Leseprobe

»…und keine Qual rühret sie an«? 45 verfault bzw. gänzlich zu einer humusartigen Masse zerfallen waren. Zum anderen waren alle Särge geöffnet und durchwühlt worden, wobei viele Leichname aus ihren Särgen gezerrt und an anderer Stelle in der Gruft »abgelegt«, aber auch in die Ein­ zelgrabkammern regelrecht hineingestopft worden sind. Särge oder Sargteile, die noch im Verbund zusammenhingen, waren systemlos auf- und ineinander gestellt worden. Knochen, Tex­ tilien und Beigabenreste wie z. B. Totenkronenteile lagen in großer Anzahl umher. Angesichts solcher Zerstörungen stellt sich immer wieder die Frage nach dem Umgang mit Bau und Inventar. Eine erste Schadensmeldung an das Landesamt für Denkmalpflege Sach­ sen erfolgte 2005 durch Pastor Christian Lehnert. Aber erst 2011 kam es zu einer offiziellen Begehung, 7 die durch dessen Nachfolgerin, Pastorin Julia Fricke, und ihren Mann Clemens initiiert wurde, der auch die wesentlichen Schritte zu einer angemessenen Bearbeitung des Bestandes einleitete. Aufgrund des besonderen kulturhistorischen Wertes des – wenn auch stark angegriffenen – Bestandes entschieden die zuständigen Vertreter von Kirchenvorstand, Schloss Weesen­ stein, Landesamt für Denkmalpflege Sachsen und Familie von Bünau, die Gruft und ihr Inventar interdisziplinär und unter wissenschaftlichen Maßgaben untersuchen und aufräumen zu lassen, den Gruftraum zu sanieren, die Einzelgrabkammern zu verschließen und die menschlichen Überreste in pietätvoller Art an die ihnen ursprünglich bestimmten Plätze zurückzuführen. Die Bergung und Rückbettung der Bestatteten wurde von der Forschungsstelle Gruft (Lübeck) in einer insgesamt dreiwöchi­ gen Maßnahme in den Jahren 2013 und 2016 durchgeführt. Die Sargteile wurden dokumentiert, vorsichtig gereinigt und in Regalen in der Kapelle zwischengelagert. Lediglich drei Be­ stattungen konnten in ihrem originalen Zusammenhang erhal­ ten und geborgen werden. Zwei Baucontainer feuchten Schutts und Abfalls wurden aus der Gruft geborgen und feingesiebt. Dabei erschienen sehr viele Kleinfunde. Die erhaltenen Texti­ lien sind analysiert und beschrieben worden. Knochen wurden grob gesäubert und einer knappen anthropologischen Unter­ suchung bezüglich des Alters und Geschlechts unterzogen. Die Sargreste wurden behutsam gereinigt, gegen Schimmel ge­ schützt und mit Paraloid 72B, gelöst in Ethylacetat bzw. Klucel E, behandelt. Brüchige und fragile Teile konnten stabilisiert, abgebrochene Fragmente teilweise wieder angebracht und die Oberflächen mit einem Festigungsanstrich behandelt werden. Eisenteile erhielten einen korrosionsverhindernden Ölüberzug. Die große Besonderheit in dieser Grablege jedoch sind die fünf mit einer Tonnengewölbedecke gemauerten Einzelgräber für jeweils einen Sarg. Soweit es möglich war, wurden Schutt und Steine aus den beschädigten Kammern entfernt, die ur­ sprünglichen Bestattungen freigelegt und dann in diesem Zu­ stand belassen. Die Kammergräber sind verputzt und vier von ihnen völlig schmucklos. Das fünfte, an der Nordwand der Gruft, wird durch eine große Sandsteinplatte mit dem Relief- Porträt eines stehenden Herrn in Rüstung samt einer Inschrift und noch sechs erhalten Wappendarstellungen abgedeckt (Abb. 2) . Die Inschrift auf dem Feld rechts neben dem Darge­ stellten ist beschädigt und nicht vollständig zu lesen. 8 Das To­ desjahr ist nur als »162…« zu identifizieren; das Lebensalter wird mit 81 Jahren angegeben. Vermutlich handelt es sich hier um das Grab von Rudolf von Bünau (1546–1627), Herr auf Weesenstein und Giesenstein. Dieser Rudolf von Bünau hatte in seinem Testament festgelegt, dass seine Beisetzung in der Burkhardswalder Kirche bei seinen Ahnen erfolgen solle. Auf seinem hölzernen Sarg und auf dem Leichenstein sollten die acht Wappen seiner Vorfahren dargestellt werden. 9 Durch die eindeutige Altersangabe auf der Grabplatte kann wohl ausge­ schlossen werden, dass es sich um die Bestattung des Stifters der Grablege Rudolf von Bünau III. (1547–1622) 10 handelt, da dieser nur 74 oder 75 Jahre alt wurde. 11 Die Gewölbedecke unter der Sandsteinplatte ist eingestürzt. Mit Hilfe einer Endo­ skopkamera konnte auch das Innere betrachtet werden. In die Kammer wurde eine weitere, kleinere und ebenfalls eingewölb­ te Kammer eingezogen. Auch sie ist eingestürzt, sodass Bestat­ tungsreste zu sehen waren. Alle Innenwände sind mit Liedstro­ phen beschriftet. Für den heutigen Besucher sichtbar ist das Kammergrab auch außen, am Kopfende, mit einer Inschrift versehen. 12 Dort ist ein Zitat aus der Vision des Hesekiel 13 zu lesen, in der die leibliche Auferstehung beschworen wird. In der diesem Grab vorgelagerten Kammer fanden sich un­ ter dem eingestürzten Schutt und sekundär eingebrachten Be­ stattungsresten die Relikte der schlecht erhaltenen Originalbe­ stattung einer Frau. Auf dem Leichnam waren knapp 30 Spanringe verteilt, die mit vergoldeten Gewürznelken besetzt waren. Solche Nelken sind auch aus anderen Gräbern der frü­ hen Neuzeit bekannt, doch ist ihr Nachweis in einer so großen Anzahl bislang einzigartig. 14 Nelken, im Volksmund und -lied Abb. 2 Grabplatte von Rudolf von Bünau.

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