Leseprobe

109 Hier ist es instruktiv, einen Vergleich mit einem Porträt der Grafenlinie Hanau-Lichtenberg anzustellen. Philipp V. von Hanau-Lichtenberg (1541–1599), der seit 1585 auch als Vormund für Philipp Ludwig II. von Hanau-Münzenberg agierte, ließ sich 1593 von dem in Straßburg geborenen Kupferstecher Matthäus Greuter (ca. 1566–1638) porträtieren.27 Deutlich zeigen sich Anklänge an die Darstellungsmodi der Habsburger, die in der Porträtmedaille von Kaiser Rudolf II. (1552–1612) ihren sichtbarsten Ausdruck erhalten. Es darf in diesem Zusammenhang auch an die konfessionellen Unterschiede zwischen den beiden Hanauer Grafenlinien erinnert werden: HanauLichtenberg war lutherisch, Hanau-Münzenberg reformiert. Bei aller Vorsicht könnte man bei den Bildnissen von einem »Modell Habsburg« versus ein »Modell Oranien« sprechen.28 In späteren Porträts ist dieser »militärische Zug« dagegen nicht mehr vorhanden. Die beiden Kupferstiche, die der nur wenig bekannte Johann Jenet oder Joan Gennet († nach 1627) um 1620 schuf, entstanden wohl im Auftrag von Catharina Belgia, die nach dem Tod ihres Mannes 1612 die Vormundschaft für ihren Sohn Philipp Moritz (1605–1638) übernahm.29 Hier findet sich keine Anlehnung an das militärische Erscheinungsbild der Oranier, vielmehr wird in der umlaufenden Umschrift der Bezug zum Haus Oranien hergestellt. Es diente offensichtlich auch als Vorlage für ein Gemälde, das leider zu den Kriegsverlusten gehört.30 Sicherlich sollte damit der Regentschaftsanspruch untermauert werden, der insbesondere gegen den Bruder ihres Mannes, Graf Albrecht von Hanau-Münzenberg-Schwarzenfels (1579–1635), verteidigt und durchgesetzt werden musste.31 Bald kam es darüber hinaus zu Auseinandersetzungen mit ihrem Sohn, der vor Erreichen seiner Volljährigkeit die Regierungsgeschäfte übernehmen wollte. Das Porträt von ihm ging leider ebenfalls im Zweiten Weltkrieg verloren, ist jedoch als Foto überliefert.32 Meist wird allerdings nur ein Ausschnitt gezeigt. Es handelte sich allerdings um ein Porträt in ganzer Figur, sodass er damit an das Bildnis seines Vaters und die Tradition der Oranier anschließt. Das Hanauer Schloss wurde unter Catharina Belgia und ihrem Mann umgebaut und mit verschiedenen Gemälden ausgestattet. Anhand von Inventaren aus den Jahren 1612 und 1642 kann man einen recht guten Eindruck von der Ausstattung bekommen. 1612 befanden sich im Neuen Saal u. a. Kaiserbildnisse, das Bildnis Catharinas und ihres Mannes sowie ein Bildnis ihres Halbbruders Moritz von Oranien, des Statthalters der Niederlande.33 Christian Ottersbach hat zu Recht darauf hingewiesen, dass sich dahinter ein Programm vermuten lässt: »Philipp Ludwig II. verankerte sich einerseits in der Ordnung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation und andererseits in seiner prestigeträchtigen, reformierten Verwandtschaft, um sich so unter den calvinistischen Landesherren zu positionieren.«34 30 Jahre später waren noch weitere Bildnisse hinzugekommen. In der Kammer des Königsgemachs befanden sich ein Porträt von Philipp Ludwig II. und eines Fräuleins, in der Kammer des Mainzischen Gemachs »Prinz Wilhelms und seiner Gemahlin Bildnüs« sowie in der Stube des Kindergemachs sechs kleine Porträts. Vielleicht sind dies die Bildnisse von Daniel van den Queborn, die später ins Siegerlandmuseum gelangten. Ein Porträt, das ausweislich der Inschrift 1617 entstand und »un fil de Hannau« zeigt, wurde von Jan Anthonisz. van Ravesteyn (1572–1657) gemalt. Es stammt aus altem oranischen Besitz und befindet sich heute im Mauritshuis in Den Haag.35 Lange Zeit galt es als Bildnis der Amalie Elisabeth von HessenKassel, einer geborenen Gräfin von Hanau-Münzenberg, wird heute jedoch als Porträt ihrer Mutter Catharina Belgia angesehen. Beide Identifizierungen haben ihre Probleme. Wenn es Amalie Elisabeth ist, dann wäre sie 15 Jahre alt. Ist ihre Mutter dargestellt, dann ist sie 39 Jahre alt. Die Dargestellte möchte man jedoch weder auf 15 noch 39 Jahre schätzen, wobei man, wenn man wählen müsste, wohl eher dem letzteren Alter zuneigen würde. Der Vergleich mit anderen Bildnissen von Mutter und Tochter bringt leider auch keine endgültige Klärung. Deutlich zeigen sich hier die Schwierigkeiten bei der Beschäftigung mit Bildnissen der Frühen Neuzeit sowie die Grenzen der Porträtähnlichkeit auf. (ABB. 3) ABB.3 Catharina Belgia, Jan Anthonisz. van Ravesteyn, Öl auf Holz, 1617, Mauritshuis, Den Haag, Inv.-Nr.: 119.

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