Leseprobe

Philipp Freytag Robert Adams’ plurimediale Erzählungen des American West Erinnerungsraum Fotobuch

Philipp Freytag SANDST E I N VER L AG Robert Adams’ plurimediale Erzählungen des American West Erinnerungsraum Fotobuch

Inhalt 6 1 Einleitung 16 2 Methodik und Begriffe 17 Erzähltheorie 21 Medium Fotobuch 25 Mythos American West 28 Forschungslage 31 Vorgehen 32 3 Die Fotobücher der 1970er Jahre 33 Werkbiografie Robert Adams 36 The Old West – eine euro-amerikanische Kulturgeschichte des ländlichen Colorado 37 White Churches of the Plains. Examples from Colorado (1970) 38 Fotografien 41 Mehrbildfolge 44 Sprachtexte 50 Buchgestaltung 51 The Architecture and Art of Early Hispanic Colorado (1974) 52 Fotografien 54 Mehrbildfolge 59 Sprachtexte 62 Buchgestaltung 63 Zwischenfazit: The Old West 67 The New West – die Colorado Front Range zwischen Reiseerzählung und urbanistischer Studie 71 The New West. Landscapes along the Colorado Front Range (1974) 74 Sprachtexte 85 Fotografien 100 Mehrbildfolge 110 Buchgestaltung 112 Denver. A Photographic Survey of the Metropolitan Area (1977) 113 Fotografien 125 Mehrbildfolge 126 Sprachtexte 132 Buchgestaltung 133 Zwischenfazit: The New West

135 The Contemporary West – ein ästhetischer Survey der Halbwildnis 136 From the Missouri West (1980) 137 Fotografien 144 Mehrbildfolge 152 Sprachtexte 154 Buchgestaltung 155 Zwischenfazit: The Contemporary West 157 4 Fazit 158 Erinnerungsraum American West 160 Robert Adams’ plurimediale Erzählungen im Fotobuch 166 Zur Anwendung der Narratologie auf das plurimediale Erzählen im Fotobuch 167 Robert Adams im Kontext der US-amerikanischen Fotogeschichte 177 5 Anhang 178 Primärliteratur 178 Fotobücher von Robert Adams 179 Schriften und Interviews von Robert Adams 179 Fotobücher anderer Fotografinnen und Fotografen 180 Von Robert Adams zitierte Literatur 180 Sekundärliteratur 190 Archivalien 190 Graue Literatur 191 Register 192 Dank 192 Impressum

Die Fotobücher der 1970er Jahre 3

33 Werkbiografie Robert Adams 110 Die genannten Bücher sind bei zwei unterschiedlichen Verlagen erschienen. Bis 1977 arbeitete Adams mit der Colorado Associated University Press in Boulder zusammen. From the Missouri West ist 1980 dann das erste einer ganzen Reihe von Büchern bei Aperture in New York. 111 Obwohl sich Robert Adams in der Regel auf ein einziges Projekt konzentriert, kommt es doch zu zeitlichen Überschneidungen zwischen den verschiedenen Werkgruppen, da er, während er mit der Fertigstellung eines Buches beschäftigt ist, oft bereits Aufnahmen für ein zweites macht. Vereinzelt verwendet der Fotograf ausgewählte Bilder auch für verschiedene Bücher. Im Sinne einer differenzierten Analyse muss also zwischen der fotografischen Feldarbeit, der Genese eines Buchprojekts und dessen letztendlichem Erscheinungsbild unterschieden werden. Wertvolle Hinweise zur Differenzierung zwischen Aufnahme- und Veröffentlichungsdatum bietet Adams 2011 (3): 88–127. 112 Die vier großen Expeditionen in öffentlichem Auftrag fanden zwischen 1867 und 1879 statt und wurden von Clarence King, Ferdinand Vandeveer Hayden, John Wesley Powell und George Montague Wheeler geleitet. 113 Peter C. Bunnell wurde 1972 erster Professor für Fotogeschichte in den USA (Princeton University). A.D. Coleman schrieb ab 1968 Fotokritiken, bis 1973 für Village Voice und 1970–1974 auch für die New York Times. Außerdem wurden Anfang der 1970er Jahre mehrere Fotozeitschriften gegründet, darunter Afterimage (Visual Studies Workshop, 1972), Untitled (Friends of Photography, 1972) und Exposure (Society for Photographic Education, ab 1973). 114 John Szarkowski war von 1962 bis 1991 Leiter der Fotoabteilung des MoMA, vgl. Gefter 2007. Zum Einfluss Szarkowskis auf die USamerikanische Fotografie vgl. außerdem Tucker 2007. Robert Adams hat in den 1970er Jahren insgesamt fünf Fotobücher über verschiedene Regionen des US-amerikanischen Westens veröffentlicht. Dies sind in der Reihenfolge ihres Erscheinens: White Churches of the Plains. Examples from Colorado (1970), The Architecture and Art of Early Hispanic Colorado (1974), The New West. Landscapes along the Colorado Front Range (1974), Denver. A Photographic Survey of the Metropolitan Area, 1970–1974 (1977), From the Missouri West (1980).110 Die in diesen Büchern veröffentlichten Fotografien entstammen drei, in Bezug auf ihre Entstehungszeit teilweise parallelen, hinsichtlich der Aufnahmeregion und der fotografischen Arbeitsweise jedoch deutlich voneinander zu unterscheidendenWerkgruppen.111 Nicht zuletzt differieren dieThemen der Fotobücher und deren narrative Strukturen von Werkgruppe zu Werkgruppe signifikant. Die beiden ersten Veröffentlichungen, White Churches und Early Hispanic Colorado, sind den Relikten der frühen euro-amerikanischen Besiedlung in Colorado gewidmet. In der zweiten Gruppe, bestehend aus The NewWest und Denver, setzt sich der Fotograf mit den Spuren der Suburbanisierung im Gebiet der sogenannten Colorado Front Range am östlichen Rand der Rocky Mountains auseinander. Das dritte Projekt schließlich vereint Aufnahmen unterschiedlicher halbwilder Landstriche abseits der Städte und Siedlungen in verschiedenen Bundesstaaten des US-amerikanischen Westens zu einer Art modernem »Survey« in Anknüpfung an die sogenannten Great Surveys der 1860/1870er Jahre.112 Die Gewichtung zwischenWort und Bild verschiebt sich von Werkgruppe zu Werkgruppe sukzessive zugunsten der Fotografie. Werkbiografie Robert Adams Robert Adams arbeitet spätestens seit der Veröffentlichung seines dritten Fotobuchs, The New West (1974), unter den Bedingungen der institutionalisierten künstlerischen Landschaftsfotografie, gekennzeichnet unter anderem durch die akademische Ausbildung der Fotografen, die Einrichtung öffentlich und privatwirtschaftlich geförderter Stipendien,musealer Sammlungen, Fachzeitschriften und spezialisierter Verlage.113 Von entscheidender Bedeutung für sein Schaffen ist die frühe Förderung durch John Szarkowski, den langjährigen Leiter der Fotoabteilung des Museum of Modern Art (MoMA) in New York und einflussreichen Fürsprecher des Paradigmas der straight photography.114 1937 als Sohn liberaler Methodisten in Orange, New Jersey, geboren, zieht Robert Adams 1952 mit der Familie nach Wheatridge, Colorado, einen Vorort nördlich von Denver.115 Nachdem er längere Zeit denWunsch gehegt hatte, methodistischer Priester

34 Die Fotobücher der 1970er Jahre 115 Die biografischen Daten sind im Wesentlichen dem Katalog zu Adams’ Retrospektive The Place We Live entnommen und durch eigene Recherchen verifiziert und ergänzt; vgl. Adams 2011 (3): 130–149, auch unter: http://media. artgallery.yale.edu/adams/chronology.php, zuletzt 9. 8. 2021. 116 Leo Rubinfien erwähnt, dass Robert Adams sogar eine »local preacher’s license« erworben hat; Rubinfien 2002 [2001]: 115. Dass Adams in seinen offiziellen Biografien darauf hinweist, dass er ursprünglich Priester werden wollte, deutet auf die Bedeutung hin, die er selbst diesem biografischen Faktum beimisst. Außerdem lässt sich dieser Umstand im Sinne eines Paratextes (sensu Genette) als Lenkung der Lektüre in Richtung einer theologischen Auslegung deuten. 117 Nach den Informationen des Collegearchivs unterrichtete Adams Kurse in englischsprachiger Literatur des 20. Jahrhunderts. Laut Vorlesungsverzeichnis »Study of significant developments in English and American drama, fiction, and poetry since 1900«; vgl. E-Mail von Jessy Randall an den Verf. vom 21. 8. 2014. 118 Myron Wood ist in erster Linie für seine fotografische Dokumentation des US-Bundesstaats Colorado bekannt, die Adams’ frühe Projekte zumindest thematisch zweifellos beeinflusst hat, so z.B. Wood 1969. Zum fotografischen Werk von Myron Wood vgl. Anonym 2012; zu seinem Einfluss auf die beiden ersten Projekte von Adams: Sandeen 2009b: 106. Woods Nachlass befindet sich im Besitz des Pikes Peak Library District (Colorado Springs). 119 Laut der Website des MoMA handelt es sich hierbei um die folgenden Motive: Newly occupied tract houses, Colorado Springs, Colorado, zwei verschiedene Fotografien mit dem Titel Colorado Springs, Colorado sowie Outdoor Theater and Cheyenne Mountain, Colorado Springs, Colorado (alle 1968); vgl. https://www.moma.org/artists/66, zuletzt 9. 8. 2021. zu werden,116 nimmt er 1955 an der Colorado University in Boulder ein Studium der englischen Sprache und Literatur auf, das er ab 1956 an der University of Redlands, einer vergleichsweise kleinen kalifornischen Baptistenschule, und ab 1959 an der University of Southern California fortsetzt. 1965 wird Adams dort mit einer Arbeit über The Significance of Point of View in Katherine Anne Porter’s »Ship of Fools« promoviert. Nach seiner Rückkehr nach Colorado 1962 tritt er eine Stelle als Lehrer am Colorado College in Colorado Springs an.117 Ein Jahr später entstehen erste Fotografien mit einer Kleinbildkamera. In der Folgezeit rezipiert Robert Adams im Selbststudium fotografische Literatur und erhält 1964 Unterricht in Fototechnik von dem ortsansässigen Fotografen MyronWood (1921–1999), der wie er am Colorado College sowie am Colorado Springs Fine Arts Center arbeitet.118 1965 erwirbt Adams eine 4 ×5-Zoll-Großformatkamera der Marke Sinar. Es folgen erste systematische Aufnahmen hispanischer Grabsteine im Süden Colorados sowie Landschafts- und Architekturansichten auf den Great Plains im Osten des Bundesstaats, die später Eingang in seine beiden ersten Fotobücher, White Churches of the Plains und The Architecture and Art of Early Hispanic Colorado (beide Colorado Associated University Press, Boulder) finden. 1966 reduziert Adams seine Lehrverpflichtungen, um sich stärker auf die Fotografie zu konzentrieren. Zwei Jahre später entstehen erste Aufnahmen der suburbanisierten Colorado Front Range, die er 1969 John Szarkowski am Museum of Modern Art in New York vorlegt. 1970 erwirbt das Museum vier Abzüge,119 woraufhin Adams sich entscheidet, die Schule zu verlassen und sich ganz der Fotografie zu widmen. Im selben Jahr erscheint White Churches. Mit seiner schwedischstämmigen Frau Kerstin zieht Robert Adams 1970 nach Longmont, Colorado, und arbeitet 1972 an zwei Tagen in der Woche als Redaktionsassistent für die Colorado Associated University Press in Boulder.120 Parallel etabliert er sich zunehmend im Bereich der künstlerischen Fotografie: Auf eine gemeinsame Ausstellung mit Emmet Gowin 1971 im Museum of Modern Art folgen 1973 Stipendien der Guggenheim Foundation und der National Endowment for the Arts (NEA).121 1974 veröffentlicht er die beiden Fotobücher The Architecture and Art of Early Hispanic Colorado und The New West. Landscapes along the Colorado Front Range, beide wiederum bei der Colorado Associated University Press, Boulder. Den endgültigen Durchbruch als Fotograf erlebt Robert Adams mit der Beteiligung an der außergewöhnlich einflussreichen Ausstellung New Topographics. Photographs of a Man-altered Landscape 1975 am George Eastman House.122 Ein Jahr später übernimmt die Galerie Castelli Graphics in New York die Vertretung seiner Arbeiten.123 Im weiteren Verlauf der 1970er Jahre erhält Adams mehrere Einzelausstellungen – die größte,

35 Werkbiografie Robert Adams 120 Sandeen erwähnt zudem einen Job für die State Historical Society of Colorado, Denver; vgl. Sandeen 2010: 124. 121 Die Adams-Gowin-Ausstellung fand vom 16. 12. 1971 bis zum 29. 2. 1972 statt, Kurator war Peter C. Bunnell; gezeigt wurden 31 Fotografien von Adams aus dem Umfeld der Werkgruppe The New West; vgl. https://www. moma.org/calendar/exhibitions/2645, zuletzt 9. 8. 2021. 122 Vgl. Anm. 3. 123 Seit 1980 wird Robert Adams durch die Fraenkel Gallery vertreten. Die Archivalien der Leo Castelli Gallery befinden sich im Smithsonian Archive of American Art: Leo Castelli Gallery records, ca. 1880−2000, bulk 1957−1999. Archives of American Art, Smithsonian Institution; vgl. https://www.aaa.si.edu/ collections/leo-castelli-gallery-records-7351/ more-information, zuletzt 9. 8. 2021. 124 Vgl. https://www.moma.org/calendar/­ exhibitions/2322, zuletzt 12. 6. 2019. 125 Vgl. Danese 1979. 126 Auch die Dunkelkammerarbeit verrichtet Robert Adams bis weit in die 2000er Jahre hinein ohne Assistenten; vgl. Reynolds 2011: 84. Prairie, 1978/1979 am Denver Art Museum und dem New Yorker Museum of Modern Art;124 überdies ist er an mehreren Überblicksausstellungen zur zeitgenössischen Landschaftsfotografie respektive »amerikanischen« Fotografie beteiligt: 1973 New York, Metropolitan Museum of Art: Landscape/Cityscape; 1975 Baltimore, Museum of Art: Fourteen American Photographers; 1977 Boulder, University of Colorado: The Great West: Real/Ideal; ebenfalls 1977 Houston, Museum of Fine Arts: The Target Collection of American Photography; 1978 New York, Museum of Modern Art: Mirrors and Windows. Darüber hinaus nimmt Robert Adams an mehreren Fotoprojekten zur Dokumentation der US-amerikanischen Landschaft teil, wie sie im Zusammenhang mit dem sogenannten Bicentennial, der 200-Jahr-Feier der amerikanischen Unabhängigkeit 1976, von Seiten des Staates wie auch der Privatwirtschaft in großer Zahl gefördert wurden. Eine der größten Unternehmungen dieser Art war ein Projekt der Telefongesellschaft AT & T (American Telephone and Telegraph Corporation).125 Außerdem hält er Vorträge, unter anderem 1977 am International Center of Photography in New York und 1978 am Museum of Modern Art, bekommt weitere Stipendien, etwa 1978 von der National Endowment for the Arts sowie 1980 von der Guggenheim Foundation. Parallel erscheinen weitere Fotobücher: 1977 Denver und 1980 From the Missouri West. Die umfangreichsten Sammlungen zu Adams besitzen die Yale University Art Gallery, das Philadelphia Museum of Art und das Getty Museum, Los Angeles. Robert Adams gilt das Buch als bevorzugtes Ausdrucksmittel seiner fotografischen Arbeit. Seine einschlägigen Veröffentlichungen können als Musterbeispiele für eine bestimmte Art der Fotobuchkonzeption und -gestaltung betrachtet werden. Sowohl die Fotografien als auch die Festlegung der Sequenz und der Doppelseiten und die begleitenden Texte stammen von Adams selbst. Sie zeugen von einem von Buch zu Buch wachsenden Bewusstsein für das Potenzial des Mediums.Während die drei ersten Titel mit zunehmender Einflussnahme des Autors noch von anderen Buchgestaltern betreut werden, ist Adams ab Mitte der 1970er Jahre auch an diesem Aspekt der Herstellung in enger Zusammenarbeit mit seiner Frau maßgeblich beteiligt.126 Als promovierter Literaturwissenschaftler, der mehrere Jahre lang Seminare zur Filmanalyse angeboten hat, verfügt er über fundiertes Wissen auf dem Gebiet literarischer und filmischer Erzählmuster. Entsprechend reflektiert nutzt er das Medium Fotobuch, um seine Fotografien in Form von Mehrbildfolgen in Kombination mit Sprachtexten zu minutiös ausgearbeiteten Bilderzählungen zusammenzustellen. In diesem teils über Jahre andauernden Prozess konstruiert er eigene, von den Einzelbildern und den begleitenden Sprachtexten relativ unabhängige Bedeutungszusammenhänge. In einem Interview beschreibt Robert

36 Die Fotobücher der 1970er Jahre 127 Vgl. Chuang 2009: 54–55. Robert Adams nimmt hier auf die beiden grundlegenden Erscheinungsformen fotografischer Einzelbilder im Buch Bezug: die unmittelbare Gegenüberstellung zweier (oder mehrerer) Motive auf der Doppelseite und die Entfaltung einer Bildfolge über mehrere aufeinanderfolgende Seiten. Papageorge veranschaulicht am Beispiel der Fotobücher über die Colorado Front Range, wie viel Zeit Adams im Vergleich mit der fotografischen Feldarbeit in der Dunkelkammer und mit der Bildredaktion verbringt; vgl. Papageorge 2011 [2001]: 55–56. 128 Eric Sandeen spricht von »historically based studies of rural structures, landscapes, and ways of life« (Sandeen 2009b: 97). 129 Die Fotografien sind in über 20 Gemeinden in einem relativ eng umgrenzten Gebiet östlich der Colorado Front Range im Nordosten Colorados entstanden. Zu den näheren Umständen vgl. Sandeen 2009b: 98–99. Adams 2009 das Prinzip, nach dem er gemeinsam mit seiner Frau die Reihenfolge der Bilder festlegt: »That final step usually involves [...] laying out all the conceivably appropriate pictures for the book in a line, in a roughly plausible sequence, after which we make a stack of the pictures in that order and go through it to see how they might work as singles or doubles on a spread.These two steps are then repeated over and over again. We’ve found that we have to keep approaching the problem in both ways in order to find the overall structure of a book, as well as how the book will work at arm’s length, two pages at a time.«127 Ähnlich reflektiert geht Robert Adams auch mit den Sprachtexten seiner Bücher um. Zwar setzt er dieses Ausdrucksmittel zunehmend reduziert ein. Die in der Regel von ihm selbst verfassten Texte bilden aber dennoch einen grundlegenden Bestandteil der Bücher und betten die Bildfolgen gemeinsammit den Buchtiteln und den Bildunterschriften in bestimmte Bedeutungszusammenhänge ein. Entsprechend besteht das Erkenntnisinteresse hinter den folgenden Fotobuchanalysen darin, zu klären, wie Robert Adams seine plurimedialen Erinnerungsräume konstruiert, welche Bedeutung er ihnen zuschreibt und wie sich die Arbeitsweise und die zugeschriebenen Bedeutungen gegebenenfalls über die Dauer des Betrachtungszeitraums hinweg verändern. The Old West – eine euro-amerikanische Kulturgeschichte des ländlichen Colorado Mitte der 1960er Jahre beginnt Robert Adams, der zu dieser Zeit noch als Collegelehrer arbeitet, mit den Aufnahmen, die später in seine beiden ersten Fotobücher eingehen werden: White Churches of the Plains. Examples from Colorado (1970) und The Architecture and Art of Early Hispanic Colorado (1974). Es ist allerdings davon auszugehen, dass die Fotografien nicht von vornherein im Hinblick auf die beiden Buchprojekte aufgenommen wurden. Beide Werkgruppen sind als heimatkundliche Studien über ländliche Regionen im US-Bundesstaat Colorado angelegt: namentlich den Osten der Great Plains (White Churches) und das San Luis Valley im Süden an der Grenze zu NewMexico (Early Hispanic Colorado).128 Robert Adams war im Alter von 15 Jahren mit seiner Familie nach Colorado gezogen und lebte zum Zeitpunkt der Aufnahmen nach einigen Studienjahren in Kalifornien wieder dort. Den Anstoß für das lokalhistorische Interesse wie auch für die Arbeit mit demMedium Fotobuch hat er wohl nicht zuletzt von Myron

37 The Old West – White Churches of the Plains Wood erhalten. Bezogen auf das Verhältnis zwischenWort und Bild gibt das Textmuster der heimatkundlichen Studie potenziell einige Einschränkungen vor, und zwar quantitativ (mehr Wort, weniger Bild) wie qualitativ (dienende Funktion der Bilder). Gleiches gilt für das narrative Potenzial des Bildes im Sinne vonWerner Wolf (beschreibend statt erzählend). Gleichwohl enthalten beide Fotobücher, wie zu zeigen sein wird, substanzielle narrative Ansätze. White Churches of the Plains. Examples from Colorado (1970) In seinem ersten Fotobuch, White Churches of the Plains. Examples from Colorado (Abb. 3), widmet sich Robert Adams der Kulturgeschichte der euro-amerikanischen Besiedlung der Great Plains im Nordosten des US-Bundesstaats Colorado. Als Exempel wählt er die erhaltenen Kirchenbauten unterschiedlicher christlicher Kongregationen in den oft winzigen Siedlungen aus der Zeit um 1900, ein Großteil davon einfache Holzbauten mit dem typischen, titelgebenden und auf der Prärie weithin sichtbaren weißen Anstrich. White Churches trägt zumindest vordergründig den Charakter einer populärwissenschaftlichen Heimatkunde mit kenntnisreichen Anmerkungen zur Architektur-, Glaubens- und Siedlungsgeschichte sowie zur Nutzung der dargestellten Kirchenbauten in der Gegenwart. In einem ausführlichen Essay deutet Robert Adams die Frühzeit der euro-amerikanischen Siedlungsgeschichte der Region als ein Musterbeispiel fleißiger und bescheidener Lebensführung im Einklang mit der Natur – eine Lesart, mit der er an bestehende Konzepte des Old West als einem nationalen Erinnerungsraum anknüpft. White Churches erscheint 1970 in der fünf Jahre zuvor gegründeten Colorado Associated University Press, Boulder. Das Buch enthält 57 Bildtafeln nach Schwarzweißfotografien, aufgenommen in den Jahren 1965 bis 1968. Abgebildet sind insgesamt 33 Kirchenbauten aus der Zeit zwischen 1888 und 1928; hinzu kommen am Ende des Buches Ansichten eines zweistöckigen Krämerladens und eines Schulgebäudes, beide im selben schlichten Stil wie die Kirchen gehalten. Den Abschluss bildet die Aufnahme eines Einwandererfriedhofs inmitten der Prärie.129 Auffällig ist, zumal im Vergleich mit Adams’ späteren Fotobüchern, der beträchtliche Umfang der Sprachtexte. Auf das Vorwort von Thomas Hornsby Ferril folgen eine knappe Vorrede und ein 16-seitiger Essay, beide von Robert Adams selbst verfasst. Abgesehen von einer Fotografie auf dem Frontispiz und einer weiteren, die gegenüber der ersten Seite des Essays platziert und

38 Die Fotobücher der 1970er Jahre 130 Bezeichnenderweise trug eine Ausstellung über die beiden ersten Werkgruppen 2014 in der Galerie Thomas Zander den Titel Buildings in Colorado; vgl. Adams 2014 a. Robert Adams hatte zu dieser Zeit ein großes Interesse an Architektur, das sich auch in den Motiven seiner ersten Fotobücher niederschlug. Im Interview mit Thomas Dugan äußert er dazu: »I took a year course in architectural drawing in high school, of all places [...] I learned a lot, and have kept reading and looking around ever since. When we were in Europe my wife and I spent most of our time in Scandinavia looking at new towns and old churches. And at several unforgettable new churches around Cologne by a man named Rudolf Schwarz [...] I’ve never experienced buildings like those. Someone said they re-established the orthodox definition of a church as the ›container of the uncontainable,‹ and they did« (Dugan 1979: 175–176). Vgl. zu Adams’ Interesse an Architektur im Allgemeinen und den Kirchenbauten von Schwarz im Besonderen: Adams 2014b. 131 Laut Chuang konzediert Adams: »the only way I knew« (Chuang 2011: 30). somit ebenfalls als eine Art bildliches Motto angelegt ist, sind Wort- und Bildteil klar voneinander getrennt.Der Tafelteil weist keinerlei Binnengliederung auf. Ein Kirchenbau folgt auf den nächsten. Gemäß dem Muster des Sachbuchs finden sich unter den Tafeln relativ ausführliche Bildunterschriften mit Hinweisen zu Name, Ort und Baujahr der jeweiligen Kirche sowie kurze Anmerkungen zur Bau- und Siedlungsgeschichte. Fotografien Für die Aufnahmen zu White Churches of the Plains verwendete Robert Adams eine Großformatkamera der Marke Sinar (4×5 Zoll). Wie sich bereits am Titel des Buches ablesen lässt, handelt es sich eher um Architektur- als um Landschaftsaufnahmen.130 Zuweilen bettet Robert Adams die Gebäude und Siedlungsstrukturen aber auch in ihren landschaftlichen Zusammenhang ein. Diese Praxis wird er in den folgenden Büchern fortsetzen und verstärken, bevor er sich für From the Missouri West (1980) erstmals der reinen Landschaftsfotografie widmet, jenem Sujet also, das sein weiteres Schaffen bestimmen wird. Verglichen mit seinen späteren Fotobüchern nutzt Robert Adams die Einzelbilder in White Churches noch nicht oder zumindest nur in Ansätzen im Sinne der Erzählung. Sie dienen ihm stattdessen – im Einklang mit den Gepflogenheiten eines Sachbuchs – fast ausschließlich zur anschaulichen Vermittlung der Motive. Grundsätzlich lassen sich in White Churches drei Bildmuster unterscheiden. Das weitaus am häufigsten verwendete Schema ist die Frontalansicht des Portals, wobei der jeweilige Kirchenbau in der Mitte des Bildes platziert ist und den Rahmen nahezu vollständig ausfüllt (Abb. 4, links).131 Nicht selten ist dieses Muster auch geringfügig variiert, indem das Gebäude von schräg vorn aufgenommen wird (Abb. 4, rechts).Diese Art der Darstellung eröffnet einen möglichst vollständigen Blick auf den jeweiligen Bau und gewährt so Rückschlüsse auf das Verhältnis von Grundriss, Turm und anderen charakteristischen Bauformen wie Portal und Fenstern. Eine weitere Variante dieses Bildmusters, die denselben Zwecken dient, ist die Seitenansicht. Sehr vereinzelt präsentiert Robert Adams in White Churches auch die Rückansicht eines Kirchenbaus. Auch die Nahaufnahme eines architektonischen Details, das zweite Bildmuster in White Churches, dient der Dokumentation. In seltenen Fällen verengt Robert Adams den Ausschnitt dabei so sehr, dass der räumliche Zusammenhang verloren geht und die abstrahierenden Qualitäten der Komposition in den Vordergrund rücken (Abb. 5, rechts). Ein drittes, allerdings nur spärlich gebrauchtes Bildmuster zeigt die Kirchenbauten in ihrem größeren landschaftlichen Zusammenhang (Abb. 5, links). Diese Aufnahmen 3–5 Robert Adams White Churches of the Plains, 1970 Colorado Associated University Press 84 Seiten, 25,3×21,6 cm Ohne Seitenzählung

40 Die Fotobücher der 1970er Jahre 132 Der Begriff des establishing shot (auch Einstiegstotale) bezeichnet in der Filmanalyse eine totale oder halbtotale Einstellung, die idealiter zu Beginn einer Sequenz Überblick über den Handlungsraum gewährt; vgl. Fischer 2003: 36. Die konsequenteste Anwendung dieses Stilmittels in White Churches findet sich auf den Seiten 65–68, wo Robert Adams vier Ansichten der St. John’s Catholic Church, Stoneham sequenziert: einen Blick aus der Ferne auf den Ort Stoneham, eine leicht schräge Frontalansicht, ein Detail und eine Seitenansicht. 133 Shipman äußert in diesem Zusammenhang: »Adams’ composition is traditional in this mode, with many precise straight on portraits of buildings and well balanced close up studies with diagonals« (Shipman 1976: 19). Gleichwohl attestiert die Autorin den Fotografien im Vergleich mit Early Hispanic Colorado eine »discrete-structure-orientation« (ebd.). 134 Sachsse 2006: 59. Zu den Konventionen der Architekturfotografie vgl. auch Sachsse 1984. 135 Adams nutzt für seine beiden ersten Buchprojekte wiederholt Farbfilter. Außerdem verwendet er dort verschiedentlich ein Teleobjektiv, wodurch einzelne Bilder eine deutlich geringere Tiefenwirkung aufweisen als die übrigen, die in der Regel – wie auch in seinen späteren Büchern – mit leichtem Weitwinkel aufgenommen sind. Diese technische Unausgewogenheit findet ihre Entsprechung in einer bisweilen etwas unentschiedenen Ausschnittwahl und Perspektive. Die Kirchenbauten erscheinen teilweise allzu eng in den Rahmen gezwängt, sodass weder ein entschiedener Anschnitt noch eine Orientierung über die Dimensionen und die Umgebung des Gebäudes ermöglicht werden. Seine spätere Reflexion fotografischer Konventionen, etwa durch ungewöhnliche Anschnitte des Motivs, befindet sich hier noch im Anfangsstadium. dienen – filmologisch gesprochen – als eine Art establishing shot, indem sie die Lage der Kirchen und deren Verhältnis zur umgebenden Landschaft veranschaulichen.132 Zugleich nutzt der Fotograf sie, um ein harmonisches, wenn auch karges Bild der Landschaft zu zeichnen. Robert Adams widmet sich in White Churches also vor allem den repräsentativen Ansichten der Kirchenbauten sowie signifikanten Details, die er in der Regel frontal und mittig ins Bild setzt.133 Dabei folgt er einer »modernistischen Konvention« der Architekturfotografie, die Rolf Sachsse wie folgt zusammenfasst: »By the late 1920s, conventions about how to depict modern architecture had spread throughout Europe. These conventions included depicting the building through an axial or diagonal (45°) orientation on the selected façade generally in bright early morning or late afternoon sunlight with long and strong shadows that emphasized cubic volumes, or setting the building against a sky dark with cumulus clouds, and presenting the image in a crisp clear print with an overall depth of field and a glossy surface. Another convention was that except for the inclusion of one or two individuals in order to convey the scale of the structure, the pictures were empty of life [...] This modernist convention was propagated in illustrated papers, magazines, books, and most of all, on picture postcards [...] Modernism became the global style in architecture, immensely aided by the exhibition,The International Style, at the newly founded Museum of Modern Art in New York in 1932.«134 Robert Adams variiert das von Sachsse beschriebene Schema nur vereinzelt, etwa durch Nahaufnahme, Anschnitt oder das Kippen der Kamera aus der Horizontalachse.135 Ein weiterer signifikanter Bruch mit der »modernistischen Konvention« der Architekturfotografie besteht im Umgang des Fotografen mit Bäumen, Zäunen und ähnlichen Bildelementen, die wiederholt, etwa durch belaubte Äste oder Schattenwürfe, den Blick auf den jeweiligen Baukörper beeinträchtigen. Auf welchemWeg aber eignet sich Robert Adams die modernistische Tradition der Architekturfotografie an? Wo liegen seine konkreten Vorbilder, und was bedeutet die Adaption dieses Motivkanons und der damit verbundenen Bildsprache für sein Bild des American West? Die Fotografien der White Churches sind offenkundig von der US-amerikanischen Fotografie der 1930/1940er Jahre beeinflusst, und zwar sowohl hinsichtlich der Motivwahl als auch hinsichtlich der fotografischen Umsetzung. Vor allem die Fotografinnen und Fotografen um Dorothea Lange und Walker Evans, die im Auftrag der Farm Security Administration (FSA) unter der Leitung von Roy Stryker das ländliche Amerika der Zwischenkriegszeit dokumentierten, haben zahlreiche Aufnahmen von den schlichten Holzkirchen gemacht.136 Ein besonders prominentes und zur Zeit von Adams’

41 The Old West – White Churches of the Plains 136 Die Motive der Fotografinnen und Fotografen, die zwischen 1935 und 1941 im Auftrag der FSA Land und Leute dokumentiert hatten, fanden spätestens durch die von Edward Steichen 1962 am New Yorker MoMA kuratierte Ausstellung The Bitter Years Eingang in das nationale Bildgedächtnis; vgl. Poos 2012. Auf der Website der Library of Congress (Washington, D.C.) finden sich Digitalisate aller Negative der Fotografien, die im Auftrag der FSA entstanden sind; vgl. http://www.loc.gov/ pictures/collection/fsa/, zuletzt 9. 8. 2021. Obwohl die Kampagnen der Regierung 1935 zunächst unter dem Dach der Resettlement Administration begonnen worden waren, ist das beträchtliche Konvolut heute allgemein unter dem Namen der FSA bekannt; vgl. Böger 2007, Cohen 2009. Neben Dorothea Lange und Walker Evans haben unter anderem auch Russell Lee, Arthur Rothstein, Ben Shahn, John Vachon und Marion Post Wolcott für die FSA gearbeitet. 137 Zur Präsenz des Werks von Walker Evans um 1970 vgl. Salvesen 2009b: 14–18. Anfang des Jahres 1971 fand eine viel beachtete Evans-Retrospektive, kuratiert von John Szarkowski, im MoMA statt; vgl. Ausstellungskatalog New York 1971. Wie stark Robert Adams zu Beginn seines Schaffens von den Vorbildern der Zwischenkriegszeit geprägt war, lässt sich auch daran ablesen, dass er 1966 die Adobe-Kirche in Hernandez, New Mexico, fotografiert, die Ansel Adams 1941 in seiner berühmten Aufnahme Moonrise, Hernandez verewigt hatte; vgl. Adams 2011 (3): 132. 138 Als Übersetzung des englischsprachigen Begriffs »vernacular« sind im Deutschen sowohl »vernakular« als auch »vernakulär« gebräuchlich. Zitzewitz verwendet ihn »im Sinne des einflussreichen Kulturgeografen John Brinckerhoff Jackson [...] für kommerzielle Strukturen, meist anonyme, oft ephemere Alltagsarchitekturen der Nachkriegszeit [...], denen er eine besondere Bedeutung für die US-amerikanische Kulturlandschaft einräumte« (Zitzewitz Arbeit an White Churches längst in den Kanon der US-amerikanischen Fotogeschichte aufgenommenes Beispiel sind Evans’Fotografien einfacher Holzkirchen in seiner Monografie American Photographs aus dem Jahr 1938.137 In den Bildern von Evans, Lange und ihren Zeitgenossen liegt auch der Ursprung von Adams’ Interpretation der Kirchenbauten als Zeugnisse einer spezifisch US-amerikanischen Architektur- und Kulturgeschichte sowie als Symbole nationaler Identität. Mitte der 1960er Jahre haben zahlreiche Fotografien aus den Kampagnen der Farm Security Administration bereits einen festen Platz im Kanon der US-amerikanischen Fotogeschichte, und das Motiv der Holzkirche besitzt, wie die vernakuläre Architektur insgesamt,138 ikonischen Status in der populären US-amerikanischen Bildkultur. Außerdem ist in diesem Zusammenhang Frank Gohlkes Serie über Getreidespeicher zu nennen, ein vergleichbar ikonisches Motiv des ländlichen Amerika der Zwischenkriegszeit.139 Die genannten Referenzen belegen den Stellenwert sowohl der FSA-Fotografie als auch des Motivs der Holzkirche und vergleichbarer Inkunabeln der Pionierzeit. Als Robert Adams um 1970 seine Aufnahmen der White Churches macht, sind die Fotografien seiner Vorgänger bereits in den Kanon der US-amerikanischen Fotogeschichte aufgenommen. Indem er diese Fotografien zitiert, findet also eine doppelte kulturelle Appropriation statt: in Bezug auf die Deutung der Architektur und Landschaft und auf die Deutung einer bestimmten fotohistorischen Epoche. Die Bezugnahme auf die Vorbilder ist in diesen frühen Arbeiten zwar noch vergleichsweise unreflektiert und die fotografische Umsetzung bisweilen – wie Robert Adams selbst anmerkt – etwas unbeholfen. In den folgenden Fotobüchern wird sie aber mehr und mehr zu einem Stilmittel. Mehrbildfolge Robert Adams nutzt das narrative Potenzial der Mehrbildfolge in seinem ersten Fotobuch, White Churches of the Plains, nur ansatzweise. Es sind hier vor allem das erste und das letzte Bild, die als Rahmung die Bildsequenz definieren. Auf dem – vom Umschlag abgesehen – ersten Bild des Buches (Abb. 6) wird der Blick des Betrachters über den schnurgerade am rechten Bildrand entlangführenden Feldweg zugleich ins Bild wie auch in das gesamte Buch hinein gelenkt. Darüber hinaus vermittelt die Fotografie einen Eindruck von der flachen und weiten Landschaft der Great Plains sowie von der charakteristischen Siedlungsstruktur. Das zweite Bild zeigt ein Haus in der Ferne, wodurch die allmähliche Annäherung von Erzähler und Betrachter an die Kirchenbauten suggeriert wird (Abb. 7).

42 Die Fotobücher der 1970er Jahre 2014: 12–13, Anm. 19); vgl. zum Begriff und Konzept des Vernakularen auch Aigner 2010: 26. 139 Vgl. Gohlke 1992. Die darin enthaltenen Fotografien sind zum überwiegenden Teil in den 1970er Jahren entstanden und wurden bereits 1978 im Museum of Modern Art, New York gezeigt. Laut Salvesen haben sich William Jenkins und Joe Deal dagegen entschieden, diese Werkgruppe in die New-TopographicsSchau aufzunehmen »because, in their view, the grain elevators had a certain romanticism, or historicism« (vgl. Salvesen 2009b: 44 und 66, Anm. 175). Salvesen weist zudem darauf hin, dass auch Nicholas Nixon Anfang der 1970er Jahre im Sinne von Walker Evans Interieurs in Kenwood, einem Stadtteil von Minneapolis, fotografiert hatte. »[...] sharing an admiration of Walker Evans, they [Nixon und Gohlke] appreciated vernacular architecture and its potential to represent ways of life« (Salvesen 2009b: 22). Auch die letzte Abbildung des Buches dient sowohl der formalen Geschlossenheit der Mehrbildfolge als auch deren semantischer Kohärenz (Abb. 8). Nachdem die beiden vorigen Bilder, die bereits erwähnten Ansichten eines Krämerladens und einer Schule, die gezeigten Kirchenbauten in die breitere Siedlungsstruktur eingebettet haben, führt das Schlussbild den Blick zurück in die offene Prärie, wo die Sequenz begonnen hatte. Die Funktion eines Schlussbilds erfüllt diese Fotografie in doppelter Hinsicht, nämlich durch den Bildaufbau und durch die Symbolik des Friedhofs. Der annähernd frontale Blick auf die Grabsteine und den dahinter aufragenden Stacheldrahtzaun unterbricht die Abfolge der Seiten und bringt den Blick zur Ruhe. Mehr noch: Indem der Blick auf die Grabsteine geringfügig nach links gewendet ist, etabliert Robert Adams sogar eine Gegenbewegung zur Richtung der Lektüre. Darüber hinaus symbolisiert der Friedhof das Lebensende und damit auch das Ende der Reise, die so zugleich zur Lebensreise überhöht wird. Im Hinblick auf die Konstruktion des Adams’schen Erinnerungsraums erfüllt diese Fotografie einen doppelten Zweck, indem sie den zeitlichen Bogen aus der Gegenwart der späten 1960er Jahre zurück in die Zeit des Old West um 1900 schlägt und zugleich auf die christliche Deutung der Landschaft verweist. Über die beschriebene Rahmung durch die erste und letzte Fotografie im Buch deutet Robert Adams eine eigenständige Bilderzählung an, die es ihm ermöglicht, zusätzliche, von Einzelbild und Sprachtext relativ unabhängige Bedeutungen zuzuschreiben und die im Text angelegten Konnotationen stärker mit der topografischen Landschaft zu identifizieren. Der gesamte Mittelteil der Bilderzählung besteht allerdings aus einer weitgehend parataktisch strukturierten Beschreibung der einzelnen Kirchenbauten. Einem einzelnen Gebäude sind bis zu vier Abbildungen gewidmet, wobei durchgängig ein Bild pro Seite gesetzt ist.Mit Ausnahme des Schlussbilds und der beiden FrontispizFotografien stehen sich also auf jeder Doppelseite zwei Bilder gegenüber. In der Regel wird dabei eine zumeist frontal aufgenommene Gesamtansicht der jeweiligen Kirche mit einer Detail-, Seiten- oder Schrägansicht kombiniert. Bedingt durch die uneinheitliche Zahl der Abbildungen pro Bau, stehen sich wiederholt Ansichten von zwei verschiedenen Bauten gegenüber. Dies führt dazu, dass die auf einer Doppelseite vereinten Bilder zumTeil weder formal noch inhaltlich miteinander korrespondieren, wodurch ein unruhiger Gesamteindruck entsteht, der durch die Buchgestaltung – wie noch zu zeigen sein wird – verstärkt wird. Im Gegensatz zu seinen späteren Fotobüchern nutzt Robert Adams die Doppelseite hier also nicht für eine spannungsgeladene Gegenüberstellung oder suggestive Verbindung der formalen und inhaltlichen Aspekte der beiden Fotografien wie im Fall von North of Keota (vgl. Abb. 2). 6–8 Robert Adams White Churches of the Plains, 1970 Colorado Associated University Press 84 Seiten, 25,3×21,6 cm Ohne Seitenzählung

44 Die Fotobücher der 1970er Jahre 140 Vgl. zum Begriff des Paratextes nach Genette Wolf 2008 [1998]d (wie Anm. 74). 141 Vgl. Truettner 1991 (wie Anm. 80); Thomas Hornsby Ferril (1896–1988) war von 1926 bis 1968 Werbeleiter bei der Great Western Sugar Company in Denver. In den folgenden Jahren wurde er zu einem der bedeutendsten Heimatdichter der Region, 1979 zum »Poet Laureate of Colorado« ernannt (vgl. http://archives. getty.edu:30008/a/ampo20/bios/am22025.bio. html, zuletzt 10. 8. 2021). 142 Um den Lesefluss nicht unnötig zu unterbrechen, erscheinen die Nachweise der Textstellen aus den jeweiligen Fotobüchern im Haupttext. White Churches ist nicht paginiert. Im Sinne der Nachvollziehbarkeit wurden die Seitenzahlen vom Verfasser ergänzt. 143 Chuang spricht später angesichts dieser Kirchenbauten durchaus programmatisch von »late frontier buildings«; vgl. Chuang 2014: 9. 144 Genette bezeichnet das Vorwort allgemein als »eine ›unbestimmte Zone‹ zwischen innen und außen, die selbst wieder keine feste Grenze nach innen (zum Text) und nach außen (dem Diskurs der Welt über den Text) aufweist« (Genette 1992 [1987]: 10). Wirth ergänzt, dass der »Vorwortverfasser und Leser [...] mit Bezug auf den nachfolgenden Haupttext bestimmte Verstehensbedingungen aushandeln [kann]« (Wirth 2009: 171). 145 Nünning 2008: 12 (wie Anm. 43); zur Erinnerung: Nünning verwendet den Begriff »Reisebericht« (vgl. zur Differenzierung dieser Begriffe Anm. 42). 146 Vgl. Adams 1970: 7. Anders als Early Hispanic Colorado enthält White Churches allerdings keinen bibliografischen Anhang. 147 Die unterstellte Beispielhaftigkeit der im Buch vorgestellten Kirchenbauten kommt auch im Untertitel zum Ausdruck: Examples from Colorado. 148 Vgl. Merchant 2003: 12 (wie Anm. 90). Sprachtexte Das Fotobuch White Churches of the Plains enthält vier verschiedene Textmuster: ein Vorwort, eine Vorrede, den zentralen Essay und die Bildunterschriften. Sie alle sind auf unterschiedlichen Erzählebenen zwischen Paratext und eigentlichem Text angesiedelt und erfüllen dementsprechend verschiedene Funktionen imHinblick auf die Erzählung. Das zweiseitige Vorwort dient als Paratext im Sinne Genettes.140Thomas Hornsby Ferril betont darin den unterstellten Symbolcharakter der Kirchenbauten für die Identität des US-amerikanischenWestens und überträgt diese Einschätzung gemäß dem tradierten Topos des »The West as America« auf die gesamte Nation,141 indem er schreibt, »these little white churches [...] stand for something powerful and luminous in the westering of American life« (Adams 1970: 5).142 Mit der Formulierung eines »westering of American life« bezieht sich Ferril unausgesprochen auf das Konzept der Frontier, das er auch an anderer Stelle bemüht, wenn er etwa die frühen euro-amerikanischen Siedler in Colorado als »plains folk« bezeichnet, »slapping the mud into their first adobe bricks and toiling later with their saws and hammers on rough timbers« (Adams 1970: 6).143 Quasi im gleichen Atemzug beklagt Ferril – im Sinne des zweiten recovery narrative (nach Merchant [2003]) – die bevorstehende Zerstörung dieser Tradition: »Sad and wicked to me is this ruthless bulldozing into oblivion of so much of America’s architectural past [...] What remains of the little white churches will soon be gone« (Adams 1970: 6). Die Essenz dieses Vorworts lautet also: Mit den »kleinen weißen Kirchen« droht ein wesentlicher Teil der nationalen Identität verloren zu gehen. Dies ist der plot, den Robert Adams seiner Bildfolge unterlegt.144 Das Textmuster der Reiseerzählung ist, wie Nünning darlegt, »noch in starkem Maße von den Mythen des Augenzeugen und des Authentischen geprägt. Autorität und Wahrheitsanspruch [...] gründen in der eigenen Beobachtung und Erfahrung des Autobiographen beziehungsweise Reisenden, das heißt im Selbsterlebten«.145 Insofern spielt der Erzähler eine besondere Rolle. So betont Ferril seinen eigenen familiären Bezug zur Christianisierung des Westens mit den Worten »my people had something to do with bringing religion to the plains« (Adams 1970: 6). Diese Formulierung leistet zweierlei: Zunächst behauptet der Autor/Erzähler damit eine ungebrochene Traditionslinie von den Pionieren bis in die Gegenwart und damit die Existenz eines homogenen Kulturraums. Darüber hinaus legitimiert er sich gewissermaßen selbst als Fachmann für die Geschichte des Westens. Diese Form der (auto-)biografischen Beglaubigung, die uns bereits in der Analyse von North of Keota in Person der Figur Clyde Stanley begegnet

45 The Old West – White Churches of the Plains ist, wird sich im weiteren Verlauf des Adams’schen Werks zu einem regelrechten Topos entwickeln. Letztlich bekräftigt er so die Expertise des Autors und bindet damit den fiktionalen Erinnerungsraum enger an den geografischen Ort. Während Ferrils Ausführungen dem Erinnerungsraum Old West also mit nostalgischem Unterton eine bestimmte, auf etablierten Zuschreibungen beruhende Bedeutung einschreiben sollen, bemüht sich Robert Adams in seiner eigenen kurzen Einleitung – ihrerseits ein Paratext, der die Bedingungen der Lektüre konturiert – um eine Objektivierung des dort gezeichneten Bildes. Durch Verweise auf die Quellenlage, darunter Archive zur Regionalgeschichte sowie einige Wissenschaftler mitsamt deren einschlägigen Studien, und auf eigens versandte Fragebögen betont er den wissenschaftlichen Charakter seines Unterfangens.146 Darüber hinaus hebt auch er die vermeintliche Beispielhaftigkeit der dokumentierten Kirchenbauten für den gesamten US-amerikanischen Westen »from Texas to Montana« hervor: »The scale of this study is limited, but the subject matter is typical of an extensive architecture [...] Colorado, situated about in the middle, affords a characteristic sampling.« (Adams 1970: 7).147 Auf das Vorwort folgt der 16-seitige Essay über die frühen euro-amerikanischen Kirchenbauten verschiedener Kongregationen auf dem Gebiet des heutigen US-Bundesstaats Colorado. Der Text ist in sechs Abschnitte unterteilt, die grafisch allein durch breitere Absätze und eine graue Unterlegung der jeweils eröffnenden Worte des neuen Abschnitts voneinander getrennt sind (vgl. Abb. 7, rechts). Diese Überschriften lauten: »The Land is Extreme« (S. 11–12), »Settling on the Western Prairie« (S. 12–14), »Worship began simply« (S. 14–21), »Once built, these ›Buffalo Grass Charges‹« (S. 21–24), und »To find & visit these remaining Churches« (S. 24–26). Robert Adams verknüpft in seinem Essay Elemente einer Architektur- und Siedlungsgeschichte der Region mit einer stark christlich gefärbten Deutung der euro-amerikanischen Besiedlung. Am Beginn steht eine kurze Charakterisierung des Naturraums, gefolgt von einer Chronologie der euro-amerikanischen Besiedlung, die er ganz bewusst in Analogie zur Heilsgeschichte setzt. Der Tenor des Textes entspricht wie bereits in Ferrils Einleitung dem von Merchant analysierten recovery narrative: Die ehemals harmonische Beziehung des Menschen zur Natur sei akut bedroht.148 Dem Text als Motto vorangestellt ist der 23.Vers aus dem dritten Kapitel des alttestamentlichen Buches Ezechiel: »The Glory of the Lord stood there« (»Und siehe, dort stand die Herrlichkeit des Herrn«, Adams 1970: 9). Auf diesemWege – über den Paratext Motto – identifiziert Robert Adams die Landschaft der Great Plains mit der Schöpfungslandschaft. Auf der nächsten Doppelseite platziert er die Aufnahme der Walk’s

46 Die Fotobücher der 1970er Jahre 149 Dieselbe Aufnahme ist noch einmal im Tafelteil abgebildet, diesmal allerdings in einem minimal nach links verschobenen Ausschnitt; vgl. Adams 1970: 10 und 31. 150 In Ferrils Vorwort heißt es: »I have written extensively on the effects of landscape on the mind« (Adams 1970: 5). 151 Die topische Identifikation der angloamerikanischen Besiedlung des Landes mit der biblischen Heilsgeschichte wird offenkundig, wenn Robert Adams das biblische Geschehen hier buchstäblich in die Great Plains verlegt. 152 Vgl. Merchant 2003: 12–20 (wie Anm. 90). 153 Vgl. ebd.: 12 (wie Anm. 90). Camp Lutheran Church in Genoa, einer der vielen schlichten weißen Holzkirchen, umfangen von einem weiten Stück Prärie im Vordergrund und dem Himmel darüber (vgl. Abb. 7).149 Damit überblendet er Sprach- und Bilderzählung miteinander. Der Kirchenbau erscheint als bildliche Entsprechung – wenn nicht gar als Verkörperung – der beschworenen »Herrlichkeit des Herrn«. So verstärkt Adams die im Sprachtext angelegte Identifikation von Bibelspruch und Landschaft mit den Mitteln des Bildes. Das erste Kapitel des von Robert Adams verfassten Essays beginnt mit einer lyrischen Beschreibung der Prärie, ihrer Flora und Fauna und der jahreszeitlich wechselnden Farben: »The land is extreme. It can be rich, with soil nearly as black as Iowa’s, and can yield crops almost as heavy. Even untilled it is often verdant; in season thousands of acres of blooming sunflowers are a common sight [...] It is a mistake, however, to concentrate upon the earth when describing the plains.The sky is what defines them« (Adams 1970: 11). Diese Zeilen sind der eben genannten Ansicht der Walk’s Camp Lutheran Church in Genoa auf einer Doppelseite gegenübergestellt. Ähnlich der Kombination von North of Keota mit der Clyde-Stanley-Episode vermischt Robert Adams hier die Beschreibung der Landschaft mit deren Interpretation, eine Praxis, die er im Verlauf seines Schaffens zum Prinzip erheben wird. Prägend für die Landschaft und ihre Bewohner sei die Weite des Himmels und der oft kräftige, raue Wind: »To know this landscape is to know of those who came to it, both as it called them and as it formed them once they arrived. It is to see their hope, as some placed their houses, despite the wind, for the view. It is to understand their quietness, learned as they bore the isolation, and to respect their practicality, a form of humility. Most of all, it is to know the strength of their faith, for many loved this country that was to others empty« (Adams 1970: 12). Genau wieThomas Hornsby Ferril identifiziert also auch Robert Adams den Naturraum und seine Bewohner miteinander und unterlegt dieser vermeintlichen Symbiose einen gleichermaßen religiös wie patriotisch gefärbten Subtext. Ähnlich der Clyde-Stanley-Episode attestiert er den Bewohnern der Great Plains »Demut«, »Glaubensstärke« und eine Liebe zur neu gefundenen Heimat.150 Folgerichtig betont auch Adams zum Abschluss des ersten Kapitels die Symbolhaftigkeit der Kirchenbauten für Land und Leute: »The churches reflect the land and the people« (Adams 1970: 12).Die Geschichte der euro-amerikanischen Besiedlung des Westens unterlegt er so mit einer religiösen Deutung, die in einem Bibelvers aus dem Alten Testament gipfelt, der das Motto des Essays aus dem dritten Kapitel des Buches Ezechiel wieder aufgreift: »And the hand of the Lord was there upon me; and he said unto me, Arise, go forth into the plain,

47 The Old West – White Churches of the Plains and I will there walk with thee. Then I arose, and went forth into the plain: and, behold, the glory of the Lord stood there.« (Adams 1970: 12).151 Mit »Settling on the Western prairie« folgt im zweiten Kapitel ein etwa zweiseitiger Überblick über die höchst wechselvolle, von Missernten, Armut und Landflucht geprägte Geschichte der euro-amerikanischen Besiedlung und Kultivierung des kargen Landes. Bezeichnend daran ist, wie Adams die Siedlungsgeschichte hier im Sinne von Merchants christlichem recovery narrative an die Erzählung des Bibelverses anschließt und so das Bild eines Volkes zeichnet, das unter Überwindung größter Widerstände – gleichsam als tätige Buße für den Sündenfall – die Erde kultiviert.152 Unter der Überschrift »Worship began simply« schildert Robert Adams im dritten Abschnitt detailreich die historische Entwicklung der verschiedenen, meist sehr kleinen Gemeinden im spärlich besiedelten Nordosten Colorados und deren religiöse Praxis von den frühen Wanderpredigern bis zur Errichtung der ersten Kirchenbauten. Dabei geht er sowohl auf die verwendeten Baumaterialien als auch auf die Schwierigkeiten der Finanzierung,Materialbeschaffung sowie Planung und Errichtung der Gebäude ein. Im Einklang mit der im Vorwort etablierten Lesart der White Churches als Symbole nationaler Identität interpretiert der Autor auch die Orientierung an Bauformen aus Neuengland: »[T]he later pioneers legitimately felt and wished to express a spiritual link with America’s founders.They too had migrated in faith, and they too confronted a vast and hostile landscape. By adopting the New England designs they created strikingly beautiful buildings while suggesting a reassuring stability and continuity« (Adams 1970: 17). Auf der Grundlage von offenkundig intensiven Recherchen, sowohl in Bezug auf das Studium der erhaltenen Bauten als auch auf die Auswertung der etlichen, zum großen Teil selbst geführten Interviews mit Zeitzeugen, vergleicht Robert Adams in der Folge diverse Bauformen. Dabei kommt er zu dem Schluss, dass sich die Holzkirchen durch eine erstaunlich einheitliche – selbst die Grenzen zwischen den verschiedenen Nationalitäten und Kongregationen überschreitende – Architektur auszeichnen, die er als Ausdruck eines Strebens nach einer gemeinsamen US-amerikanischen Identität interpretiert: »In fact, the anonymity of the outside may have resulted from a desire not only to be but also to appear to be American« (Adams 1970: 17). Es folgen Ausführungen zur Geschichte der Kirchenbauten und der jeweiligen Gemeinden, an deren Ende Adams resümiert, dass in den ausgehenden 1960er Jahren viele Bauten verfallen sind oder umgenutzt wurden. Dabei rekurriert er erneut auf den von Merchant analysierten Topos des vermeintlichen moralischen Verfalls.153 Bezeich-

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