Leseprobe

80 Androiden des 18. Jahrhunderts Peter Plaßmeyer Im Unterschied zu den Automaten, die um 1600 die Kunstkammern der Fürstenhöfe füllten und erstmalig Figuren im Detail bewegen konnten, zeichneten sich die Androiden des 18. Jahrhunderts dadurch aus, dass sie selbstbewegend waren. Wenn ein Automat über den Tisch fuhr, wurde er von (Zahn-) Rädern, die aus dem Boden ragten, fortbewegt – seine Beine bewegten sich also in der Luft. Spielte eine Figur des 18. Jahrhunderts Trompete, so öffnete sie die Ventile mit den Fingern ihrer Hand und die Luft wurde über den Mund in das Mundstück des Instruments geblasen. Man versuchte, menschliche Funktionen zu simulieren. Gleichzeitig wurden sie nicht mehr als höfische Sammelobjekte konzipiert, wenngleich sie durchaus zunächst auch an den Höfen präsentiert wurden. Sie waren Marketing-Instrumente ihrer Schöpfer und wurden so populär, dass sie bis weit über deren Tod hinaus von Schaustellerfamilien an wechselnden Orten vermarktet wurden. So eroberten sie das breite Publikum, das die Automaten aus den Kunstkammern erst nach deren Auflösung erreichte. Den Androiden lagen Überlegungen von René Descartes (1596– 1650) zugrunde, die später von Julien Offray de La Mettrie (1709–1751) auf den menschlichen Organismus konkretisiert wurden. Descartes verglich den menschlichen Organismus mit einer Mechanik. Seine 1632 entstandene »Abhandlung über den Menschen« (»Traité de l’homme«) erschien erst nach seinem Tod 1662 (»De homine«). De la Mettrie führte diese Überlegungen weiter und betrachtete den Menschen als eine mechanische Maschine, die sich selbst steuert.1 In beider Folge starteten Versuche, den Organismus als Ganzen wie auch einzelne seiner Funktionen mithilfe der Mechanik nachzubauen. Dabei scheinen De la Mettries 1748 erschienene Schrift »L’Homme Machine« und seine unmittelbaren Kontakte zu französischen Mechanikern einflussreicher. An fünf Beispielen soll dargelegt werden, welche Intentionen hinter den Automaten des 18. Jahrhunderts standen. Den Anfang machen drei Automaten aus der Werkstatt eines aus La Chaux-de-Fonds in der Schweiz stammenden Uhrmachers, dem die Automaten zu Ruhm verhalfen und die das Repertoire einer klassischen Uhrmacherwerkstatt erweiterten. S I CH SELBST BEWEGENDE AUTOMATEN UND DER VERSUCH DER PERFEKTEN IMI TAT ION

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