Leseprobe

45 Himmlische und irdische Kräfte im Kampf gegen die Pandemie Papst Alexander VII. und die Pest in Rom 1656/57 Eva-Bettina Krems Kaum ein Jahr nach seiner Wahl zum Papst (7. April 1655) wurde Alexander VII. mit einer für die Stadt und den Kirchenstaat höchst bedrohlichen Lage konfrontiert: Im Frühjahr 1656 brach die Pest in Rom aus. Die Epidemie hatte sich von Nordafrika Mitte des 17. Jahrhunderts nach Spanien und Südfrankreich ausgebreitet und bereits 1652 Sardinien erreicht, das damals zum Königreich Spanien gehörte. Trotz der Handelsbarrieren gegen die Insel wütete die Pest vier Jahre später, 1656, in Neapel, wo sie rund 100 000 Menschen tötete – etwa ein Drittel der gesamten Bevölkerung. In Rom war man auf Getreidelieferungen aus Neapel angewiesen, daher wurde im Frühjahr 1656 sofort damit begonnen, an der Grenze zu patrouillieren und alle ankommenden Schiffe sorgfältig auf kranke Besatzungsmitglieder und Reisende hin zu untersuchen. Trotz dieser Vorsichtsmaßnahmen erkrankten imMai mehrere Personen in Trastevere. Heute ist dieser römi- sche Stadtteil auf der westlichen Seite des Tibers bei Touristen besonders beliebt, damals war es ein heruntergekommenes Armenviertel mit katastrophalen hygienischen Zuständen, in denen die Pest ein leichtes Spiel hatte. Innerhalb weniger Tage traten neue Fälle auch im angrenzenden jüdischen Ghetto sowie in zahlreichen anderen Teilen der Stadt auf.1 Rom war Mitte des 17. Jahrhunderts eine dicht bevölkerte Stadt, eng umschlossen von den mittelalterlichen Mauern. Die Straßen waren zumeist ein ungeordnetes Durcheinander, verstopft mit Ständen mit einer Vielzahl von Verkäufern und langsam fahrenden Kutschen. Nur wenige Bewohner befolgten die Anweisungen der Stadtverwaltung, ihren Müll auf dem dafür vorgese- henen Platz amTiberufer zu deponieren; der meiste Müll wurde einfach auf die Straße geworfen. »Was nützt es, in der Pracht Roms zu leben, wenn man sich eher wie ein Tier als wie ein Mensch bewegt«, schrieb der Zeitgenosse Lorenzo Pizzati und fügte in direkter Anrede an den Landes- herrn, den Papst, hinzu: »Erhebe, Heiliger Vater, die Armen aus den Exkrementen.«2 Wie in anderen Städten trugen die Armen die Hauptlast der dichten Bevölkerung und mangelnden Hygiene. Ihre Wohngebiete befanden sich in den feuchten, tiefliegenden Gebieten der Stadt, die regelmäßig vom Tiber überflutet wurden; die meisten ihrer Häuser waren dem Verfall preisge- geben. Viele waren obdachlos, bettelten auf der Straße, verschlungen im Gestank von verrotten- dem Müll und tierischen und menschlichen Exkrementen. So klagte der eben schon erwähnte kritische Zeitgenosse, erneut den Papst anrufend: »Guter Hirte, mit Verlaub, wir leben nicht mehr in Rom, sondern in einem Schweinestall.«3 Trotz der problematischen hygienischen Zustände, gerade in den Armenvierteln, hatte die Stadt, die laut Osterzählung von 1656 etwa 120 000 Einwohner aufwies, nur etwa 14 000 Todes- fälle zu beklagen, bis die Seuche im August 1657 für besiegt erklärt wurde. Diese Sterblichkeits- Abb. 30 Nicolas Poussin, Die Pest von Ashdod, 1630, Öl auf Leinwand, Musée National du Louvre, Paris (Detail)

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