Leseprobe

75 Familie verpflichtet Der Kardinalnepot Flavio Chigi im Dienst Papst Alexanders VII Saskia Wetzig Welch großartige Kunst durch das Zusammenwirken von großen Künstlern und großen Förde- rern entstehen kann, wird deutlich, wenn man in der Geschichte der Kunst zurückschaut und einen Blick auf glückliche Konstellationen wie Raffael und Papst Julius II., Velàzquez und König Philipp IV. von Spanien oder Bernini und Papst Urban VIII. wirft. Über derartige, besonders schöpferische Verbindungen konstatierte Francis Haskell in seinem Klassiker zu Malern und Auftraggebern in Italien des 17. und 18. Jahrhunderts: »Solche Möglichkeiten, so viel Ermutigung, wie die Architekten, Maler und Bildhauer sie bekamen, hat es für sie kaum wieder gegeben, und wieviel Dank wir den liberalen Kunstförderern jener Zeit schulden, läßt sich nicht nur in Italien, sondern in den Kunstmuseen der ganzen Welt ermessen.«1 Das Mäzenatentum der Familie Chigi Die erfolgreiche und äußerst fruchtbare Verflechtung von genialem Künstler und generösem Auftraggeber findet sich auch innerhalb der Familie Chigi. Seit dem 13. Jahrhundert ist das aus Siena stammende Geschlecht als einflussreiche Händler und Bankiers nachweisbar. Der Aufstieg der Familie in die oberste römische Aristokratie und an den päpstlichen Hof erlebte zwei Höhe- punkte. Mit dem in Siena geborenen Agostino (1465–1520) erfuhr die Familiengeschichte einen ersten Glanzpunkt, wie sein Beiname »il Magnifico«, der Prächtige, unmissverständlich zum Ausdruck bringt. Grundlage dafür war der exorbitante Reichtum, den Agostino durch die Ver- pachtung von Alaunminen in den nordwestlich von Rom gelegenen Tolfabergen erlangte. Bereits die Etrusker hatten in der Gegend Alaun abgebaut, welches für die Textilverarbeitung benötigt wurde. Dessen Vermarktung perfektionierte Chigi derart, dass er nicht nur ein sehr einträgliches Geschäft machte, sondern als Bankier die Gewinne auch geschickt zu vermehren wusste. Agos- tino Chigi war gleichermaßen ein Mann des Geldes wie auch ein Mann des Geistes. Er förderte neben der Literatur und dem gedruckten Wort, wie beispielsweise die 1515 erschienene weitrei- chende Edition von Pindars Oden,2 ebenso in großem Stile bildende Kunst. Sein Mäzenatentum gipfelte in der Ausgestaltung seiner Villa amTiberufer, die er von den besten Künstlern der Zeit, mit denen er auch freundschaftlich verbunden war, entwerfen und ausschmücken ließ: Raffael (1483–1520), Baldassare Peruzzi (1481–1536), Sebastiano del Piombo (um 1485–1547) und Sodoma (1477–1549). Außerdem stattete er dieses architektonische Juwel mit zahlreichen Kunstwerken aus.3 Laut Inventaren und Archivdokumenten sind mehr als 80 Antiken für den Innenbereich und zahlreiche weitere für den Garten bezeugt. Abb. 52 Ferdinand Voet, Kardinal Flavio Chigi , 1670, Öl auf Leinwand, Palazzo Chigi, Ariccia

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