Leseprobe

54 »auch zucker fallen leßet«: Vögel als Zuckerspender Die unmittelbare Verbindung der Tafelautomaten zu den eingangs beschriebenen Desserttafeln wird besonders deutlich angesichts einer Gruppe tiergestaltiger Exemplare, die im Kunstkammer-Inventar von 1640 aufgeführt wird: Ein Pfau, der – wie Hainhofer berichtet – »im herumbgehen schreyet, den Kopf wendet, die augen glisset, entlichen den ganzen leib, vnd ain rad oder aine wannen mit dem schwanz drehet aufrichtet, auch zucker fallen lasset«,8 ein Papagei, der »an stadt des schlagens schreit, auch zucker fallen leßet«,9 sowie ein Kuckuck, der »mit seinem schnabel vnd geschrey die viertelstunden andeutet, die stunden mit den flüglen schleget, vnd beym schwaif Zucker aussprizet.«10 Alle diese schreitenden Vögel, die sich leider nicht erhalten haben, hielten neben den mit der Zeitanzeige gekoppelten Bewegungen wie Flügel- beziehungsweise Radschlagen und Kopfdrehung sowie Geschrei auch eine weitere Überraschung parat: Sie fungierten als Zuckerspender. Der Figurenautomat »Papagei« mag den zugrunde liegenden Mechanismus veranschaulichen (Kat.-Nr. 14):11 In ihrem Inneren verbirgt sich ein Magazin zur Aufnahme von (Zucker-)Kugeln, die mittels einer Mechanik durch eine Klappe am After des Tiers herausfielen. Die Funktionsweise dieser Automaten, die schon relativ früh in der Dresdner Sammlung nachweisbar sind, unterscheidet sich damit von den Trinkspielen im engeren Sinne.12 Multifunktional, bedeutungsschwer und unterhaltsam: die Trinkspiele Bei einer anderen Gruppe von Tafelautomaten handelt es sich um fürstliche Kunstkammerobjekte par excellence, die kunsthandwerkliche Fertigkeiten mit intellektuellem Anspruch vereinen. Die beiden Augsburger Globuspokale (Kat.-Nr. 25 und 26) mit den Trägerfiguren des Herkules und des Heiligen Christophorus konnten mittels eines Laufwerks im Inneren der Sockel über den Tisch fahren. Die jeweils obere Hälfte der entlang des Äquators geteilten Erd- beziehungsweise Himmelskugel ließ sich abnehmen, sodass die untere Hälfte als Trinkgefäß benutzt werden konnte. Vermutlich musste die Person, vor der der Automat zum Stehen kam, dessen Inhalt leeren – was zugleich beherztes Zugreifen wie Trinkfestigkeit erfordern würde, denn die schweren Metallgefäße fassen jeweils ganze zwei Liter. Die beiden monumentalen Goldschmiedewerke luden aber auch zu genauer Betrachtung und gelehrter Konversation ein, etwa über die Kartografie der Globen, die hochaktuellen Vorbildern folgte,13 oder aber über ihren Sinngehalt. Dem gebildeten Höfling dürfte die hohe Symbolkraft der beiden Pokale kaum entgangen sein, die mit Herkules als Tugendhelden und Christophorus als Sinnbild für den gläubigen Christen letztlich Macht und Glaubensstärke ihres Besitzers oder ihrer Besitzerin preisen. Abb. 2 Tischautomat mit Diana auf dem Kentauren. Hans Jakob I. Bachmann, Augsburg, 1602–1606. Kunsthistorisches Museum Wien, Kunstkammer, Inv.-Nr. 1166 »Ain schönes vhrwerck, wie Nessus dem Herculi sein weib entführet, von ganzem silber, schönen rubinen, smaragden vnd perlen geziert, geht auf ainer tafel fort, schiesset auch pfeil von sich, bewögt samt etlichen hunden kopff vnd augen.« (Hainhofer 1629 bei einem Besuch der Kunstkammer zu dem Dresdner Kentauren-Automaten, zit. n. Doering 1901, S. 168)

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