Leseprobe

105 14 Grabstele der Hediste Aquarellkopie in Originalgröße auf naturweißem Karton. Oberer Teil 1907 in Volos von Émile Gilliéron im Auftrag der Grabungs­ leitung gefertigt, Duplikat 1908 von Carl Robert für das Museum erworben. Unterer Teil 1909 gefertigt, 1910 erworben und auf den Karton des oberen Teils aufgeklebt (Accessions-Journal Nr. 2905, 2905 a). Profilierter Holzrahmen, UV-geschützt verglast. Wasserflecken am unteren Rand. Aquarell B 54 cm, H 74 cm gesamt, angefügter unterer Teil H 50 cm Blatt B 68 cm, H 84 cm Rahmen B 80 cm, H 96 cm Original Archäologisches Museum Volos, Inv. Λ 1. Grabstele aus weißem Marmor, bemalt. Oberer Teil 1907 in Demetrias (Pagasai) Turm A gefunden, unterer Teil 1909 in einer späteren Ruine über den Resten des Turms. Stele aus zwei Teilen zusammengefügt, Fehlstellen an der Rahmung, Malerei auf dem oberen Teil gut erhalten, auf dem unteren Teil stark verblasst. Ende 3. –Anfang 2. Jh. v. Chr. B 51,5 cm, H 73 cm, T 13,7 cm Epigramm Λυπρὸν ἐφ᾿ Ἡδίστῃ Μοῖραι τότε νῆμα ἀπ᾿ ἀτράκτων κλῶσαν, ὅτε ὠδίνος νύμφη ἀπηντίασεν. σχετλίη. οὐ γὰρ ἔμελλε τὸ νήπιον ἀνκαλιεῖσθαι μαστῷ τε ἀρδεύσειν χεῖλος ἑοῖο βρέφους. ἕν γὰρ ἐσεῖδε φάος, καὶ ἀπήγαγεν εἰς ἕνα τύμβον τοὺς δισσοὺς, ἀκρίτως τοῖσδε μολοῦσα Τύχη. Ein trauriges Schicksal spannen die Moiren Hediste zu auf ihren Spindeln, als die junge Frau in Wehen kam, die arme. Denn nicht sollte sie ihr Kleines in den Arm nehmen und ihres Kindes Lippe netzen an ihrer Brust. Denn einen Tag nur durfte dieses das Licht schauen, da kam Tyche, ohne einen Unterschied zu machen, über beide zugleich und legte sie hier zusammen ins Grab. (Umschrift und Übersetzung: Peek 1960, 100 f. Nr. 142) Die Stele der Hediste ist die bekannteste der Grabstelen aus Demetrias. Im Sommer 1907 fand sich zunächst die obere Hälfte der Stele mit einer Geburtsszene. Deren Aquarellkopie hatte Robert bereits 1908 zusammen mit zwei weiteren Kopien von Stelen erworben (Kat. 15, 16.). Zwei Jahre später kam das untere Fragment mit dem Grabepigramm ans Licht und konnte Bruch an Bruch angefügt werden. Damit war auch der Name der Verstorbe­ nen, Hediste, wiedergewonnen. Gilliéron informierte umgehend Robert über den Fund, der hiervon ebenfalls eine Kopie bestellte, um dann in Halle die beiden Aquarelle zusammenfügen zu lassen (s. Mitsopoulou, Gilliéron 58). Der Marmor hat die Form eines Naiskos. Unter dem Epistyl, das von zwei Pfeilern mit Kapitellen getragen wird, erstreckt sich das bemalte Bildfeld, unter dem sich das Feld für das Grabepigramm anschließt. Im Vordergrund liegt die im Kindsbett gestorbene Frau, neben ihr sitzt der Ehemann und berührt sie zärtlich. Im Hinter­ grund wird eine mehrfach gegliederte Architektur sichtbar. Hier stehen ein junger Mann, wohl der ältere Sohn, sowie eine Amme mit dem Neugeborenen im Arm. Das Kind starb kurz nach der Geburt, wie das einfühlsame Grabepigramm unter der Szene mit­ teilt. Die räumliche Struktur der Komposition schafft die räumliche Illusion eines häuslichen Bereichs, der sich in die Tiefe erstreckt. Im Vordergrund das Sterbezimmer, das durch eine Wand vom hinteren ›Flur‹, in dem die ältere Frau steht, abgetrennt ist. Von hier führt eine Tür in einen weiteren Raum, in dem der junge Mann steht. Die Aufteilung des Bildraumes ist unter den erhaltenen Stelenbilder von Demetrias bislang beispiellos. Es ist berührend, wie die verstorbene Hediste zusammen mit ihrem Neugeborenen, das einen Tag nach der Geburt verstarb, gezeigt wird. Unter dem Bild ist das traurige Geschehen in einem Epigramm festgehalten. Beides, Epigramm und Darstellung machen das tragische, in der Antike jedoch durchaus nicht seltene Geschehen des Todes der Wöchnerin und ihres Kindes zu einem ›erzählenden‹ Grabmal, das aus den emblematischen Darstellungen von Verstorbenen, die inmitten der Familie gezeigt werden, herausragt. Das gemalte Bild­ feld ist aber nicht nur durch seinen Bildaufbau und für seine Erzählweise bemerkenswert, sondern auch für sein Kolorit. Die Temperamalerei verwendet ein leuchtendes Rot beim Kymation an den Kapitellen sowie am Epistyl (wohl Zinnober oder Krapplack?) und an der Binde im Haar der Amme, blau für die Innenkontur (hierbei handelt es sich wohl um das bekannte ägyp­ tische Blau). Darüber ein roter Mäander, an den Antefixen findet sich ein Blaugrün und die eingemeißelte Inschrift zeigt schwarz ausgemalte Buchstaben. Für größere Flächen wurden Ockerfarben, Grau- und Blautöne verwendet, die durch Mischen mit schwarzen Partikeln hergestellt wurden. Publikationen zum Aquarell Robert 1920, 3 Nr. IVa.2; Rodenwaldt 1909, 114 Abb. 20; Löhr 1998, 17; Löhr – Oppermann 2002; Lehmann 2013 a, 22 Abb. 24 Inschrift Peek 1955, 481 Nr. 1606; Peek, 1960, 100 f. Nr. 142 Literatur Arvanitopoulos 1908, 23–27, Taf. 1; Arvanitopoulos 1909, 97–104. 215– 219; Karo 1910, 157; Arvanitopoulos 1928, 147–149 Abb. 170–173, Taf. 2; von Graeve 1979, 114 Anm. 17; von Graeve – Preußer 1981, 128–130. 131 Abb. 11. 141 Farbabb. 1; Nakamura 1996; Liston – Papadopoulos 2004, 31 Abb. 15 (Aquarellkopie in Volos); Lorenz 2019, 216–220 Nr. G 88 (mit Bibliographie); Helly im Druck, Nr. 528

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