Leseprobe

5 Zum Geleit Bautzen ist im Alltagsbewusstsein vieler Deutscher das Synonym für politische Verfolgung, Willkürjustiz und unmenschliche Haftbedingungen. Seine traurige Berühmtheit verdankt Bautzen den zwei Gefängnissen der Stadt. Das am Stadt- rand gelegene Bautzen I, das »Gelbe Elend«, diente während der Zeit des Nati- onalsozialismus als Zuchthaus, nach Ende des Zweiten Weltkrieges als Spezial- lager Nr. 4 der sowjetischen Geheimpolizei (NKWD) und in der DDR als eine Strafvollzugseinrichtung. Die Haftanstalt Bautzen II war während der national- sozialistischen Diktatur Untersuchungshaftanstalt, wurde in der Nachkriegszeit vom sowjetischen Geheimdienst NKWD als Operativgefängnis genutzt und stand von 1956 bis 1989 unter besonderem Zugriff des Ministeriums für Staatssicher- heit der DDR. Erst mit der Friedlichen Revolution 1989/90 endete die Geschichte der politischen Haft in Bautzen. 1992 wurde die Haftanstalt Bautzen II geschlos- sen. Im Juli 1993 beschloss der Sächsische Landtag die Errichtung der Gedenk- stätte Bautzen. Seit 1994 arbeitet die Gedenkstätte unter dem Dach der »Stif- tung Sächsische Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer politischer Ge- waltherrschaft«. Am authentischen Ort des Unrechts wird die Erinnerung an die im »Dritten Reich«, unter sowjetischer Besatzung und in der SED-Diktatur in den Haftanstalten Bautzen I und II Inhaftierten und ihr Leid bewahrt, werden die Repressionsmechanismen dokumentiert und in den historischen Zusammen- hang eingebettet. Die Gedenkstätte Bautzen zählt in der deutschen Gedenkstättenlandschaft zu den Gedächtnisorten von gesamtstaatlicher Bedeutung. Die Bundesregierung benannte sie in ihrer ersten Gedenkstättenkonzeption von 1999 als eine der herausgehobenen bedeutenden Einrichtungen, die im öffentlichen Bewusstsein exemplarisch für einen bestimmten Verfolgungskomplex stehen. Bautzen ist ein Ort mit so genannter doppelter Vergangenheit, ein Ort, der an die Verfolgung politischer Gegner sowohl vor als auch nach 1945 erinnert. Die Gedenkstätte ist eine von fünf in der Trägerschaft der Stiftung Sächsische Gedenkstätten befind- lichen zeithistorischen Gedenkstätten im Freistaat Sachsen, an denen jeweils am historischen Ort an nationalsozialistische Verbrechen und/oder an das Unrecht der kommunistischen Diktatur in der SBZ/DDR erinnert wird. Die Gedenkstätte Bautzen entwickelte sich mit ihren Ausstellungen und Publikationen sowie dem Veranstaltungs- und Bildungsangebot seit 1994 zu einem wesentlichen Bestand- teil der deutschen Erinnerungs- und Gedenkkultur. Die jährlich wachsende Be-

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