Leseprobe

187 wie die Niederschrift innerer Gefühle. Auch in seinen Zeichnungen gibt sich Bernhard Heiliger zurückhaltend hinsichtlich eigener Empfindungen und vermeidet jede Nähe zur Stimmung. Die Farbe, die Heiliger in seinen Zeichnungen einsetzt, verwendet er ebenso wenig, um mit Va- leurs oder Farbkompositionen Stimmungen zu er- zeugen, sondern um zusätzliche räumliche Ele- mente und Ebenen anzulegen. In seinen Grafit- und Federzeichnungen verwendet der Künstler zunehmend Aquarell, Ölkreide und Tempera, um farbliche Akzente hinzuzufügen. Der Gebrauch der Farbe bleibt dabei stets sparsam. Das Zeichne- rische steht im Vordergrund. Ihr räumlicher Aus- druck wird lediglich farblich verstärkt. So steht in einem Blatt von 1964 (Abb. 5) eine ar- chitektonisch gebaute Komposition vor grau aqua- relliertem Hintergrund. Das Farbfeld ist nicht homogen, sondern hat durch die Pinselführung unterschiedlich helle Partien, die eine räumliche Schwingung und Verzahnung mit den gezeichne- ten Elementen bewirken. Auch sind einzelne For- men schwarz hinterfangen oder in Braun farbig akzentuiert, wodurch die verschiedenen Raum­ ebenen teils verunklärt und verklammert werden und sich an anderen Stellen der Tiefensog verstärkt. Zentrales Element der Komposition bildet ein me- tallisch anmutender Winkel, dessen Hauptbalken von links unten nach rechts oben gerichtet ist und abermals Kraterlöcher aufweist. Ein weiteres Ele- ment zweigt links oben ab und wird in die Tiefe gestaffelt. Trotz ihrer Massivität bleibt diese Kons- truktion, wie sie da am oberen Bildrand angesie- delt ist und nicht recht verbindlich gesetzt scheint, räumlich verworren. Damit erinnert sie entfernt an Architekturen eines Piranesi oder M. C. Escher. Das Grau des Hintergrunds gibt kaum Orientie- rung und trägt allein zur Zusammenfassung der Elemente bei. Es gibt für die Betrachtenden keiner- lei Anhaltspunkt für die Größe des Objekts, sodass es in seiner Monumentalität bedrängend wirkt und in Farbigkeit und Form eine Nähe zum Brutalis- mus anklingt. Diese fantastischen Kompositionen, die ortlos im Nirgendwo schweben, wirken in ihrer Monstrosi- tät dystopisch (vgl. auch Abb. 8 ). Es scheint kaum Abb. 7 Bernhard Heiliger, ohne Titel, 1964, Grafit, Kohle auf Papier, 425×590 mm, Bernhard-Heiliger-Stiftung, Berlin

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