Leseprobe

Gestern? Freiburg und Kolonialismus Heute!

Freiburg und Kolonialismus: Gestern? Heute! Für die Städtischen Museen Freiburg herausgegeben von Beatrix Hoffmann-Ihde

9 Einleitung Beatrix Hoffmann-Ihde 14 Katalogteil 39 Kolonialismus überwinden – Bildung für nachhaltige Entwicklung 42 Über die Sammler_innen: Antonie Th. Brandeis, Lotharia Müller, Adolf B. Heemke, Karl-Heinz Krieg 1 7 Freiburg und Kolonialismus 175 Zur Aufarbeitung der Bestände aus kolonialen Kontexten der Ethnologischen Sammlung des Museums Natur und Mensch Tina Brüderlin 178 Katalogteil 214 Vom eurozentrischen Denken zum universellen Wissen 220 Über die Sammler_innen: Konrad Guenther, Wilhelm Lebahn, Arthur Speyer I, Otto E. Strasser 5 7 Wissenschaft und Aneignung 2 7 47 Freiburg und christliche Mission Beatrix Hoffmann-Ihde 52 Katalogteil 71 Kampf um Selbstbestimmung 76 Über die Sammler_innen: Karl Dürr, Konrad Kraehe, Karl Sauer, Paul L. Werber Mission und Widerstand 6 7 225 »Eine freudige Bewegung geht durch das deutsche Volk« Die Aktivitäten kolonialistischer Vereine und Netzwerke in Freiburg Heiko Wegmann 229 Katalogteil 248 Sprache macht Rassismus 264 Über die Sammler_innen: Eugen Fischer, Karl H. L. Schick, Wilhelm Winterer, Eugen Brandeis Propaganda und Popularisierung 7 Vorwort Tilman von Stockhausen

81 Die Europäische Expansion Susanne Kuß 85 Katalogteil 121 Kritische Kartografie – Weltbilder auf den Kopf stellen 128 Über die Sammler_innen Franz J. Rebay von Ehrenwiesen, Anton Lübbert, Hugo Ficke, Kurd Schwabe 3 7 Expansion und Krieg 269 Partizipation als Methode postkolonialer Ausstellungspraxis Beatrix Hoffmann-Ihde 273 Katalogteil 282 Kolonialismus: Was hat das mit mir zu tun? 283 Über die Sammler_innen: Hans Houben, Theodor G. Leutwein 7 7 Let’s decolonize our world 4 7 133 Koloniale Kontinuitäten und imperiale Lebensweise Sylvia Holzhäuser-Ruprecht, Jonas Bauschert, Carolin Bersin, Dagmar Große 137 Katalogteil 157 Nachhaltig handeln statt ausbeuten 170 Über die Sammler_innen Robert W. Beirer, Johannes Ch. E. Heldt, C. Friedrich Rosset, C. Wilhelm Rosset Konsum und Ausbeutung 286 Autor_innenverzeichnis 288 Literaturverzeichnis 295 Impressum Anhang

Deutsches Reich mit deutschen Kolonialgebieten, 1914

7 Der Umgang mit dem kolonialen Erbe wird in Deutschland seit einigen Jahren intensiv diskutiert. Deswegen war es für die Städtischen Museen Freiburg jetzt an der Zeit, das Thema Kolonialismus in einer großen kulturgeschichtlichen Ausstellung aufzuarbeiten. So wie in den Jahren 2016/17 die Ausstellung »Nationalsozialismus in Freiburg« ein wichtiger Baustein auf dem Weg zur Gründung eines Dokumentationszentrums Nationalsozialismus gewesen ist, so wird hoffentlich die jetzige Ausstellung »Freiburg und Kolonialismus: Gestern? Heute!« eine ähnliche stadtgesellschaftliche Wirkung entfalten – aber vielleicht auch weit über Freiburgs Grenzen hinaus als ein Versuch wahrgenommen, sich kritisch mit diesem Aspekt deutscher Geschichte auseinanderzusetzen. In Freiburg waren die städtischen Sammlungen von Anfang an universell angelegt. Dazu zählten immer Zeugnisse der Weltkulturen. Deswegen gehört die Ethnologische Sammlung in Freiburg zu den bedeutendsten ihrer Art im kommunalen Besitz. Schon lange stand die Geschichte dieser Sammlung im Fokus der Museumsarbeit. Bereits 1995 wurde unter der Leitung der damaligen Direktorin des Adelhausermuseums für Völkerkunde, Eva Gerhards, mit dem Begleitbuch »Als Freiburg die Welt entdeckte. 100 Jahre Museum für Völkerkunde« die problematische Herkunft einiger Teile der Sammlung thematisiert. Vor zwei Jahren stand mit der Ausstellung »Ausgepackt! 125 Jahre Geschichten(n) im Museum Natur und Mensch«, das aus dem Museum für Natur- und Völkerkunde hervorgegangen ist, erneut die Geschichte des heutigen Museums im Vordergrund. Der Katalog dieser Ausstellung von Tina Brüderlin, Stefanie Schien und Silke Stoll setzte hier neue Maßstäbe. Schon seit vielen Jahren gibt es in Freiburg aber auch eine engagierte Debatte über koloniale Strukturen und deren Ursachen. Die Bildungsinitiative freiburg-postkolonial.de war in Freiburg bereits aktiv, als an anderen Orten Deutschlands diese Aufarbeitung der eigenen Geschichte noch lange kein Thema war. Im Kontext der Arbeit von freiburg-postkolonial entstanden bereits einige wegweisende historische Forschungen; Bernd-Stefan Grewe, Markus Himmelsbach, Johannes Theissen und Heiko Wegmann seien hier als wichtige Autoren genannt. Entstanden ist diese Ausstellung als eine Gemeinschaftsproduktion des Museums Natur und Mensch und des Augustinermuseums. Kritisch begleitet wurde die Vorbereitung durch den wissenschaftlichen Beirat, dem unser herzlicher Dank gilt. Wegen der Corona-Pandemie konnte allerdings nicht so oft getagt werden, wie das ursprünglich geplant war. Die wissenschaftliche Leitung dieses Ausstellungsprojekts lag in den Händen von Beatrix Hoffmann-Ihde, verantwortlich für das Ausstellungsmanagement war Mirja Straub. Intensiv wurde im Rahmen der Vorbereitung diskutiert, wie partizipative Elemente in die Ausstellung integriert werden können, und durch das konsequente Engagement der wissenschaftlichen Projektleiterin ist es gelungen, in die Ausstellung verschiedene partizipative Formate einzubinden, auch im Rahmen einer engen Zusammenarbeit mit verschiedenen Kooperationspartner_innen in Namibia. Ein Ergebnis dieser partizipativen Kooperation sind die »Blank Spaces«, Freiräume, die für die Gestaltung von externen Akteur_innen reserviert waren, um ihre Perspektive auf das Thema der Ausstellung, die Aufarbeitung des Kolonialismus und seiner Folgen einzubringen. Allen Mitwirkenden sei dafür sehr herzlich gedankt. Der Ausstellungsaufbau und die Vorbereitung waren diesmal sehr herausfordernd, nicht nur, weil so viele unterschiedliche Objekte gezeigt werden, sondern weil ebenso immer wieder die Frage diskutiert werden musste, ob man ein bestimmtes Zeugnis der kolonialen Vergangenheit überhaupt zeigen darf. Diese Frage hat sich das Ausstellungsteam nicht leicht gemacht. Mitgeholfen bei der Bearbeitung dieser Frage hat das Team des Designbüros pingundpong in Zusammenarbeit mit Alexander Poetzsch Architekten in Dresden. Dank richtet sich an das Aufbauteam in Freiburg mit den Werkstätten unter Ansgar Brandstätter, den Restauratorinnen und Restauratoren. Hier ist vor allem Kai Miethe zu erwähnen, der die Lichtplanung koordinierte. Ein so umfassendes Ausstellungsprojekt ist wie immer Teamwork, alle Mitarbeitenden der Städtischen Museen haben hier wieder Großes geleistet. Nun bleibt zu hoffen, dass die Ausstellung Diskussionen in der Stadtgesellschaft anregt und dieses Kapitel der Geschichte kritisch beleuchtet. Für die Museen werden die Debatten weitergehen, denn im Nachgang dieser Ausstellung wird sich auch der Diskurs über die Provenienz der Objekte und zu möglichen Restitutionen fortsetzen. Weitere Provenienzforschung und die möglichst vollständige Digitalisierung der Bestände der Ethnologischen Sammlung sollen für diesen Prozess die notwendige Transparenz schaffen. Tilmann von Stockhausen Vorwort

8 1 7 Freiburg und Kolonialismus

9 Was hat Freiburg mit dem Kolonialismus zu tun? Dies ist eine Frage, die während der Vorbereitung dieser Ausstellung oft im Raum stand. »Sehr viel«, war darauf eine Antwort, und »wenig Spektakuläres«, denn Freiburg war kein »key player« weder des europäischen noch des deutschen Kolonialismus, aber Teil einer Gesellschaft, die den Kolonialismus getragen, gestützt und letztlich maßgeblich ermöglicht hat. Freiburgs Bevölkerung unterstützte das koloniale Projekt auf der Ebene einzelner Personen durch aktive militärische, ökonomische oder wissenschaftliche Beteiligung, vor allem aber war es die gesamte Stadtbevölkerung, die in unterschiedlichsten Zusammenhängen durch ihren Alltag, den Konsum von Waren, Bildern und Gedankengut mit dem Kolonialismus verflochten war. Diese mit dem Kolonialismus verwobenen Facetten des Alltags, die weit in das persönliche Leben der Menschen reichten, sind das Spannende am Ausstellungsprojekt »Freiburg und Kolonialismus: Gestern? Heute!«. Sie machen deutlich, dass – unabhängig vom persönlichen Engagement – sich der oder die Einzelne auf der Seite der Gesellschaft, die Kolonialismus ausübte, diesem ebenso wenig entziehen konnte wie diejenigen in den kolonial unterdrückten Bevölkerungen. Eine solche Durchdringung der jeweiligen Gesellschaften bedeutet gleichzeitig, dass vom Kolonialismus geprägte Strukturen, aber auch Vorstellungen und Haltungen auf beiden Seiten tief in das kollektive Bewusstsein eindrangen, in nächste Generationen vererbt wurden und bis in die Gegenwart nachwirken. Die Ausstellung zeigt daher nicht nur aus historischer Perspektive, auf welche Weise die Freiburger Stadtgesellschaft mit dem Kolonialismus verflochten war, sondern ebenso, wie diese Verflechtungen bis in die Gegenwart fortwirken. Sie belegt, dass wir umgeben sind von Spuren der Kolonialzeit (vgl. von Poser & Baumann 2016: 15). Nicht nur die deutsche Gesellschaft, ob in Freiburg oder andernorts, ist von diesen Spuren umgeben, sondern auch – oder sogar vor allem – die Gesellschaften, die kolonial unterdrückt worden sind. Dies und damit die gemeinsame Geschichte verbindet uns heute mit diesen Gesellschaften. Die Ausstellung und der Katalog sind daher eine Einladung, sich in Bezug auf die Stadt Freiburg und ihr Umland sowie mit Blick auf die deutsche Gesellschaft insgesamt kritisch mit der Geschichte und den Folgen des europäischen, vor allem aber des deutschen Kolonialismus auseinanderzusetzen. Einleitung Beatrix Hoffmann-Ihde

10 Was nun ist Kolonialismus eigentlich? Nach historisch-politischen Definitionen, wie sie etwa Jürgen Osterhammel und Jan Jansen geben, ist »Kolonialismus eine Herrschaftsbeziehung zwischen Kollektiven, bei welcher die fundamentalen Entscheidungen über die Lebensführung der Kolonisierten durch eine kulturell andersartige und kaum anpassungswillige Minderheit von Kolonialherren unter vorrangiger Berücksichtigung externer Interessen getroffen und tatsächlich durchgesetzt werden« (2017: 20). Kolonialismus, so Bernd-Stefan Grewe (2018: 20), lässt sich aber ebenso als »kulturelles Phänomen und als eine mentale Struktur« beschreiben, welche er als nicht abgeschlossen sieht. So verstanden, äußert sich Kolonialismus zum Beispiel auch heute noch als weißes, westliches Überlegenheitsgefühl gegenüber allem, was vom Eigenen, als dem normativ Gesetzten, abweicht. Nach diesem Verständnis ist der Kolonialismus auch heute nicht beendet und hat maßgeblichen Einfluss auf das Verhältnis zwischen dem Globalen Süden, zu dem ehemals kolonial unterdrückte Staaten und Gesellschaften gehören, und dem Globalen Norden, zu dem die ehemaligen Kolonialmächte gehören. Das Begriffspaar Globaler Süden – Globaler Norden ist der Versuch, eine wertfreie, nicht-­ hierarchische und damit auch dekoloniale Bezeichnung für die Länder zu finden, die bis zum Ende des Kalten Krieges als »Dritte Welt« und seither als »Entwicklungs- oder Schwellenländer« bezeichnet wurden. Da die Mehrheit dieser Länder nach den geltenden geografischen Kategorien südlich der sogenannten Industrienationen liegt, wo sich jedoch auch Australien oder Neuseeland befinden, verweist die Großschreibung von »Global« auf die postkoloniale Bedeutung des Begriffspaars hin (s. a. Holzhäuser-Ruprecht u. a. in diesem Band). Der europäische Kolonialismus der Neuzeit, wie ihn Osterhammel und Jansen fassen, setzt im frühen 15. Jahrhundert (1402/03) mit der sukzessiven Unterwerfung der Kanarischen Inseln unter die Herrschaft des kastilischen Königshauses ein. Eine wesentliche Voraussetzung dafür war die Entwicklung leichtgängiger Schiffe, der Karavellen, die gute Eigenschaften vor dem Wind aufwiesen (Kat. 1). Dieser Schiffstyp und der Zwischenstopp auf den inzwischen kolonialisierten Kanarischen Inseln ermöglichten Ende des 15. Jahrhunderts erstmals die sichere Überquerung des Atlantiks in beide Richtungen und im Anschluss daran die koloniale Besitzergreifung beider Amerikas. Diese erfolgte zunächst durch Spanien und Portugal, bald beteiligten sich auch die Niederlande, Großbritannien und Frankreich an der kolonialen Eroberung des Doppelkontinents. Deutsche waren an der kolonialen Aneignung der Amerikas und der Ausbeutung seiner Bewohner_innen ebenfalls aktiv beteiligt, wie etwa Hans Staden (1525–1576) oder Ulrich Schmidl (1510–1580/81) und in größerem Stil die Welser, ein Augsburger Handelshaus, das Karl V. Geld für seinen Kampf um die Kaiserkrone geliehen hatte. Zum Ausgleich für die Schulden erhielten die Welser 1528 das heutige Venezuela als Lehen und beuteten das Land und seine Menschen 30 Jahre lang aus. Sowohl Schuldknechtschaft als auch Versklavung waren die Methoden, welche Agenten des Handelshauses, wie Ambrosius Ehinger (vor 1500–1533) und Nikolaus Federmann (1506–1542), anwandten, um die indigene Bevölkerung zur Arbeit zu zwingen (Arráiz Lucca 2013: 20 ff.). Zudem brachten sie etwa 4 000 versklavte Afrikaner_innen nach Venezuela. Die koloniale Unterwerfung außereuropäischer Gebiete im Namen von Herrschern, Handelskompanien oder auch auf Initiative Einzelner beschränkte sich jedoch nicht nur auf die Amerikas, sondern erstreckte sich – beginnend mit Goa auf dem indischen Subkontinent im Jahr 1505 – nach und nach fast über den gesamten Globus. Auch daran hatten Deutsche teil, wie zum Beispiel Friedrich Wilhelm von Brandenburg, der »Große Kurfürst« (1620–1688). Um sich am Handel mit den Kolonien zu beteiligen, gründete er 1682 die Brandenburgisch-Afrikanische Compagnie (BAC) und ließ Niederlassungen in der Karibik und an der westafrikanischen Goldküste, wie Großfriedrichsburg im heutigen Ghana, errichten (von der Heyden 2002). Mit diesen Niederlassungen als Basis importierte er begehrte Luxusgüter direkt aus den Kolonien für den Verkauf an Adelshöfe und beteiligte sich an einem merkantilistischen Welthandel, der auch als atlantischer Dreieckshandel bezeichnet wird (Reinhard 1985). Mittlerweile ist dieser Begriff, der die Grundzüge der Aktivitäten europäischer Handelskompanien plastisch umreißt, umstritten, weil er die Komplexität des Geschehens auf die Bewegung eines Dreiecks zwischen Europa, Afrika und Amerika reduziert. Im Zentrum des Verkehrs stand die Verschleppung afrikanischer Menschen in die von Europäer_innen eroberten Kolonialgebiete durch Handelskompanien. Deren Schiffe brachten Feuerwaffen, Alkohol, Metallbarren, Tuche, Glasperlen und andere Manufakturwaren an die westafrikanischen Küsten. Dort tauschten sie diese gegen versklavte Menschen, die anschließend nach Süd- und Nordamerika oder in die Karibik verschleppt und auf Sklavenmärkten für die Arbeit auf den Plantagen oder in den Haushalten ihrer Besitzer und Verwalter verkauft wurden. Aus den Kolonien kehrten die Schiffe mit Genussmitteln wie Zucker, Kakao und Kaffee nach Europa zurück.1 Neben einer aktiven Beteiligung waren viele Deutsche, auch aus der Schwarzwaldregion, passiv am europäischen Kolonialismus beteiligt, indem sie ökonomisch von ihm profitierten. So wurden etwa Schiffe für den Transport zwischen Europa und den Kolonialgebieten aus Holz gebaut, das aus dem Schwarzwald kam (Kat. 6 & 7). Die Stämme, zumeist von besonders hoch gewachsenen Tannen, wurden zu sogenannten Holländerflößen zusammengebunden und über

11 Bäche und Flüsse an den Rhein und auf diesem dann in die Niederlande geflößt (Scheifele 1988; 1995). Während keiner der kleinen deutschen Staaten politisch und wirtschaftlich in der Lage war, sich auf Dauer erfolgreich am europäischen Kolonialismus zu beteiligen, veränderte die Reichsgründung 1871 diese Bedingungen grundlegend. Nun gab es einen Nationalstaat, der in politischer, militärischer und ökonomischer Hinsicht stark genug war, um sich als Kolonialmacht zu etablieren. Dies forderten vor allem wirtschaftliche Akteure, die sogleich begannen, sich in Eigenregie Gebiete kolonial anzueignen, um dann von der deutschen Reichsregierung deren »Schutz« einzufordern. So arbeiteten Kaufleute, wie etwa der bis dahin eher erfolglose Tabakhändler Adolf Lüderitz (1834–1886) aus Bremen, gezielt darauf hin, in Afrika eine Kolonie zu gründen. Lüderitz beauftragte Heinrich Vogelsang (1862–1914), für ihn an der afrikanischen Südwestküste Land zu erwerben, um dort eine Kolonie zu errichten. Vogelsang schloss 1883 mit dem Nama-Kaptein Josef Frederiks II. (?–1893), dem damaligen Chief der !Aman-Nama von Bethanie, im heutigen Südnamibia nahe Lüderitz gelegen, einen betrügerischen Vertrag über den Kauf eines Küstenstreifens in der Bucht von Angra Pequena ab. Dabei wurde der Nama-Kaptein absichtlich im falschen Glauben über die dem Vertrag zugrunde gelegten Maßeinheiten gelassen: Statt der englischen Meile (etwa 1,6 km), die ihm bekannt war, handelte es sich um die deutsche Meile (etwa 7,5 km). Damit hatte Kaptein Josef Frederiks II. ein weit größeres Landstück verkauft als von ihm beabsichtigt. Als es dann wenig später zu ersten Auseinandersetzungen mit der lokalen Bevölkerung kam, forderte Adolf Lüderitz – zusammen mit anderen deutschen Kolonialakteuren – von der deutschen Reichsregierung militärischen Schutz für die angeeigneten Gebiete. Die eigenmächtigen Aktivitäten deutscher Kolonialakteure in Afrika strahlten nach Europa aus und bedrohten den Frieden. Daher lud Reichskanzler Otto von Bismarck (1815–1898), entgegen seiner bisherigen Zurückweisung kolonialer Ambitionen, Ende 1884 Vertreter der europäischen Kolonialmächte zu Beratungen nach Berlin ein. Im Ergebnis der sogenannten Berliner Afrika-Konferenz, die bis Februar 1885 dauerte, wurde der afrikanische Kontinent ohne jegliche Beteiligung von Vertreter_innen der betroffenen Gesellschaften den Machtinteressen der beteiligten europäischen Staaten entsprechend aufgeteilt (Kat. 17). Dies war auf politischer Ebene der Einstieg des Deutschen Reiches in den europäischen Kolonialismus und Imperialismus. Als sogenannte Schutzgebiete, denn angeblich ging es »nur« um den »Schutz deutscher Wirtschaftsinteressen«, wurden 1884/85 zunächst Deutsch-Südwestafrika (DSW), Togo sowie Kamerun deklariert. Der Begriff »Schutzgebiet« verschleierte dabei, dass es um weit mehr als nur die Wahrung wirtschaftlicher Interessen in diesen Gebieten ging. Bis 1900 kamen Deutsch-Ostafrika (heutiges Ruanda, Burundi und Tansania – ohne Sansibar) sowie weitere Gebiete in Ozeanien hinzu, darunter Deutsch-Neuguinea und mehrere Inseln des Bismarck-Archipels (heute Papua-Neuguinea), die Marshallinseln, Salomonen, Karolinen, DeutschSamoa, Palau und die nördlichen Marianen sowie das chinesische Pachtgebiet Kiautschou, welches entgegen der Vertragslage vom Deutschen Kaiserreich zum »Schutzgebiet« erklärt wurde. Auf die kolonialen Aneignungen des Deutschen Reiches und die damit einhergehenden imperialistischen Einflussnahmen reagierten die lokalen Bevölkerungen mit Widerstand. Es kam zu vielen kleineren und drei großen Kolonialkriegen gegen die deutschen Invasoren. 1899/1900 richtete sich der chinesische Yihetuan yungdong (»Bewegung der Verbände für Gerechtigkeit und Harmonie«) gegen imperialistische Einflussnahmen. Seine brutale Niederschlagung durch eine Allianz von acht Staaten – Frankreich, Großbritannien, Deutschland, USA, Russland, Japan, Italien, Österreich-Ungarn, zunächst unter britischer, später deutscher Führung – wird in der Geschichtsschreibung als »Boxerkrieg« bezeichnet. In Deutsch-Südwestafrika, wo den betrügerischen Landraub mittlerweile einwandernde Siedler_innen fortsetzten, riss der Widerstand gegen die deutschen Invasoren nicht ab. Ende 1893 wurde der im nordbadischen Strümpfelbrunn geborene Theodor Leutwein (1849–1921) nach DeutschSüdwestafrika gesandt, um den Widerstand der lokalen Bevölkerungen, vor allem der OvaHerero- und Nama-Gruppen, gegen die deutsche Fremdherrschaft zu brechen. Leutwein hatte in Freiburg zunächst Jura studiert, dort aber bald zum Militär mit dem Ziel einer Offizierslaufbahn gewechselt. Im Jahr 1895 wurde er Kommandeur der »Kaiserlichen Schutztruppe« in Deutsch-Südwestafrika und drei Jahre später auch Gouverneur des »Schutzgebiets«. Er schloss mit einigen OvaHerero-Chiefs und Nama-Kapteins Friedensverträge, darunter mit Samuel Maharero (1856–1923) und Hendrik Witbooi (um 1830/1834–1905). Jedoch herrschte nie wirklich Frieden in diesem »Schutzgebiet«, denn die lokalen Bevölkerungen in Deutsch-Südwestafrika wehrten sich gegen die Eindringlinge und deren Landraub. Eine Rinderpest, die etwa 70 Prozent des Viehbestands der Nama und OvaHerero, der ihre Lebensgrundlage darstellte, vernichtete, und eine Heuschreckenplage, welche die Ernten ruinierte, verschärften die Situation, sodass es 1904 zum Krieg der OvaHerero gegen die deutsche Fremdherrschaft kam, an dem sich bald auch Nama-Gruppen beteiligten. Die Erfolge, welche die OvaHerero anfangs gegen die »Schutztruppen« errangen, führten dazu, dass Leutwein als deren Kommandeur durch Lothar von Trotha (1848–1920) abgelöst wurde. Von Trotha führte den Krieg gegen die OvaHerero und Nama erklärtermaßen mit äußerster Grausamkeit

Was hat die beliebte Schwarzwaldmetropole mit dem Kolonialismus zu tun, was haben wir damit zu tun, und wie wirkt er auf Gesellschaften, die von ihm betroffen waren? Diesen Fragen gehen die Ausstellung und der Katalog nach. Sie zeigen, dass und wie wir hier im Globalen Norden ökonomisch, politisch und kulturell von den Strukturen der Unterdrückung und Ausbeutung profitieren, die durch den Kolonialismus geschaffen wurden. Das Beispiel Freiburgs veranschaulicht, dass diese Herrschaftsform von Angehörigen aller Bevölkerungsschichten getragen wurde. Ihre Unterstützung wurzelte in einem Überlegenheitsgefühl, insbesondere gegenüber nicht-europäischen Menschen und deren physischen oder kulturellen Eigenschaften. Diese abwertende Haltung ist die Basis für Rassismus, der wirkmächtigsten Ideologie des Kolonialismus. Als solche diente er als Rechtfertigung für die Gewalt gegenüber außereuropäischen Bevölkerungen, deren Ausbeutung sowie die damit einhergehende Zerstörung ihrer ökonomischen und sozialen Lebensgrundlagen. Da der Rassismus tief im kollektiven Bewusstsein verankert ist, wirkt er bis heute in unserer Gesellschaft weiter und kann nur durch eine aktive Auseinandersetzung aufgelöst werden. BHI/AZ

15 1 Karavelle Maler: Joaquim Melo 16. Jh.: Lissabon/Portugal, Wandgemälde: Reproduktion, Convento da Madre de Deus Provenienz: aus dem Buch von José Maria Martínez-Hidalgo, Las Naves de Colon, Barcelona 1969 Der europäische Kolonialismus der Neuzeit begann Anfang des 15. Jahrhunderts mit der Inbesitznahme der Kanarischen Inseln. Die französischen Adligen Jean IV. de Béthencourt (1362–1425) und Gadifer de la Salle (1355–1422) nahmen 1402/03 auf Basis eines Vertrags mit dem damaligen Herrscher Lanzarotes, König Luis de Guadafía (1378–?), die Insel in Besitz. Es war der Beginn der kolonialen Besitzergreifung der Kanarischen Inseln für das kastilische Königshaus. Im Laufe des Jahrhunderts wurden die übrigen Inseln gegen den Widerstand der lokalen Bevölkerung unter kastilische Herrschaft gebracht. Eine Voraussetzung für diese Eroberungen waren schnelle Schiffe, wie die Karavelle. Dank der guten Eigenschaften, die dieser Schiffstyp vor dem Wind zeigt, und der Möglichkeit, sich auf den Kanarischen Inseln zu versorgen, wurde Ende des 15. Jahrhunderts die Atlantiküberfahrt bis in die Karibik und zu den beiden Amerikas möglich. BHI

3 Manille Produzent_in: unbekannt 15.–20. Jh.: Westafrika (heutiges Ghana/Togo/Benin/Nigeria), Metall/Kupfer, Museum Natur und Mensch, Städtische Museen Freiburg, Inv. I/2438 Provenienz: 1976 erworben von privat Mit dem Ziel der wirtschaftlichen Ausbeutung von außereuropäischen Kolonialgebieten wurden im 17. Jahrhundert in Großbritannien, den Niederlanden, Frankreich, Dänemark, Portugal und verschiedenen deutschen Staaten Handelskompanien gegründet. Sie dominierten im 17. und 18. Jahrhundert den Handel zwischen Europa, Westafrika und den Kolonialgebieten in Asien und den Amerikas. Dieser Handel verknüpfte den Export von Manufakturwaren nach Afrika und den Import von Rohstoffen aus den Kolonialgebieten mit der Verschleppung versklavter Menschen in die Kolonialgebiete, wo sie auf Plantagen und in Haushalten der Europäer_innen zur Arbeit gezwungen wurden. Auf westafrikanischen Sklavenmärkten dienten aus Kupfer gefertigte Manillen als Zahlungsmittel, die extra dafür in Europa hergestellt wurden. BHI 2 Trinkschale Künstler_in: unbekannt Ende 19. Jh.: Venezuela, Kalebassenfrucht (Crescentia cujete), Museum Natur und Mensch, Städtische Museen Freiburg, Inv. III/0549 Provenienz: 1902 erworben vom Museum Altona. Über die Erwerbungsumstände davor, insbesondere vor Ort ist nichts bekannt. Kaiser Karl V. verpfändete 1528 dem Augsburger Handelshaus der Welser das heutige Venezuela als Lehen. Damit wollte er seine Schulden abtragen, die er als spanischer König Karl I. im Kampf um den Kaisertitel bei diesem Handelshaus aufgenommen hatte. Im Namen der Welser wurden das Land und seine Menschen 30 Jahre lang rücksichtslos ausgebeutet. Federführend waren dabei Ambrosius Ehinger, auch Dalfinger genannt (1500–1533), und Nikolaus Federmann (1506–1542), die beide aus Ulm und Umgebung stammten. Der Vertrag mit dem Kaiser erlaubte ihnen den Import versklavter Menschen aus Afrika und die Ausbeutung der indigenen Bevölkerung Venezuelas, die mit Gewalt zur Arbeit gezwungen oder durch Tauschhandel in Schuldverhältnisse gebracht wurde. Beliebte Tauschartikel waren Glasperlen, aus denen Frauen Schamschurze fertigten, wie sie auf der Unterseite der Trinkschale dargestellt sind. BHI

17 4 Usambaraveilchen (Saintpaulia ionantha-Hybride) Foto: Axel Killian, 2022 5 Zeichnung: Saintpaulia ionantha Künstlerin: Reinhild Raistrick Um 1995: Tansania Courtesy Reinhild Raistrick Ende des 19. Jahrhunderts ebnete der deutsche Kolonialbeamte Walter von Saint Paul-Illaire (1860–1940) einer kleinen Blume aus dem bergigen Norden des heutigen Tansania, ehemals »Kaiserliches Schutzgebiet Deutsch-Ostafrika« (DOA), den Weg in die Wohnzimmer des Globalen Nordens. Auf Streifzügen durch die feucht-schattigen Wälder der Usambara-Mountains fielen ihm kleine, blau blühende Blumen auf, die ihn an Veilchen erinnerten. Er schickte ihre Samen nach Europa, wo sie erfolgreich zum Keimen gebracht und gezüchtet wurden. Heute sind gezüchtete Kulturformen der Usambaraveilchen als Zimmerpflanzen weltweit in diversen Sorten verbreitet, während das Überleben der rund 20 Wildarten stark bedroht ist. Mitte der 1990er Jahre widmete die britische Künstlerin Reinhild Raistrick (* 1940) dem Schutz der Wildformen des Usambaraveilchens ein Dokumentationsprojekt. Mithilfe lokaler Wissensträger spürte sie während eines mehrmonatigen Aufenthalts in den Usambara-Mountains zahlreiche Wildformen auf, um sie in ihren natürlichen Habitiaten zu zeichnen. Für die Künstlerin war es zugleich die Rückkehr in eine Region, in der sie geboren wurde und mit der ihre Familie verbunden ist. Raistricks Großvater, Wilhelm Bokermann (1867–1947), war in Lutindi (westliche Usambara-Mountains) ab 1895 als Missionar der Evangelischen Missionsgesellschaft Deutsch-Ostafrika (EMDOA, die spätere Bethel Mission) tätig. Die Anfänge der EMDOA gehen auf den Kolonialakteur Carl Peters (1856–1918) zurück, der die christliche Mission zur Unterstützung seiner kolonialen Machtpolitik in Ostafrika einsetzen wollte. Die Errichtung der deutschen Kolonialmacht und die damit einhergehende wirtschaftliche Ausbeutung setzten in den Usambara-Mountains einen irreversiblen Wandel der Landnutzung in Gang. Grund dafür war die Einführung des Kaffeeanbaus auf großen Plantagen, für die mehr und mehr Waldflächen, Lebensraum der Usamabaraveilchen, gerodet wurden. Dieser Prozess hält bis in die Gegenwart an, und möglicherweise sind einige der von Raistrick gezeichneten Arten heute bereits verschwunden. BHI

34 Autor_innen: Dennis Gründel, Jasmin Heising, Beatrix HoffmannIhde, Martin Jetter, Lara Nastaly, Laura Otomierczyk, Eliza Rein-Wolf, Jawin Schell, Leonie Storz, Angelina Winkler, Jenny Wybierski u. a. 2020–2022: Freiburg & Offenburg/Deutschland, Filmstill aus dem Interview mit Monika Humpert, 2021 Hochschule Offenburg Was denken Freiburger_innen über den Kolonialismus? Studierende des Masterstudiengangs »Medien und Kommunikation« an der Hochschule Offenburg haben dazu Freiburger_innen befragt: Auf welche Weise sind sie mit dem Kolonialismus verbunden? Sind sie davon betroffen? Oder profitieren sie? Was denken sie darüber? »Fragen Sie mich beim nächsten Telefonat nach Tee und Fleisch!«, rief uns MH noch nach, bevor wir auflegten. In einem kurzen Moment der Verwirrung fragten wir uns direkt, was wohl die einfachen Lebensmittel Tee und Fleisch mit dem Kolonialismus zu tun haben. Wir, eine Gruppe von vier Studierenden, hatten uns mit der Freiburgerin zu einem weiteren Gespräch zum Thema Kolonialismus verabredet. Frau H. hatte uns bereits im ersten Austausch davon erzählt, wie sie in den 1960er Jahren die Zeit in Kenia erlebte. In einem Land, welches kurz nach der Unabhängigkeit von Großbritannien vor einem Neustart stand. Bevor wir zum ersten Mal mit Frau H. im Videotelefonat sprachen, informierten wir uns über das Land Kenia. Schon nach kurzer Recherche wurde uns bewusst, was für eine komplexe, schwere und reiche Geschichte das ostafrikanische Land auf seinen Schultern trägt. Mit MH als einer Zeitzeugin zu sprechen, welche das Land in einem Umbruch erlebt hat, war daher für uns eine besonders emotionale Erfahrung. Sie erzählte uns, wie sie die Kenianer_innen erlebt und sich mit ihnen angefreundet hat, und von den verschiedenen ethnischen Bevölkerungsgruppen, zwischen denen es politische und gesellschaftliche Spannungen gab. Ein Detail ihrer Erzählungen beeindruckte uns besonders: Sie erwähnte, dass die lokale Bevölkerung für sich selbst Tee und Fleisch meist nur von minderer Qualität kaufen konnte. Dieses scheinbar unerhebliche Detail zeigte uns, dass Kenia kurz nach seiner Unabhängigkeit immer noch tief vom Kolonialismus geprägt war. MJ

41 W 35 Kinderfilm: »Kirikou und die Männer und Frauen« Filmautor: Michel Ocelot 2005/2015: Frankreich, Kunststoff/Papier, Städtische Museen Freiburg Provenienz: 2021 im Handel erworben Antirassistische Bildungsarbeit 2022: Thelma Basil ist gewähltes Mitglied im Migrant_innenbeirat (MB) der Stadt Freiburg und sitzt als »sachkundige Bürgerin« im Ausschuss für Schule und Weiterbildung (ASW). Sie engagiert sich seit vielen Jahren im Freiburger Verein Association des Camerounais de Freiburg et environs (ACAF e. V.). »Ich bin in Kamerun aufgewachsen und engagiere mich bei ACAF e. V. Indem ich Filme mit dunkelhäutigen Held_innen, wie Kiriku, zeige, möchte ich Kinder mit afrikanischen Wurzeln ermutigen, sich gegen Ausgrenzung und Rassismus zu wehren.« ThB

42 Antonie Thawka Brandeis (1868–1945) wurde am 25. März 1868 in Hamburg als Tochter der sansibarischen Prinzessin Emily Salme, geborene bint Sa’id AlSa’id (1844–1924), und des Kaufmanns Rudolph Heinrich Ruete (1839–1870) geboren. Brandeis wuchs in den großbürgerlichen Kreisen ihrer berühmten Mutter auf und verbrachte eine kosmopolitische Jugend zwischen Hamburg, Berlin, Sansibar, London, Jaffa und Beirut. 1898 heiratete sie Eugen Brandeis (1846–1930), mit dem sie im gleichen Jahr nach Jaluit auf die Marshallinseln ging, wo dieser seinen Posten als Kaiserlicher Landeshauptmann antrat. Vor Ort begann sie, Ethnografika zu sammeln, brachte sich selbst das Fotografieren bei und stellte ethnografische Beobachtungen an. Während eines Heimaturlaubs 1901/02 studierte sie Völkerkunde bei Felix von Luschan (1854– 1924) in Berlin und ließ sich 1906 in der Stadt nieder. Es folgten eine rege Tätigkeit als Autorin ethnologischer und prokolonialer Schriften, die Beteiligung an zahlreichen Kolonialausstellungen sowie ein jahrzehntelanges Engagement in der kolonialen Frauenbewegung. Nach der Scheidung ihrer Ehe 1913 lebte sie zunächst weiter in Berlin und zog dann nach Hamburg, wo sie sich weiterhin prokolonial engagierte. Sie war unter anderem 1926 an der Gründung der Kolonialen Frauenschule in Rendsburg beteiligt. Antonie Brandeis starb am 24. April 1945 bei einem Luftangriff auf Bad Oldesloe. Aus ihrer Sammlung gelangten 1900/01 zahlreiche ethnografische Gegenstände als Schenkung an das damalige Museum für Natur- und Völkerkunde in Freiburg. Weitere Bestände finden sich in Museen in Hamburg, Berlin, Stuttgart und Cambridge (USA). Die ethnografische Sammlung Brandeis’ war von 2020 bis 2022 Gegenstand eines Projekts der Provenienzforschung am Museum Natur und Mensch. Lotharia Müller (1868–1962) wurde am 12. August 1868 in Unterweschnegg/Baden, in der Nähe von St. Blasien geboren. 1891 trat sie in Milwaukee, Wisconsin/USA den Schulschwestern des Hl. Franziskus (School Sisters of St. Francis, SSSF) bei. Über die Hintergründe, wie Lotharia Müller aus einem kleinen Schwarzwaldort dorthin gelangte, ist nichts bekannt. Die Wurzeln der 1874 in den USA gegründeten Kongregation liegen jedoch im nordbadischen Schwarzach, wo seit 1859 ein Kinderheim und eine Schule von Ordensschwestern betreut wurden, die sich dem Franziskanerorden zurechneten. Infolge des Kulturkampfs musste diese Kongregation 1871 aufgegeben werden, und einige der Ordensfrauen wanderten 1873 in die USA aus. Dort gründeten sie sich 1874 in New Cassel/Wisconsin neu und hielten den Kontakt in die Heimatregion aufrecht. Denn es folgten ihnen in den nächsten Jahren offenbar weitere Frauen, die ein Leben als Ordensschwester anstrebten. Von 1895 bis 1901 hielt sich Lotharia Müller in Deutschland auf, wo die Kongregation wieder Fuß zu fassen suchte. Ende 1908 ging sie dann im Auftrag der Kongregation von den USA aus in die Südsee und war vier Jahre lang als Missionarin auf den zu Palau gehörenden Inseln Koror und Babeldaob tätig. Auf Koror arbeitete sie in einer Mädchenschule und auf Babeldaob dann in der neu gegründeten Missionsstation Melegeok. 1913 kehrte Müller in die USA zurück, weil der US-amerikanische Orden aus nationalistischen Gründen von der deutschen Kolonialverwaltung trotz seiner badischen Wurzeln ausgewiesen wurde. Während eines Aufenthalts in Deutschland überließ Müller dem Freiburger Museum 1914 eine Sammlung von ethnografischen Gegenständen und Fotografien, die sie in der Südsee zusammengetragen hatte. Wie sie die Stücke erwarb, ist nicht bekannt. Es existiert jedoch ein Brief an das Mutterhaus, in welchem Müller ethnografische Beobachtungen aus ihrem Umfeld mitteilte. Lotharia Müller verstarb am 6. September 1962 in Campbellsport/Wisconsin.

43 Adolf Bernhard Heemke (1874–?) wurde am 8. Oktober 1874 in Geestemünde/Bremerhaven geboren. Über seine Person ist wenig bekannt. Das Freiburger Museum für Natur- und Völkerkunde erwarb 1904 von Heemke insgesamt fünf Gegenstände aus dem Königreich Benin, im heutigen Nigeria gelegen. Es handelt sich dabei um drei Bronzeplatten (16./17. Jahrhundert) und zwei Armreifen. Es ist nicht eindeutig zu klären, ob Heemke die Gegenstände selbst in Westafrika erwarb bzw. sich aneignete oder ob er als Zwischenhändler fungierte. Da sich Heemke 1897 und 1900 jeweils von Hamburg aus nach Afrika einschiffte, wäre es denkbar, dass er sich direkt vor Ort in den Besitz der Gegenstände brachte. Anfang 1897 wurde die Hauptstadt des Königreichs Benin vom britischen Militär zerstört. Im Zuge dessen wurden unzählige Kunstwerke aus der Königshauptstadt geraubt und als Kriegsbeute nach Europa verschleppt, wo sie auf dem Kunstmarkt verkauft wurden. Möglicherweise wurde die Kriegsbeute bereits in westafrikanischen Hafenstädten angeboten, sodass Heemke bereits 1897 die Gelegenheit hatte, Gegenstände aus diesem Raubgut zu erwerben. Andererseits war er – zumindest zeitweilig – auch als Kaufmann für die Hamburger Handelsfirma H. Bey & Co. tätig. Über diese Handelsfirma gelangten ethnografische Gegenstände aus dem Königreich Benin an andere ethnologische Museen, zum Beispiel in Berlin. Nach derzeitigem Kenntnisstand bewahren auch das Linden-Museum Stuttgart und das MARKK, ehemals Völkerkundemuseum Hamburg, Gegenstände aus dem Königreich Benin auf, die über Adolf Bernhard Heemke in deren Bestand gelangten. Karl-Heinz Krieg (1934–2012) wurde am 5. September 1934 in Pforzheim geboren. Nach einer kaufmännischen Lehre und einer Ausbildung zum Diakon und Lehrer für evangelische Religion ging Karl-Heinz Krieg 1960 nach Ghana, wo er bis 1962 für die Basler Mission als Krankenhausverwalter arbeitete. Ab 1963 bereiste Krieg Westafrika für mehr als ein Jahr. Die Reise führte ihn nach Burkina Faso, Ghana, Mali, Nigeria und in die Republik Côte d’Ivoire. Aus Interesse am Kunsthandwerk begann Krieg schließlich, westafrikanische Kunst zu sammeln und etablierte sich als Kunsthändler. Im Auftrag des Linden-Museums Stuttgart stellte er 1964/65 eine ethnografische Sammlung von Gegenständen der Dogon und Senufo zusammen. Den Entstehungsprozess dieser Sammlung dokumentierte er sorgfältig. Karl-Heinz Krieg war bis zu seinem Tod im Jahr 2012 als Kunsthändler, Kurator und Autor tätig und unternahm jährlich Forschungsreisen nach Westafrika. Diese dienten neben dem Erwerb von Kunst- und Alltagsgegenständen, die er an Museen und Sammler_innen weiterverkaufte, auch der Dokumentation afrikanischer Kunst- und Handwerkstraditionen. Die Ethnologische Sammlung des Museums Natur und Mensch bewahrt über 400 Objekte, die von KarlHeinz Krieg gesammelt wurden.

Mit der Bibel in der Hand und dem Wort Gottes im Mund unterstützten christliche Missionar_innen die koloniale Unterdrückung. Häufig bereiteten sie ihr sogar den Weg. Mit der Verbreitung des Christentums wurden europäische Wertvorstellungen an lokale Bevölkerungen vermittelt – das sollte die Herrschaft über sie erleichtern. Weil sich die Lebensweise und Normen lokaler Gesellschaften von den westlichen unterscheiden, wurde die christliche Mission oftmals mit deren »Zivilisierung« begründet. Viele Menschen übernahmen zwar die neue Religion, manche verknüpften sie aber mit ihren bisherigen Traditionen und bewahrten diese so für die Zukunft. Auch aus Freiburg und Baden gingen junge Frauen und Männer als Missionar_innen in außereuropäische Regionen. Unterstützt wurde dies mit Geld, das die Kirche bei Gläubigen im Deutschen Reich sammelte. Somit waren auch hiesige Christ_innen fernab der Einsatzgebiete indirekt an der Mission beteiligt. Zum Sammeln des Geldes dienten besondere Spendenkästchen, die in vielen Kirchen standen. BHI/AZ

53 36 Neues Testament in chinesischer Sprache Verlag: Deutsche Bibelgesellschaft 2021: Stuttgart/Deutschland, Papier, Städtische Museen Freiburg Provenienz: 2021 im Handel erworben 37 Neues Testament in chinesischer Sprache 1864: Hongkong/China, Papier, Museum Natur und Mensch, Städtische Museen Freiburg, Inv. V/1826 Provenienz: ohne Angabe Bibelübersetzung Eine Voraussetzung für die christliche Mission ist die Übersetzung der Heiligen Schrift, also der Bibel oder zumindest wichtiger Teile, wie den Evangelien des Neuen Testaments, in eine der lokalen Sprachen des jeweiligen Missionsgebiets. Besonders bei Sprachen mit relativ wenigen Sprecher_innen war dies oftmals deren erste Verschriftlichung. Durch den Übersetzungsprozess wurden manchen Worten neue Bedeutungen zugewiesen, um westliche Vorstellungen und Ideen vermitteln zu können. Dieser extern initiierte Sprachwandel trägt Züge einer Kolonialisierung der Sprache. BHI

54 38 Altes Testament in chinesischer Sprache 1858: Shanghai/China, Papier, Museum Natur und Mensch, Städtische Museen Freiburg, Inv. V/1827 Provenienz: ohne Angabe Mission als Wegbereiterin des Kolonialismus Oft stellten christliche Missionar_innen von europäischer Seite den ersten Kontakt zu lokalen Bevölkerungen in außereuropäischen Regionen her. Ihnen folgten oftmals Händler_innen und nicht selten auch das Militär. Im 19. Jahrhundert bahnten christliche Missionar_innen in China der europäischen Einflussnahme und teilweisen Kolonialisierung den Weg. Zwar hatte es auch in den vorangegangenen Jahrhunderten Missionsversuche in China gegeben, doch blieben koloniale Eroberungen zunächst aus. Ende des 19. Jahrhunderts empfanden viele Chines_innen das Christentum als Gefahr für den Zusammenhalt ihrer Gesellschaft und es entstand der Yihetuan yungdong, die Bewegung der Gruppe für Gerechtigkeit und Harmonie. Diese »Boxerbewegung«, wie sie im Deutschen genannt wird, richtete sich gegen den zunehmenden westlichen Einfluss und das Christentum. Die Niederschlagung der Bewegung wird in der deutschen Geschichtsschreibung als »Boxerkrieg« (1899–1901) bezeichnet. Danach begann das Deutsche Kaiserreich, entgegen der Vertragslage mit China, das Pachtgebiet »Kiautschou« (Jiaozhou) als Musterkolonie aufzubauen. BHI Bibel in chinesischer Sprache Die erste vollständige Bibelübersetzung in die chinesische Sprache hatte der schottische Pastor Robert Morrison 1823 angefertigt. Damit war jedoch das große Projekt der Übersetzung nicht abgeschlossen, sondern erst eingeleitet worden. Der Grund hierfür lag nicht nur in einem Wettbewerb zwischen den beiden christlichen Religionen, sondern auch in Auseinandersetzungen um die richtige Wortwahl und Nuancierungen des Textes. Es stellten sich Kernfragen nach der Anpassung des christlichen Glaubens an die chinesische Sprache sowie einer Veränderung der chinesischen Sprache durch eine unübliche Verwendung bestehender oder die Schaffung neuer Wörter. Stets lag die Hoheit der Übersetzung in den Händen protestantischer Missionare. Die in der Tradition der Jesuitenmission stehenden Katholik_innen strebten stärker danach, nicht die Bibel selbst, sondern einige ihrer elementaren Passagen und erklärende Schriften, wie die Zehn Gebote, die Bergpredigt, Katechismen und Darstellungen über das Leben Christi, ins Chinesische zu übertragen. Im August 1843 fand in Hongkong ein protestantisches Missionarstreffen statt, das sich mit der Neubearbeitung der chinesischen Bibelübersetzung befasste. Um eine revidierte Fassung des Neuen Testaments zu schaffen, wurden fünf lokale Komitees gebildet, in denen auch chinesische Gelehrte mitarbeiteten. Diese Arbeit war im Juli 1850 abgeschlossen. Wenig später wurde mit einer Überarbeitung des Alten Testaments begonnen. Bei der Übersetzung der gesamten Bibel, die 1856 durch die finanzielle Unterstützung der Bibelgesellschaft veröffentlicht werden konnte, handelte es sich um die erste Übersetzung, die nicht durch einen klassischen literarischen Stil gekennzeichnet war. SK

55 39 Kalender in chinesischer Schrift mit christlichen Texten Verlag: ohne Angabe 1888: ohne Ortsangabe, Papier, Museum Natur und Mensch, Städtische Museen Freiburg, Inv. V/1828 Provenienz: seit 1904 Dauerleihgabe der Universität Freiburg Chinesischer Kirchenkalender Dieser Kalender für religiöse Praktiken ist für das Jahr 1888 für chinesische katholische Christ_innen angefertigt worden, vermutlich in einer Missionsdruckerei. Seine Texte sind in einer Mischung von sehr alten, konfuzianisch geprägten chinesischen Schriftzeichen und regionalem Dialekt geschrieben worden. Sie enthalten Bibelübersetzungen sowie Anweisungen für religiöse Andachten und für alltägliches Verhalten, um den Gläubigen den Weg zur Glückseligkeit aufzuzeigen. So sollen etwa die Zehn Gebote eingehalten werden, um die Verheißungen der Acht Seligpreisungen zu empfangen. Der Kalender folgt der christlichen Zeitrechnung, die sich fundamental von der des kaiserlichen China unterschied. Nach der chinesischen Tradition wurden die Jahre in einem über 60 Jahre laufenden Zyklus zusammengefasst, der sich mit den europäischen Jahrhunderten vergleichen lässt. Er entstand unter anderem aus einer Kombination der fünf Element: Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser mit den zwölf Tierkreiszeichen und blieb von Dynastiewechseln unberührt. Erst nach dem Ende der QingDynastie im Jahr 1912 ist der chinesische durch den gregorianischen Kalender ersetzt worden. Chinesische Christ_innen, die im 19. Jahrhundert nach einem christlichen Kalender und dessen Fest- und Feiertagen lebten, fielen dadurch aus ihrem kulturellen Kontext. SK

69 »Hier liegt Tjirama Tjingava« Fotografin: Isabel Tueumuna Katjavivi November 2021: Okandjira/Namibia, Foto, Städtische Museen Freiburg, Courtesy Isabel T. Katjavivi In Okandjira, Ovitoto, liegt der Platz, an dem Teile der namibischen Gesellschaft ihr jährliches Gedenken an den Kampf von Okandjira im April 1904 abhalten. »Here Lies Tjirama Tiingava« In Okandjira, Ovitoto, this is where the community holds their annual commemorations of the battle of Okandjira in April 1904. ITK 68 »Jenseits der Brücke« Fotografin: Isabel Tueumuna Katjavivi November 2021: B6 in Richtung Hosea Kutako International Airport/Namibia, Foto, Städtische Museen Freiburg, Courtesy Isabel T. Katjavivi Isabel Tueumuna Katjavivi wurde in den USA geboren und lebt heute in Windhoek/Namibia. Sie studierte Visuelle, Angewandte und Bildende Kunst. Im Jahr 2017 war sie Preisträgerin des »Bank Windhoek Triennial«-Wettbewerbs. Ihre Arbeiten wurden bereits in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt. Auf dem Weg zum Flughafen von Windhoek, in Höhe der Kapps-Farm, liegt auf der linken Seite der Straße ein Gedenkort für Chief Kandjii, der im Widerstand gegen die deutsche Kolonialherrschaft starb. Sein Grab befindet sich heute auf Privatgelände, auf der anderen Seite der Straße (Finkenstein-Farm). »Across the Bridge« On the way to the airport from Windhoek, towards Kapps farm, on the left-hand side of the road, is a site of remembrance for Chief Kandjii, who died during the resistance to German colonial rule. He is buried on what is now private property on the opposite side of the road (Finkenstein farm). ITK

91 70 »Oviombo« (Diptychon) Fotografin: Isabel Tueumuna Katjavivi November 2021: Otjosazu/Namibia, Foto, Städtische Museen Freiburg, Courtesy Isabel T. Katjavivi Auf der linken Seite der Straße, wenn man von Otjosazu nach Osten geht, markiert ein Termitenhügel den nahegelegenen Ort, der an den Kampf von Oviombo erinnert. Er ist eine Markierung für die Gräber, die sich heute auf der anderen Seite der Straße, auf dem Privatland der Farm Oviombo-Ost befinden. »Oviombo« (Diptych) On the left of the road going East from Otjosazu, a termite mound marks the nearby site of remembrance of the battle of OVIOMBO. It is a marker for the graves that are on what is now private property on the other side of the road (Oviombo-east farm). ITK

140 123 Werbung: »Usambara-Kaffee« Grafiker_in: unbekannt 21. 6. 1907: Freiburg/Deutschland, Papier, Universitätsbibliothek Freiburg: G 4081 Provenienz: Freiburger Zeitung, 1907 124 Tee-Peter-Kaffee in Freiburg Fotograf_in: Beatrix Hoffmann-Ihde 2022: Freiburg/Deutschland Foto, Courtesy Beatrix Hoffmann-Ihde

141 125 Werbeschild: »Ruef Kaffee« Hersteller_in: unbekannt 1910–1920: Freiburg/Deutschland, Metall/Emaille, Augustinermuseum, Städtische Museen Freiburg, Inv. H 89/005 Provenienz: 2007 erworben von privat Kaffee Am Beispiel des Kaffees lassen sich Merkmale und Langzeitwirkungen des Kolonialismus sowie die Verflechtungen zwischen Globalem Süden und Globalem Norden aufzeigen, deren asymmetrische Strukturen bis in die Gegenwart fortbestehen. Koloniale Herrschaft initiierte unter lokalen Bevölkerungen komplexe sozioökonomische und kulturelle Wandlungsprozesse, während die kolonialisierenden Gesellschaften von der Ausbeutung profitierten und sich auf Kosten der Unterdrückten als zivilisatorisch überlegen konstruierten. Im Norden des heutigen Tansanias wurde während der Zeit des deutschen Kolonialismus der Kaffeeanbau eingeführt. Für die dort lebenden Washagga resultierte daraus nicht nur ein Wandel ihrer landwirtschaftlichen Praxis, sondern auch die Entstehung von privatem Landbesitz und damit einhergehend einer ökonomischen Elite, was zu sozialen Konflikten führte. Für große Teile der deutschen Bevölkerung wurde um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert aus dem exklusiven Genussmittel Kaffee ein erschwingliches Alltagsgetränk, da der Anbau in von Deutschen beherrschten Kolonialgebieten die Importkosten deutlich senkte. Die während der Zeit des deutschen Kolonialismus rasant wachsende Zahl von Kolonialwarengeschäften, wie das der Familie Peter, führte Kaffee im regulären Sortiment. Darüber hinaus entstanden auch fern der Häfen Kaffeeröstereien, wie Ruef in Freiburg, und wurden zu einem lukrativen Wirtschaftszweig. Die mit dem Rösten des Kaffees verbundene Wertschöpfung steht exemplarisch für viele Wertschöpfungsprozesse, die im Globalen Norden stattfinden und auf günstig aus dem Globalen Süden importierten Rohstoffen basieren. Durch den europäischen Kolonialismus wurden Strukturen geschaffen, die bis in die Gegenwart bestehen und durch die Ideologie des billigen Konsums aufrechterhalten werden. Die Herstellung von Konsumgerechtigkeit bedarf der Abkehr von dieser Ideologie und der Initiative Vieler. Ein Beispiel ist die Firma Tee-Peter-Kaffee aus Freiburg, deren Ursprung ein 1883 gegründetes Kolonialwarengeschäft ist. Heute engagiert sich die Firma für fairen Handel mit den Produzent_innen durch Direktimport bei guatemaltekischen Kaffeebäuer_innen. BHI

162 154 Armreif Künstler_in: unbekannt Um 1900: Aruwimi-Region/Kongo, Elfenbein, Museum Natur und Mensch, Städtische Museen Freiburg, Inv. I/1273 Provenienz: 1907 erworben von Jean Renier Louis Exteers (1861–?), Ethnografika-Händler/Brüssel Elfenbein Seit Jahrtausenden gilt Elfenbein als kostbarer Rohstoff. Es dient der Herstellung von persönlichem und religiösem Schmuck sowie von Prestigegenständen. Als Handelsgut verband Elfenbein über Jahrhunderte den afrikanischen und asiatischen mit dem europäischen Kontinent, weil es dort bei vielen Herrschenden hochbegehrt war. In vielen Gesellschaften hatte Elfenbein auch eine besondere symbolische Bedeutung. In Afrika dienten Elfenbeintrompeten vielfach als Signal- und Ritualinstrumente, die bei höfischen Zeremonien geblasen wurden. Das Nambrose-Signalhorn mit dem typischen Querloch stammt aus der Sammlung der Freiburger Brüder Carl Friedrich Rosset (1842–1878) und Carl Wilhelm Rosset (1851–1923), die sie nach der Rückkehr von ihrer Reise nilaufwärts (1876) der Universität Freiburg schenkten. BHI 152 Elefantenstoßzahn mit Halterung Hersteller_in: unbekannt 1902–1914: Togo/Afrika, Elfenbein/Metall, Museum Natur und Mensch, Städtische Museen Freiburg, Inv. I/2396 a, b Provenienz: 1974 erhalten von Heinrich Schick, aus dem Nachlass von Karl Schick, Faktoreileiter Seite 264. Über die konkreten Erwerbungsumstände vor Ort ist nichts bekannt. 153 Nambrose: Signalhorn Hersteller_in: unbekannt 1850–1877: Mangbetu/Kongo, Elfenbein, Museum Natur und Mensch, Städtische Museen Freiburg, Inv. I/0717 Provenienz: seit 1904 Dauerleihgabe Universität Freiburg, davor erhalten von C. Friedrich Rosset & C. Wilhelm Rosset/Freiburg, vor 1878 Seite 171. Über die konkreten Erwerbungsumstände vor Ort ist nichts bekannt.

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