]«, damit er in der Lage wäre, dieses Vorbild detailgetreu nachzuahmen und auszustatten, sodass »jede Lampe, jeder Leuchter, jede Kiste und Kasten, jedes Bild & Säule nachgebildet seyn«.28 Entgegen einer in der jüngeren Forschung vertretenen Annahme löste August zur Realisierung des Chinesischen Kabinetts aus der Kunstkammer keine oder nur wenige ostasiatische Bestände heraus.29 Im Kunstkammerinventar von 1764 sind zwar unter seiner Regierungszeit Entnahmen vermerkt, diese stellte er aber wahrscheinlich primär in seinem Appartement aus.30 Erst unter Friedrich IV. wurden 1824 dezidiert für das Chinesische Kabinett Gegenstände aus der Kunstkammer entnommen und dieses maßgeblich erweitert.31 Anders als der Name vermuten lässt, fanden aber bereits zur Zeit Herzog Augusts nicht allein Werke aus China, sondern ebenso aus Japan, Indien, Korea, Indonesien und Europa in das Kabinett Eingang.32 A egyptiaca – Ägyptomanie – Orientalisches Museum »Egypten reizt mich«,33 äußerte Herzog August 1818 gegenüber dem in Gotha geborenen und zu dieser Zeit in London lebenden Kaufmann Karl Joseph Meyer, als dieser mit dem Gedanken spielte, es dem Wissenschaftler Ulrich Jasper Seetzen (Abb. 4) gleichzutun und den Orient zu bereisen. Wissend, dass August Seetzen bei dessen Expedition jahrelang unterstützt hatte,34 offenbarte Meyer dem Herzog seine noch unausgereiften Reisepläne. Trotz der fehlenden Bildung Meyers und der damit einhergehenden Aussichtslosigkeit des Vorhabens redete August ihm dieses nicht aus, sondern bestärkte ihn im Gegenteil darin, nach Ägypten zu reisen, weil er dies als Möglichkeit sah, seine Sammlung ägyptischer Altertümer nochmals zu erweitern. Dabei waren die umfangreichen Bestände, die ihm Seetzen zwischen 1804 und 1809 geschickt hatte und unter denen sich zahlreiche Aegyptiaca befanden, zu diesem Zeitpunkt nur teilweise ausgepackt und aufgearbeitet, nachdem Seetzen 1811 auf seiner Expedition ums Leben gekommen war.35 Lediglich die Handschriften und andere Schriftstücke sowie einige Kostbarkeiten, an denen der Herzog Gefallen fand – wie geschnittene Steine Abb. 4 Frederik Christiaan Bierweiler nach Eberhard Christian Dunker, Ulrich Jasper Seetzen, Schabkunst auf Papier, verlegt 1818 in Jever. Stiftung Schloss Friedenstein Gotha

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