Leseprobe

11 Die beiden berühmtesten Hanauer, Jacob (1785– 1863) und Wilhelm Grimm (1786–1859), sind wie ihre drei Brüder Carl Friedrich (1787–1852), Ferdinand (1788–1845) und Ludwig Emil (1790–1863) in der Neustadt geboren (ABB. 1). 1791 ging die Familie nach Steinau, wo Schwester Lotte (1793–1833) geboren wurde. Die fünf Brüder kamen nur noch als Gäste nach Hanau. Aber ihre Geburtsstadt blieb ihnen Sehnsuchts- und Erinnerungsort. Die Familie wohnte zunächst am Paradeplatz 1. 1787/88 zog sie in das Haus Zur Grünen Linde in der damaligen Langen Gasse, heute Langstraße 41. Daran erinnerte sich Jacob Grimm im März 1814 in einem Text, den er mit 29 Jahren als hessischer Legationssekretär im Hauptquartier der Alliierten gegen Napoleon schrieb. Jacob Grimm sah sich in einer beklemmenden Situation und fühlte sich einsam in der Trennung von Wilhelm und seiner Familie. Das Manuskript wurde in den sogenannten GrimmSchränken der Preußischen Staatsbibliothek aufbewahrt und erstmals 1923 publiziert. Seither ist es nur selten nachgedruckt worden. Jacob Grimm versucht, sich an möglichst viele Details aus seiner frühen Kindheit zu erinnern, auch an die Einrichtung seines Elternhauses: »Ich weiß mir das Haus, wo die Eltern in der langen Gasse zu Hanau lebten, noch ziemlich vorzustellen. Es war hellroth angestrichen, neben links (wenn man inwendig aus dem Fenster guckte) lag ein anderes von dunkeler Steinfarbe, das zu dem auf der Gegenseite des Viertels liegenden Neustädter Rathhaus gehörte. […] In unserm Haus wohnten wir (zur Miethe) ganz allein, unten war ein Besuchzimmer, gewöhnlich leer, mit Jägern auf der Tapete. In dieser Stube an den gefrornen Fenstern wurden einmal Münzen ins Eis abgedruckt. Die Haus und Hofthüre war gelbbraun angestrichen. Der Hof war eng, es wurde darauf Holz gesägt und rechts war die Waschküche, wo einem die Wäscherin einen Tropfen Branntwein auf schwarzes Brot zu eßen gab, auch waren Hühner auf dem Hof, weil ich mich erinnere einmal mit dem Vater hinuntergegangen seyn, der einem am Pips kranken Huhn das Maul aufsperrte und die Haut vornen von der Zunge abschnitt. Wenn ABB.1 Geburtshaus Ludwig Emil Grimms und Wohnhaus der Familie Grimm bis 1791, Lange Gasse 41, Fotografie, 1921, Medienzentrum Hanau/Bildarchiv, ohne Inv.-Nr.

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