Leseprobe

52 Ein Fest für alle Sinne: die Schauessen Die fürstliche Tafel diente in der Zeit der Renaissance und des Barock keineswegs ausschließlich dem Servieren einer opulenten Speisefolge. Eng eingebunden in die höfischen Repräsentationsstrategien, war sie zugleich ein Podium für aufwendige Inszenierungen und kuriose Dekorationen, die sich durch vielfältige allegorisch-symbolische Bezüge etwa zum Anlass der Festlichkeit, zum Gastgeber oder zu einer anwesenden Persönlichkeit auszeichnen. Den Höhepunkt eines Festmahls bildeten die Schauessen und Schaugerichte, die über schriftliche und bildliche Quellen überliefert sind. Wie Georg Philipp Harsdörffer (1607–1658) in seinem Mitte des 17. Jahrhunderts in mehreren Auflagen erschienenen »Trincir-Buch« berichtet, bestanden die figürlichen Gegenstände aus gefärbtem Zucker, Tragant1, Butter, Rüben oder Obst, die architektonischen Elemente, Berge oder Brunnen aus nicht essbaren Materialien wie Wachs, Leinen, Stroh oder Holz.2 Derlei exklusive Festessen sollten nicht nur den Geschmack, sondern alle Sinne ansprechen, denn sie wurden zumeist begleitet von Musik, und auf der Tafel fanden sich nicht selten Tischbrunnen und wohlriechendes Rauchwerk.3 Und schließlich sei auch das »Gesicht, als der übertrefflichste unter allen Sinnen mit den Sinnreichen Schaugerichten vergnüget worden; dardurch man zu guten Gespräche veranlasst wird«.4 Ein seltenes Beispiel einer bildlichen Darstellung ist das »Bancket von allerhandt Zuckerwerck« anlässlich der Hochzeit Johann Wilhelms von Jülich-Kleve-Berg mit Jacobe von Baden im Jahr 1585 im Düsseldorfer Schloss (Abb. 1).5 Auf der Tafel präsentiert sich zwischen Lorbeerbäumen eine weitläufige Landschaft mit Tieren sowie emblematischen Elementen: Löwen mit Wappenhaltern und eine Herrscherallegorie in Gestalt eines Pelikans, der seine Jungen mit dem eigenen Blut nährt. Philipp Hainhofer in der Dresdner Kunstkammer In unmittelbarem Zusammenhang mit derartigen ephemeren Inszenierungen sind die Tafelautomaten zu sehen, die den dort bereits angelegten Aspekt der Verlebendigung fortführen. Insbesondere die Dresdner Kunstkammer bewahrte um 1600 eine der umfangreichsten Sammlungen unterschiedlicher Automaten, welche der Augsburger Patrizier und Kunstkenner Philipp Hainhofer (1578–1647) bei seinem Besuch am 16. September 1629 bestaunen konnte.6 In seinem Reisebericht beschreibt er einzelne Figuren und Figurengruppen, Tiere und Schiffe, die mittels ihres im Inneren verborgenen Mechanismus über den Tisch rollten und einfache Bewegungen oder gar komplexere Bewegungsabläufe ausführten. Zusätzlich konnten einige dieser kleinen Bronze- oder Silberplastiken auch Musik spielen oder Geräusche produzieren, Böllerschüsse abgeben, die Zeit anzeigen oder aber zu einem Trinkritual auffordern.7 Als Mischung zwischen Uhr, Musikautomat, Trink- und Scherzgefäß sorgten sie Ulrike Weinhold Der Tisch als Bühne TAFELAUTOMATEN AM DRESDNER HOF

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