Leseprobe

56 welcher die Figurengruppe in einer größeren, längsovalen Runde über den Tisch fahren lässt, ansonsten aber keine weiteren Bewegungsabläufe steuern kann. Der Körper des Pferdes, der auf die Sockelplatte aufgesteckt, aber nicht festmontiert ist, war nach Abnahme des Kopfes als Trinkgefäß zu verwenden. Stilistisch wie technisch unmittelbar verwandt sind die ebenfalls in Augsburg entstandenen Trinkspiele mit Diana auf einem Hirsch (Abb. 3), welche die Jagd als feudales höfisches Privileg thematisieren und weitaus verbreiteter waren – knapp 30 Exemplare sind heute nachweisbar.19 Von den drei im Dresdner Kunstkammer-Inventar von 1640 aufgeführten Diana-Automaten hat sich allerdings kein einziger erhalten.20 Wie aus den Beschreibungen hervorgeht, konnten sich zwei davon im Dreieck, das Dritte im Viereck über die Tafel bewegen und – laut Hainhofers Kommentar – »zue ainem trinckgeschirr gebraucht werden.«21, denn der nur auf der Sockelplinthe aufgesteckte Leib des Hirsches war innen hohl und diente, wie der des zuvor erwähnten Pferdes, der Aufnahme von Wein. Es liegt die Vorstellung nahe, dass es der gleichzeitige Einsatz aller drei Automaten war, der Erstaunen hervorgerufen hat, wenn ihre Fahrt auf der Tafel unerwartet unterschiedlichen Mustern folgte und es bis zuletzt spannend blieb, vor wem sie letztlich Halt machten. Inszenierte Kaisermacht: die Schiffsautomaten von Hans Schlottheim Besondere Aufmerksamkeit verdient Philipp Hainhofers recht ausführliche Beschreibung eines »schiff[s], so auf ainer tafel etliche bootsleuth darinn forttreiben«, denn er nennt seinen Schöpfer: Hans Schlottheim (1547–1625), einen der erfindungsreichsten Uhrmacher seiner Zeit.22 Der aus dem sächsischen Naumburg stammende Augsburger Meister war Hainhofer gut bekannt, denn bei der Vermittlung seiner Arbeiten an fürstliche Auftraggeber hatte der gut vernetzte Patrizier großen Anteil. Schlottheims seit 1580 entstandene aufwendige Automaten erlangten bereits zu seinen Lebzeiten Berühmtheit und fanden auch Eingang in die kaiserliche Kunstkammer Rudolfs II. Der schon vor 1587 nach Dresden gelangte Schiffsautomat, den Hainhofer 1629 in der dortigen Kunstkammer bewundern konnte, wurde im 19. Jahrhundert veräußert (Abb. 4, Kat.-Nr. 15a).23 Er teilt damit sein Schicksal mit einem zweiten, sehr ähnlichen Exemplar desselben Meisters, das 1595 erstmals im Kunstkammer-Inventar erwähnt wird. Das später als »ganz verdorben«24 bezeichnete Objekt ist mit sehr großer Wahrscheinlichkeit identisch mit einem Schiff im British Museum in London, das sich auch heute noch in einem schlechten Erhaltungszustand befindet (Abb. 5, Kat.-Nr. 15b).25 Auch wenn die Mechanik nur unvollständig erhalten ist, lassen sich die höchst komplexen Funktionen der beiden Schiffe weitgehend rekonstruieren. Das zu den Viertelstunden und Stunden einsetzende Schlagwerk der Uhren war mit einem Mechanismus im Hauptmast gekoppelt. Eine umgedrehte Glocke, Abb. 4 Detail des Figurenautomaten »Nef de Charles Quint«. Hans Schlottheim, Augsburg, ca. 1585. Musée National de la Renaissance, Château d’Écouen, Inv.-Nr. E. Cl. 2739 »1 Vorguldt kunstreich schiff oder nave mit einer virtel und stunden schlagenden uhr, welche alle 24 stunden muß ufgezogen werden. Oben mit dreien mastbeumen, uf welchen die bußknechte in mastkorben umbgehen und die virtel und stunden uf den glöcklein mit hemmern schlagen.« (Kunstkammer-Inventar 1587, fol. 254 v)

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