Katalog

99 Heinrich Magirius Studien zur Geschichte und Bedeutung der alten Dresdner Augustusbrücke Die Sakralität der mittelalterlichen Elbbrücke Den mittelalterlichen Menschen war der Begriff des »Pontifex« wohlvertraut, weniger aber wahrscheinlich die Herleitung desselben: Im antiken Rom oblag den Oberpriestern das Amt, Brücken – lateinisch »pontes« – zu bauen und zu pflegen, sie wurden deshalb »pontifices« genannt. Im Mittelalter war der Begriff auf das Amt des christlichen Oberpriesters, auf das Papstamt, übertragen worden. Seit dem 13. Jahrhundert kennzeichnet dieser Begriff die Stellung des Papstes in der Hierarchie der Kirche. Er ist der »Summus pontifex« oder »Pontifex maximus«, wobei im Sinn paulinischer Theologie damit auch die Mittlerschaft des Stellvertreters Christi, der der »Mittler zwischen Gott und den Menschen« (1. Tim. 2, 5) ist, seine Brückenfunktion also, gemeint gewesen sein wird. Brü- cken, die zwei Ufern miteinander verbinden, sind »eo ipso« Sinnbilder für die friedliche Vermittlung von an sich ungleichen Partnern, oft sogar sich feindlich gegenüberstehenden. Die Bewunderung von Brückenbauwerken galt im Mittel- alter denjenigen, die Brücken zu bauen vermochten. Unbere- chenbare Flüsse zu überwinden, gelang imMittelalter sehr selten. Außer in Dresden wurde imMittelalter auch an anderen Orten mehrfach versucht, die Elbe mit einer Brücke zu überspannen, so in Raudnitz, Meißen und Torgau. 1 Dabei handelte es sich bis in die Neuzeit hinein großteils um hölzerne Brücken. An stei- nerne Brücken wagte man sich in Deutschland nur bei – im Verhältnis zur Elbe – kleineren Flüssen, so an Main und Donau. 2 Eine so große steinerne Bogenbrücke wie die Dresdner vermag nur Regensburg aufzuweisen. Sie ist zwar älter, 1135 bis 1146 erbaut, aber mit ihren 17 Bögen kürzer als die Dresdner. 3 Mit 24 Bögen galt die Dresdner Elbbrücke als »die längste«, wenn- gleich nicht »die schönste«. 4 Dieses Attribut verlieh man der Regensburger. Solche Superlative forderten schon immer zur Beantwortung der Frage nach den Schöpfern dieser Wunderwer- ke heraus. Für die Dresdner Brücke ist der Name Matthäus Fotius überliefert. 5 Gleichviel ob dieser Name auf Humanisten des 16. Jahrhunderts zurückgeht, die einen bei Vasari genannten, in Florenz und Neapel im ersten Drittel des 13. Jahrhunderts tätigen Matteo Fuccio als Baumeister der Dresdner Brücke ins Spiel gebracht haben oder doch eine ältere Überlieferung zugrun- de liegt, fest steht, dass die Dresdner in dem wohl schon im Mittelalter vorhandenen Bildwerk des Brückenmännchens den Erbauer »Mats Fotze« abgebildet sahen. 6 Die mittelalterliche Dresdner Elbbrücke ist insofern in ganz besonderer Weise als »sakrales« Objekt anzusehen, als sie gemeinsam mit der Hauptkirche der Stadt, der Nikolai- und späteren Kreuzkirche bis in die Neuzeit hinein als »pia causa« von Vertretern des Rates der Stadt verwaltet wurde. 7 Das geschah insbesondere durch einen dafür gewählten Brücken- meister, der außerdem eines der beiden Brückenhospitäler zu betreuen hatte. Dabei wurden die vom Brückenamt zu erhal- tenden und zu pflegenden Baulichkeiten selbst als »Rechtssub- jekte« verstanden, denen aus Zöllen, Spenden und Ablässen stammende Vermögen zuflossen. Seit dem 13. Jahrhundert bezeugen immer wieder Urkunden, dass vor allem zu Pfingsten und zum Johannisfest in Dresden zusammengekommene Spenden der Pilger insbesondere auch der Erhaltung der Brücke zugutekamen. 8 Dabei spielten zwei Heiligtümer der Kreuzkir- che eine besondere Rolle: Zum einen der im 13. Jahrhundert auf der Elbe angeschwemmte »Schwarze Herrgott«, ein großer Kruzifixus, und zum anderen der von Constantia von Öster- reich, der babenburgischen Gemahlin Markgraf Heinrichs, mitgebrachte Splitter vom Kreuz Christi. 9 Immer wieder sind die »Ankünfte« berühmter Gegenstände oder Persönlichkeiten auf der Elbe – nach der Reformation säkularisiert – besonders festlich begangen worden. Als Aufstellungsort für Kreuze besitzt eine Brücke beson- dere Bedeutung. Das Passieren des Übergangs über einen Fluss erinnert stets auch an den Übergang in eine andere Welt, an den Tod. Besonders nahe liegt es, wenn man einem im Fluss Ertrunkenen oder einem hier Ermordeten ein Kreuz setzt. Die Literatur zur Dresdner Elbbrücke berichtet von zwei mittelal- terlichen »Martern«, die angeblich an einen jeweiligen Verstor- benen erinnerten. An der einen »Martersäule« konnte man am Anfang des 18. Jahrhunderts noch die Jahreszahl 1515 und den Textbeginn »Gott genade« lesen. 10 Eine andere »Marter« mit der Jahreszahl 1499 zeigte eine Kreuzigungsgruppe und das Relief einer Barbe, das Wappen der auf Coswig sitzenden Familie Karas. 11 Kurz vor seinem eigenen Tod hatte Herzog Georg seinem 1537 verstorbenen Sohn, Prinz Johann, »auf dem verschütteten Bogen«, also unmittelbar vor dem gerade vollen- deten Georgenbau, ein Gedenkkreuz errichten lassen. 12 Eine etwas andere Bedeutung hatten die Großkreuze, die auf dem weitesten Bogen oder dem höchsten Pfeiler aufgestellt waren. Sie hatten in etwa die gleiche herausgehobene Stellung wie Triumphkreuze in spätgotischen Kirchen. Auf der Dresdner Brücke wurde noch 1564/ 65 ein solches Großkreuz aufge- stellt. 13 1595/ 96 wurde es durch ein neues Kruzifix ersetzt. Ein Bildhauer Lindner fertigte 1623/ 24 eines in Eichenholz. 14 Ein steinernes Kruzifix wurde 1705 von einem Bildhauer Hoffmann repariert. Es stand in der Nähe des Blockhauses und wurde später noch einmal von Paul Herrmann instand gesetzt. 15 Im Jahre 1628 sollte wohl das hölzerne Kreuz durch ein von Hans Hilger gegossenes Kruzifix ersetzt werden. Walter Hentschel hat nachgewiesen, dass es auf ein Modell von Wolf Ernst Brohn

RkJQdWJsaXNoZXIy MTMyNjA1