Leseprobe

180 Bereits antike Mythen zeugen vom Wunsch der Menschen, künstliche Lebewesen zu schaffen. Im 18. Jahrhundert hatte die Uhrmacherkunst den Stand erreicht, dass mechanische Automaten in Form von nachgebildeten Tieren und Menschen ihren Vorbildern verblüffend ähnlich sahen. Mit Blick auf die faszinierenden Mechanismen stellte der deutsche Arzt, Physiologe und Physiker Hermann von Helmholtz (1821–1894) in einem Vortrag von 1854 die Frage, inwieweit die herausragenden Fähigkeiten der Mechaniker Auswirkungen auf den Maschinenbau jener Zeit hatten: »Das Staunen des vorigen [18.] Jahrhunderts waren Vaucanson’s Ente, welche frass und verdaute, desselben Meisters Flötenspieler, der alle Finger richtig bewegte, der schreibende Knabe des älteren und die Klavierspielerin des jüngeren Droz, welche letztere beim Spiele ihren Händen auch gleichzeitig mit den Augen folgte, und nach beendeter Kunstleistung aufstand, um der Gesellschaft eine höfliche Verbeugung zu machen. Es würde unbegreiflich sein, dass Männer, wie die genannten, deren Talent sich mit den erfindungsreichsten Köpfen unseres Jahrhunderts messen kann, eine so ungeheure Zeit und Mühe, einen solchen Aufwand von Scharfsinn an die Ausführung solcher Automaten hätten wenden können, die uns nur als eine äusserst kindliche Spielerei erscheinen, wenn sie nicht gehofft hätten, dieselbe Aufgabe [die Ergründung des Lebens; Anm. d. Verf.] auch in wirklichem Ernste lösen zu können [...] Das Ziel also, welches sich die erfinderischen Köpfe der vergangenen Jahrhunderte [...] vorsteckten, war kühn gewählt und wurde mit einem Aufwande von Scharfsinn verfolgt, der nicht wenig zur Bereicherung der mechanischen Mittel beigetragen hat, mit deren Hilfe die spätere Zeit einen fruchtbringenderen Weg zu verfolgen verstand.« Nach dieser Analyse formulierte Helmholtz als zukünftige Aufgaben für den Berufsstand der Ingenieure: »Wir suchen jetzt nicht mehr solche Maschinen zu bauen, welche die tausend verschiedenen Dienstleistungen eines Menschen vollziehen, sondern verlangen im Gegentheil, dass eine Maschine eine Dienstleistung, aber an Stelle von tausend Menschen, verrichte.«1 Helmholtz nahm hier offensichtlich die maschinelle Produktion in den Blick, hatte doch die Industrialisierung die Zielsetzung technischer Entwicklungen radikal verändert. Nicht mehr die Nachahmung eines Lebewesens und dessen Bewegungen durch mechanische Automaten oder die Perfektionierung künstlicher Kreaturen stand im Mittelpunkt, sondern die Konstruktion von Maschinen, die die Arbeit schneller und zuverlässiger ausführen konnten als Menschen. Frank Dittmann Das Leben als Vorbild DER LANGE WEG ZUR MODERNEN ROBOT I K

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