Katalog

Studien zur Geschichte und Bedeutung der alten Dresdner Augustusbrücke 125 Schloss sowie der Turm der Kreuzkirche und das Kronentor, aber gegenüber der Brücke unwirklich verdreht, gleichsam nur als eine Vision, die wohl die Heimat, letztlich aber nicht die hiesige, sondern eine jenseitige Heimat meint. Hier ist Alt und Jung, Mensch und Tier sowie die Verklärung der vertrauten Umwelt mit der in einer Brücken-Symbolik verschränkt. Die nachrevolutionäre bürgerliche Gesellschaft auf der Brühlschen Terrasse und auf der Augustusbrücke zeigt Franz Wilhelm Leuteritz in seinem Bild von 1863 (Abb. 29) . 123 Die Augustusbrücke hat inzwischen mit der Marienbrücke ein Gegenüber erhalten. Darüber braust ein Eisenbahnzug. In der Neustadt sind nunmehr nicht nur neue Kirchtürme emporge- wachsen, es erscheinen auch die ersten rauchenden Fabrikschlo- te. Währenddessen ziehen die Fußgänger noch immer in der von August dem Starken erlassenen Ordnung über die Brücke. Die Vorköpfe ihrer Pfeiler haben inzwischen die mehrstufigen, abgerundeten Sockel erhalten, die ihnen das Ansehen von »Elefantenfüßen« verleihen. In den letzten Jahren ihres Bestehens hat die alte Brücke in Gotthardt Kuehl noch einmal einen Künstler gefunden, der aus seinem Atelier der Kunstakademie heraus auf mehreren Gemäl- den einen neuen Aspekt zur Wirkung bringt. 124 Von hier aus liegen die menschenleere Brühlsche Terrasse und das Terras- senufer im Bild schräg unten und die Augustusbrücke fast bildparallel, in der Ferne von der Marienbrücke begleitet (Abb. 30) . Sie lässt die Weite des Flussbogens nachempfinden. Da es sich um Winterbilder im Abendlicht handelt, treten die dunklen Brückenbögen dominant in Erscheinung. Der rege Abendverkehr, im Einzelnen ganz undeutlich, lässt die auf dem Bild dargestellte Großstadt mehr erahnen als erkennen. Für Dresden stehen immer noch die Elbe und ihre Brücken. Kunsthistorische Überlegungen zum Dresdner Brückenmännchen Als Wahrzeichen der Augustusbrücke, ja der Stadt Dresden, galt seit alters das »Brückenmännchen«, eine schon an der mittelalterlichen Elbbrücke angebrachte Steinskulptur. 125 Als Kopie von 1967 ist es heute an der Westseite des ersten Pfeilers der Brücke am Terrassenufer angebracht (Abb. 31) . 126 Die Ereignisse, die sich in den letzten Jahrhunderten im Zusam- menhang mit dem Bildwerk abgespielt haben, ähneln einem Verwirrspiel. Bisher ist es nicht gelungen, es vollständig aufzu- klären. Hier können nur die Hauptzüge desselben angedeutet werden. Intensivere Studien könnten noch weitere, genauere Ergebnisse erzielen. Die wenig überzeugende Kopie von 1967 hält sich im Wesentlichen an die Skulptur, die schon 1910 an derselben Stelle der Friedrich-August-Brücke angebracht war und ist wahrscheinlich völlig neu angefertigt worden. 127 Sie ähnelt einer Version des Bildwerks, die 1924 im Buch von Willy Nagel als das Brückenmännchen abgebildet ist (Abb. 32) . Diese Meinung entspricht allerdings nicht der von Cornelius Gurlitt, der 1903 in seinem Inventar der Bau- und Kunst- denkmäler der Stadt Dresden eine ganz andere Kopie der Skulptur für das »originale« Brückenmännchen hielt, die die Sitzfigur wesentlich schlanker und in stärker symmetrisch Abb. 29 Die Brühlsche Terrasse, die Augustus- und Marienbrücke sowie die Dresdner Neustadt, Gemälde von Franz Wilhelm Leuteritz (1863).

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