Leseprobe

117 Bernini und Permoser Das weinende Kind in der Dresdner Skulpturensammlung neu betrachtet Claudia Kryza-Gersch Der aus dem Chiemgau stammende, sich aber als Salzburger fühlende Balthasar Permoser (1651– 1732) traf 1690, dem Ruf von Kurfürst Johann Georg III. (1647–1691) folgend, in Dresden ein, wo er über 40 Jahre lang als Hofbildhauer tätig sein sollte.1 Es war eine glanzvolle Karriere in einer glanzvollen Stadt, die unter August dem Starken (1670–1733) zu einem blühenden Zentrum der Künste wurde. Durch den schöpferischen Geist des Kurfürsten und Königs von Polen ver- wandelte sich Dresden in diesen Jahrzehnten in eine der schönsten Barockstädte Europas – und Permoser hatte daran keinen unwesentlichen Anteil. Seine Skulpturen dienten der prächtigen Ausstattung des Großen Gartens, der Katholischen Hofkirche und anderer Schlösser, Kapellen und Parks. Seine mit dem genialen Goldschmied Johann Melchior Dinglinger (1664–1731) geschaffenen Kabinettstücke füllten die kurfürstliche Kunstkammer, die bald als Grünes Gewölbe bekannt werden sollte. Permoser arbeitete virtuos in den verschiedensten Materialien, sei es Stein, Holz oder Elfenbein, und in allen Größen, vom Besteckgriff bis zur Monumentalskulptur. Und schließlich steht sein Name gleichwertig mit jenem des Architekten Matthäus Daniel Pöppelmann (1662–1736) hinter der unvergleichlichen Schöpfung des berühmten Dresdner Zwingers, in dem sich Baukunst und Bildhauerkunst so kongenial vereinten. Ein Dresden ohne Permoser ist somit ebenso schwer vorstellbar wie ein Rom ohne Bernini. Dresden, das so gerne das Florenz an der Elbe genannt wird, ist eigentlich eine Stadt des Barocks, während man mit Florenz die Kunst der Renaissance assoziiert. Tatsächlich steht Dres- den in Vielem Rom näher als man denkt. So ist auch der Zwinger eine im Grunde durch und durch römische Schöpfung, was auch Pöppelmann selbst in seinem Kupferstichwerk über das Gebäude immer wieder betonte.2 In ihrer Wertschätzung des Römischen waren sich Pöppelmann und Permoser durchaus einig, wie das Urteil des Letzteren bezeugt, das er über eine Probearbeit Jean Joseph Vinaches (1696–1754), Schöpfer des Goldenen Reiters , abgab, von der er meinte, sie käme nicht mit dem mit, was Bildhauer in Rom machten.3 Die Vorliebe Permosers ist nicht verwunderlich, lebte er doch für ganze 15 Jahre (1675–1690) seines Lebens in Italien. Diese Zeit verbrachte er zwar hauptsächlich in Florenz, den Anfang hatte aber Rom gemacht, wo er nach seiner Ausbildung in Salzburg und Wien um 1675 eintraf und an die zwei Jahre blieb.4 So ist es nicht so verwunderlich, dass ausgerechnet ein Salzburger als Vermittler der Formensprache des römischen Hochbarocks nach Sachsen betrachtet wird.5 Wie sehr ihn vor allem das Werk Gian Lorenzo Berninis (1598–1680) beindruckte, zeigt sich im Œuvre Permosers immer wieder und soll im Folgenden näher betrachtet werden. Abb. 88 Balthasar Permoser, Weinendes Kind , um 1725, Untersberger Marmor, Skulpturensammlung, Staatliche Kunstsammlungen Dresden (Detail)

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