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Michael Löffler | Zwickau in den Zeiten des Dreißigjährigen Krieges  135 dachte kein Kommandeur oder Soldat –, doch ließ Baner bei Andro- hung von Strafe wenigstens die Vorräte im Getreidemagazin unan- getastet. Als auf dem Rathausboden dann ein kleiner Vorrat an Pulver, Blei und Gewehren gefunden wurde, drohte Baner, als Strafe zusätzliche sechs Kompanien zur Verproviantierung nach Zwickau zu verlegen. Der in Zwickau stationierte Regimentskommandeur Oberst Bawyr bot an, gegen eine »Diskretionssumme« von 3 000 Ta- lern bei Baner zu verhandeln, dass diese Auflage rückgängig ge- macht werde, was auch erfolgte. Der Rat konnte schließlich bei Bawyr auch erreichen, dass er sich mit 800 Talern für seine Dienste zufriedenstellte. 32 Im März 1641 besetze Baner nochmals Zwickau, zog aber nach wenigen Tagen nach Zeitz weiter. Zur Sicherung der Stadt und Verbesserung ihrer Verteidigungsanlagen ließ Baner zwei Regimenter zurück, die mithilfe von 200 Bürgern täglich Schanz- und Ausbesserungsarbeiten ausführen ließen. 33 Im August 1645 standen im Prinzip letztmalig Schweden unter General von Kö­ nigsmark vor Zwickau – weitere Attacken verhinderte schließlich der noch im folgenden Monat geschlossene Waffenstillstand von Kötzschenbroda. Allerdings kam es 1646 und 1647 noch zu je einem Durchzug der schwedischen Armee, der Zwickau mit starken Verpfle- gungsleistungen belastete. 34 AUSWIRKUNGEN DES KRIEGES Die Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges waren in Sachsen wie speziell in Zwickau ohne Frage verheerend. Dennoch nahm sich die rein militärisch betrachtete Opferstatistik noch bescheiden aus ge- genüber den Zahlen an gemarterten, geschändeten, vergewaltigten Menschen und denen, die an Hunger, Krankheiten und Seuchen zugrunde gingen. Gerade die Pest fand in den durch Flüchtlinge und Soldaten übervölkerten Orten, die oft bar jeglicher hygienischer Vorsorge waren, reiche Nahrung. Die Pestwelle von 1633 verringerte die Zwickauer Bevölkerung von 5 374 auf 3 341 Menschen. 35 Mindes- tens indirekt trugen Krieg und Kriegsfolgen ein hohes Maß an Mit- schuld für diese tragischen Zahlen. Der Zeitzeuge Tobias Schmidt beschreibt und begründet dies wie folgt: »Es waren so viel Krancke in der Stadt / daß es umb den Marckt unter allen Läden / und wo nur sonst in der Stadt ein Winckel war / als bey dem Fleischer-Thurm in den Töpffer-Kammern / voller Todte und Krancke lag; und da war die Ursach / daß die Kaiserliche Besatzung des Jahr zuvor / nicht nur alle Hospitalia und Siechhäuser / sondern auch die Garten- und Lust-Häusser / die Vorwercke / und insgesambt die gantzen Vor- städte verbrant / und etliche 1000. Menschen keine Herberg hatten […].« 36 Da zum Zwecke der Verteidigung zudem die Stadttore ge- schlossen blieben, häuften sich die unbeerdigten Pestleichen, die sogar von Hunden und Katzen angenagt wurden. Erst als sich ver- stärkt Soldaten ansteckten, wurden die Stadttore geöffnet, um die Toten wegzuschaffen und vor den Mauern Zwickaus zu beerdigen. Allerdings fehlte es mittlerweile an genügend Totenträgern und Totengräbern. Beichte und letztes Abendmahl konnten auch nicht mehr abgenommen bzw. gegeben werden, da die gesamte Geistlich- keit verstorben war. 37 Als Beispiel einer Zwickauer Familie dieser Zeit soll das von Christian Daum gelten, der damals noch studierte und später als Lehrer und Rektor an der Zwickauer Lateinschule wirkte. Er schrieb 1635 an seine Tante, dass er bereits Eltern und einen Großteil seiner Geschwister durch die Seuche verloren habe. Die Gesamtzahl aller Toten – vermutlich einschließlich der Soldaten – vermerkt er mit »vber die 5 000« und resigniert: »[…] ist solcher jammer v. elend gewesen, das ich nicht alles beschreibn kan.« 38 Natürlich ließen diese Umstände keine dauerhafte militärische Besetzung Zwickaus zu. Die Pest raffte Soldaten und Offiziere zu Hunderten hinweg. Am 18. August erging, wenn auch zu spät, der Befehl zum Abmarsch. Als Garnisonsbesatzung blieben 100 Mann zurück, die durch die Krankheit schnell dezimiert wurden. Die rest- lichen 18 Soldaten zogen mit dem letzten verbliebenen Offizier deprimiert am 8. Oktober ab. 39 Gegen die Zahl an Pesttoten verblasst fast diejenige von Opfern durch direkte militärische Gewalt – nicht aber die Art ihrer Grau- samkeit. So wurden allein an einem Tag im November 1632 in Pla- nitz sieben Männer erschossen und die Schulmeisterin erschlagen. 40 Fast noch schlimmer dabei waren die Folterungen, Verstümmelungen oder Vergewaltigungen, die den Morden vorangingen: Im unweit entfernten Altenburg wurden »[…] viel ehrlicher vornehmer Leute Weiber und Kinder geschändet, davon ihrer viele gestorben; die alten, die ehrlichen Leute, Mann und Weibspersonen, geschraubet, gerädelt, aufgehangen und gemordet […] Hans Sigmund den Schnei- der haben sie ganz splitternackt ausgezogen und auf die Gasse zu einem Fenster hinausgeworfen, so auch alsobalden gestorben […].« 41 Ob im damals sächsischen Altenburg durch Kaiserliche oder wenige Jahre später in Zwickau durch die Schweden – beide Seiten ließen es an Brutalität und Grausamkeit gegenüber der Zivilbevölkerung nicht fehlen, »[…] daß es ein Stein in der Erden erbarmen möchte. Wievil Weibsvolck genotzuchtiget, Ehemänner niedergeschoßen und das Eheweib geschändet worden, ist notorium.« 42 In diesem Kanon von Bestialitäten kann die Geiselnahme von Bürgern zur Erpressung von Kontributionszahlungen fast als harmlos gelten. Auch in diesen Fällen standen sich die kaiserliche und die schwedische Armee nichts nach. Wallenstein erpresste 1632 von der Zwickauer Bürgerschaft so große Summen, dass diese nicht sofort aufgebracht werden konnten. Um auch den letzten verbliebenen Rest zu erzwingen, nahmen seine Soldaten als ultimatives Druckmittel »drey vom Adel / Moritz Haubold von Schönberg / Johann Wilhelm Römer / Churfl. Sächs. Ober-Forstmeistern zu Werdau / und Wolff Dietrich von Thumehirn / desgleichen drey Herren aus den Raths Mittel / als / Daniel Forstmann / Georg Hohmuth und Martin Schütz / mit hinweg […] / welche auch nicht eher ledig wurden / biß man den Rest ersetzet.« 43 Holk tat seinem Herrn ein Jahr später Gleiches nach, als er in Leipzig Bürgermeister und Ratsherrn zur Durchset- zung seiner Kontributionsforderungen mit sich nahm und so lange

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